Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Die Geschichte vom Strolch und Koch.

Eines Morgens fand sich ein Strolch ohne einen Heller vor, so daß ihm die Welt eng ward und die Geduld ausging; er legte sich deshalb nieder und schlief, bis ihn die Sonne stach und ihm der Schaum vor den Mund trat, worauf er sich wieder mit leeren Taschen und ohne einen Dirhem erhob. Beim Weitergehen kam er an dem Laden eines Kochs vorüber, der seine Kessel ausgesetzt hatte; und das Fett war klar und die Gewürze dufteten, während der Koch hinter den Kesseln stand, nachdem er die Wage geputzt, die Schüsseln gewaschen und den Laden gekehrt und gesprengt hatte. Infolgedessen trat der Strolch in den Laden ein und begrüßte den Koch, worauf er zu ihm sagte: »Wäge mir für einen halben Dirhem Fleisch ab, für einen Viertel Hirse und für einen andern Viertel Brot.« Da wägte es ihm der Koch ab und setzte das Essen vor den Strolch, der es hinunterschlang und die Schüssel ausleckte, worauf er ratlos dasaß und nicht wußte, wie er dem Koch seine Mahlzeit bezahlen sollte. Hierbei ließ er seine Augen über alle Dinge im Laden umherschweifen, als er mit einem Male ein Gefäß umgestülpt daliegen sah. 8 Da hob er es auf und fand einen frisch abgeschnittenen Pferdeschwanz darunter, von dem noch das Blut träufelte. Er erkannte hieraus, daß der Koch sein Fleisch mit Pferdefleisch fälschte und freute sich über diese Wahrnehmung; dann wusch er sich die Hände und schritt gesenkten Hauptes hinaus. Als der Koch sah, daß er ohne Bezahlung fortging, rief er: »Halt, du Pest! du Einbrecher!« Da blieb der Strolch stehen und sprach zu ihm, sich umwendend: »Schreist du mir nach und gebrauchst diese Worte, du Hahnrei?« Ergrimmt kam nun der Koch ans seinem Laden heraus und rief: »Was sollen diese Worte, du Fleisch-, Hirse-, Brot- und Zukostfresser, der du mit dem Salâm herausgehst, als wäre nichts gewesen, und nichts dafür zahlst!« Der Strolch versetzte: »Du lügst, du Sohn eines Hahnreis!« Hierauf hängte sich der Koch zeternd an seinen Kragen und rief: »Ihr Moslems, dies hier ist mein erster Kunde am heutigen Tage, der von meiner Speise gegessen und mir nichts dafür bezahlt hat.« Da scharten sich die Leute um beide und schalten den Strolch und sagten zu ihm: »Bezahl ihm, was du bei ihm gegessen hast.« Der Strolch versetzte: »Ich gab ihm einen Dirhem, bevor ich in den Laden trat.« Der Koch entgegnete: »Wenn er mir etwas auch nur im Wert eines Hellers gab, so sei alles, was ich heute verkaufe, verwehrt für mich! Bei Gott, er gab mir nichts, sondern aß von meiner Speise und ging fort, ohne mir etwas zu bezahlen.« Der Strolch erwiderte jedoch: »Ich gab dir doch einen Dirhem,« und schimpfte auf den Koch, der ihm die Schimpfworte zurückgab, bis ihm der Strolch einen Fausthieb gab, worauf sie einander packten und faßten und würgten. Als die Leute dies sahen, kamen sie herzu und fragten sie: »Was prügelt ihr euch? Was ist der Grund hiervon?« Der Strolch versetzte: »Ja, bei Gott, die Sache hat einen Grund, und der Grund hat einen Schwanz.« Da rief der Koch: »Ja, bei Gott, nun erinnerst du mich wieder an dich und an deinen Dirhem! Bei Gott, er gab mir einen Dirhem, und es hat nur einen achtel Dirhem gekostet. 9 Kehr um und nimm den Rest deines Dirhems in Empfang.« Der Koch verstand nämlich, was er mit dem Schwanz meinte.

»Und so, o mein Bruder, hat auch meine Geschichte einen Grund, den ich dir erzählen will.« Da lachte der Chalife und sagte: »Bei Gott, das ist fürwahr eine köstliche Geschichte; erzähl' mir nun deine Geschichte und den Grund.« Abul-Hasan versetzte: »Freut mich und ehrt mich! Wisse, o Fürst der Gläubigen,Der Erzähler vergißt, daß Abul-Hasan den Chalifen nicht erkannte. mein Name ist Abul-Hasan der Liederjan. Als mein Vater starb, hinterließ er mir reiches Gut, und ich teilte es in zwei gleiche Teile und legte die eine Hälfte beiseite, während ich die andre nahm und für meine Freunde, Zechgenossen, Gefährten und die Kaufmannssöhne in lustigen Gelagen ausgab, indem ich mit allen und alle mit mir zechten. So blieb mir nichts von jenem Geld übrig, und ich suchte meine Freunde und Kumpane, mit denen ich mein Geld durchgebracht hatte, auf, ob sie vielleicht für mich sorgen würden; als ich jedoch bei ihnen die Runde machte, fand ich bei keinem von allen Hilfe, und keiner brach auch nur ein Brot vor meinem Angesicht. Da ging ich weinend zu meiner Mutter und klagte ihr mein Leid, worauf sie zu mir sagte: »So steht's mit den Freunden; wenn du etwas hast, so kommen sie zu dir und fressen dein Gut, und, wenn du nichts hast, so weisen sie dich ab und jagen dich fort.« Da holte ich die andre Hälfte meines Geldes hervor und gelobte mir mit keinem länger als eine Nacht zu pokulieren, um ihn dann nicht wieder zu grüßen noch mich an ihn zu kehren. Deshalb sagte ich auch zu dir: »Das sei ferne, daß das Vergangene noch einmal wiederkehren sollte; denn nach der heutigen Nacht will ich nicht wieder mit dir zusammenkommen.« Als der Chalife dies vernahm, lachte er laut und sagte: »Bei Gott, mein Bruder, du bist hierin und zu dieser Stunde zu entschuldigen, da ich nunmehr den Grund kenne und weiß, daß die Ursache einen Schwanz hat. Jedoch, so Gott will, 10 werde ich mich nicht von dir trennen.« Abul-Hasan erwiderte: »Habe ich dir nicht gesagt, mein Kumpan, daß es ferne sei, daß das Vergangene wiederkehren sollte? Ich will in der That mit keinem wieder zusammentreffen.«

Hierauf erhob sich der Chalife, und Abul-Hasan setzte ihm eine Schüssel gebratene Gans und ein Feinbrot vor, worauf er sich setzte und tranchierte und dem Chalifen die Bissen in den Mund stopfte. So aßen sie, bis sie genug hatten, worauf er Becken, Eimer und Alkali zum Waschen der Hände brachte. Nachdem sie dies gethan hatten, steckte er drei Wachskerzen und drei Lampen an, breitete das Weintuch aus und holte reinen, geklärten, alten und duftenden Wein, dessen Blume wie starker Moschusgeruch war. Indem er den ersten Becher füllte, sagte er: »Mein Zechgenoß, nun sei mit deiner Erlaubnis jede Ceremonie zwischen uns abgethan; dein Sklave ist bei dir, mag ich nicht mit deinem Verlust heimgesucht werden!« Hierauf trank er und füllte den zweiten Becher, den er dem Chalifen respektvoll reichte. Der Chalife bewunderte sein Benehmen und seine gefälligen Worte und sprach bei sich: »Bei Gott, ich muß es ihm unbedingt lohnen!« Alsdann füllte Abul-Hasan den Becher wieder und reichte ihn dem Chalifen, der ihn annahm, während sein Wirt die Verse sprach:

Hätten wir um euer Kommen gewußt, wir hätten kredenzt
Unser Herzblut oder das Schwarze in unserm Auge;
Als Teppich hätten wir unsere Brust zu euerm Empfange ausgebreitet,
Und hätte euer Weg auch über unsre Augenlider geführt.«

Als der Chalife seine Verse vernommen hatte, nahm er den Becher aus seiner Hand, küßte ihn und trank ihn aus, worauf er ihm denselben wieder überreichte. Abul-Hasan machte ihm eine Reverenz, füllte ihn und trank ihn aus, worauf er ihn wieder füllte, ihn dreimal küßte und dabei folgende Verse sprach:

Deine Anwesenheit ist Ehre für uns, und wir bekennen es;
Und scheidet ihr von uns, so finden wir keinen Ersatz für euch.« 11

Hierauf reichte er den Becher dem Chalifen und sprach zu ihm: »Trinke es zum Wohlsein und zur Genesung; es heilt die Krankheit und wirkt als ein Heilmittel, das die Kanäle der Gesundheit fließen läßt.« So hörten beide nicht auf zu zechen und zu plaudern, bis die Mitternacht hereinbrach, als der Chalife zu ihm sagte: »O mein Bruder, hegst du vielleicht im Herzen einen Wunsch, den du erfüllt haben möchtest, oder hast du einen Kummer, dessen Aufhebung dir erwünscht wäre?« Abul-Hasan versetzte: »Bei Gott, ich bedauere nichts als daß mir nicht Macht und Befehl und Verbot gegeben ist, um einen Wunsch meines Herzens auszuführen.« Da sagte der Chalife: »Bei Gott, bei Gott, mein Bruder, sprich, was du im Sinn hast.« Abul-Hasan erwiderte: »Ich wünsche zu Gott, mich an meinen Nachbarn rächen zu können; in meiner Nachbarschaft befindet sich nämlich eine Moschee, in der vier Scheiche leben, die sich belästigt finden, wenn mich ein Gast besucht, und mich mit Worten behelligen und kränken, und mir drohen, daß sie über mich beim Fürsten der Gläubigen Klage führen würden. Sie tyrannisieren mich in der That, und ich bitte zu Gott, dem Erhabenen, um Macht für einen einzigen Tag, daß ich einem jeden von ihnen zugleich mit dem Imâm der Moschee vierhundert Geißelhiebe verabfolge und sie durch die Stadt Bagdad paradieren und vor ihnen ausrufen lasse: »Dies ist der geringste Lohn für den, der das Maß überschreitet und die Leute haßt und ihre Freuden trübt.« Dies ist's, was ich wünsche, und weiter nichts.« Da sagte der Chalife zu ihm: »Gott gebe dir die Erfüllung deines Wunsches! Nun aber laß uns zum Schluß noch eins trinken und aufstehen, ehe der Morgen anbricht; in der kommenden Nacht will ich dann wieder bei dir sein.« Abul-Hasan versetzte jedoch: »Das sei ferne.« Hierauf füllte der Chalife den Becher und that ein Stück kretensischen Bendsch hinein, worauf er ihm den Becher reichte und zu ihm sagte: »Bei meinem Leben, mein Bruder, trinke diesen Becher aus meiner Hand.« Abul-Hasan 12 erwiderte: »Ja, bei deinem Leben, ich will ihn aus deiner Hand trinken.« Alsdann nahm er ihn, doch hatte er ihn kaum getrunken, da sank auch schon sein Haupt vor seine Füße und er fiel wie tot zu Boden. Da ging der Chalife hinaus und sagte zu seinem Sklaven Mesrûr: »Gehe zu diesem Jüngling, dem Hausherrn, hinein, lad' ihn auf, und, wenn du wieder hinauskommst, so schließe die Thür, und bring' ihn in den Palast.« Infolgedessen ging Mesrûr hinein und lud Abul-Hasan auf, worauf er die Thür schloß und seinem Herrn folgte, bis er ihn in den Palast gebracht hatte, während die Nacht zu Ende ging und die Hähne krähten. Als er mit Abul-Hasan in den Palast getreten war, legte er ihn vor den Chalifen nieder, der über ihn lachte und Dschaafar den Barmekiden kommen ließ. Sobald dieser vor ihm erschien, sagte der Fürst der Gläubigen zu ihm: »Sieh dir diesen Jüngling an, und, so du ihn morgen in meinem Amt und auf dem Thron des Chalifats, angethan in meinem Ornat sitzen siehst, so warte ihm auf und befiehl den Emiren, den Großen und den Höflingen und Reichswürdenträgern ihm ebenfalls aufzuwarten und seinen Befehlen zu gehorchen; und, so er dir etwas befiehlt, thu' es und höre auf ihn, ohne ihm während des kommenden Tages in irgend einer Sache zu widersprechen.« Dschaafar erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und ging fort, worauf der Chalife zu den Palastsklavinnen ging. Als diese ihm entgegen kamen, sprach er zu ihnen: »Wenn jener Schläfer morgen erwacht, so küsset die Erde vor ihm, und bedienet ihn, euch rings um ihn scharend; kleidet ihn an, leistet ihm die Dienste des Chalifats und verleugnet ihn in seiner Würde in keiner Hinsicht sondern sprechet: »Du bist der Chalife.« Hierauf schärfte er ihnen ein, was sie zu ihm sprechen und mit ihm thun sollten, und zog sich in ein verstecktes Gemach zurück, wo er einen Vorhang vor sich niederließ und sich schlafen legte.

Soviel vom Chalifen; was aber Abul-Hasan anlangt, so lag er da und schnarchte, bis der Morgen anbrach und 13 die Sonne nahe dem Aufgang war. Da kam eine Dienerin zu ihm und sagte: »O unser Herr, das Morgengebet!« Als er die Worte der Dienerin vernahm, lachte er und, seine Augen öffnend, ließ er sie im Palast herumschweifen; da gewahrte er sich in einem Schloß mit Wänden, bemalt mit Gold und Lazur und mit einer Decke, punktiert mit rotem Gold. Rings herum befanden sich Kammern, deren Thüren mit seidenen, goldgestickten Vorhängen verhangen waren, und überall stand Geschirr aus Gold, Porzellan und Krystall, und Teppiche und Polster lagen rings umher, und die Kandelaber brannten, und Sklavinnen, Eunuchen, Mamluken, Diener, Burschen, Favoritinnen und Pagen standen da. Da rief Abul-Hasan mit völlig verwirrten Sinnen: »Bei Gott, entweder träume ich, oder dies ist das Paradies und die Stätte des Friedens.« Hierauf schloß er die Augen und wollte weiter schlafen, als der Eunuch zu ihm sagte: »Mein Herr, das ist doch sonst nicht deine Gewohnheit, o Fürst der Gläubigen.« Alsdann traten die übrigen Palastsklavinnen an ihn heran und richteten ihn auf, und nun fand er sich auf einem Lager, das sich eine Elle hoch über den Boden erhob und völlig mit Flockseide gepolstert war. Sie setzten ihn auf dasselbe und lehnten ihn an ein Kissen, und er schaute sich den Palast und seine Pracht an und sah die Eunuchen und Sklavinnen, ihm aufwartend und zu seinen Häupten stehend. Da lachte er bei sich und sprach: »Bei Gott, mir ist's nicht, als ob ich wache, und doch schlafe ich auch nicht.« Hierauf erhob er sich und setzte sich, während die Mädchen ihr Lachen verbargen. In seiner Verwirrung biß er sich in den FingerUm zu sehen, ob er wach wäre oder schliefe.; da es ihm aber weh that, schrie er auf und ward zornig, während ihm der Chalife unbemerkt zuschaute und lachte. Nun wendete sich Abul-Hasan zu einem Mädchen und rief es; und als sie zu ihm kam, sagte er: »Bei Gottes Schutz, o Mädchen, bin ich der Fürst 14 der Gläubigen?« Sie versetzte: »Ja gewiß, bei Gottes Schutz, du bist zu dieser Stunde der Fürst der Gläubigen.« Da rief er: »Du lügst, bei Gott, du tausendfache Metze.« Hierauf schaute er nach dem Großeunuchen und rief ihn, worauf derselbe zu ihm kam, die Erde vor ihm küßte und sprach: »Zu Befehl, o Fürst der Gläubigen.« Da fragte er: »Und wer ist der Fürst der Gläubigen?« Der Großeunuch versetzte: »Du.« Abul-Hasan rief jedoch wieder: »Du lügst, du tausendfacher Kuppler.« Dann wendete er sich an einen andern Eunuchen und sprach zu ihm: »Mein Meister, bei Gottes Schutz, bin ich der Fürst der Gläubigen?« Er versetzte: »Ja bei Gott, mein Herr, du bist zu dieser Stunde der Fürst der Gläubigen und der Chalife des Herrn der Welten.« Da lachte Abul-Hasan über sich selber und sprach, an seinem Verstand zweifelnd und verwirrt von allem, was er sah: »In einer Nacht bin ich Chalife geworden? Gestern war ich noch Abul-Hasan und heute bin ich der Fürst der Gläubigen.« Hierauf trat der Großeunuch an ihn heran und sagte: »O Fürst der Gläubigen, Gottes Name sei schützend um dir, du bist der Fürst der Gläubigen und der Chalife des Herrn der Welten.« Und nun umgaben ihn die Sklavinnen und die andern Eunuchen, bis er sich erhob, immer noch voll Staunen über seinen Zustand, worauf ihm der Mamluk ein Paar Sandalen aus Rohseide und grüner Seide, verziert mit rotem Gold, brachte, die er in seinen Ärmel steckte. Da rief der Mamluk: »Gott, Gott, mein Herr, dies sind Sandalen für deine Füße, damit du in deine Garderobe gehen kannst.« Beschämt zog nun Abul-Hasan die Sandalen wieder aus dem Ärmel und zog sie an seine Füße, während der Chalife vor Lachen über ihn starb. Hierauf schritt der Mamluk ihm zum Abtritt voran, und Abul-Hasan betrat ihn und erledigte sein Geschäft, worauf er wieder in das Gemach zurückkam. Dann brachten ihm die Mädchen ein goldenes Becken und einen silbernen Eimer und gossen ihm Wasser über die Hände, worauf er die Waschung vollzog. Hierauf breiteten sie ihm 15 einen Gebetsteppich aus, und er verrichtete das Gebet, doch wußte er nicht, wie er beten sollte, sondern beugte und warf sich in zwanzig Verbeugungen nieder, indem er dabei hin- und hersann und sprach: »Bei Gott, ich bin wahrhaftig nichts andres als der Fürst der Gläubigen. Dies ist kein Traum, denn im Traum geschehen nicht alle diese Dinge.« So konstatierte er und entschied bei sich dahin, daß er der Fürst der Gläubigen wäre, und schloß den Salâm sprechend, sein Gebet. Dann drängten sich die Mamluken und Sklavinnen mit Paketen seidener und leinener Kleider um ihn und kleideten ihn in den Chalifenornat, worauf sie ihm das Kurzschwert in die Hand gaben. Alsdann schritt ihm der Großeunuch voran, die kleinen Mamluken folgten ihm, und so schritten sie einher, bis sie den Vorhang hoben und er sich in der Regierungshalle auf den Chalifenthron setzte. Dort sah er die Vorhänge und die vierzig Thüren, El-Idschlī, Er-Rakâschī, Ibdân, Dschadîm und Abu-Ishâk den Tischgenossen, gezückte Schwerter und Löwenbeherzte im Kreis, vergoldete Flamberge, scharftreffende Bögen, Adschamer, Araber, Türken, Deilamiten, Volksmengen und Haufen, Emire, Wesire, Truppen, Große und Reichswürdenträger und Kriegsherren, und die ganze Macht der Abbasiden und Majestät des Prophetenhauses zeigte sich vor seinen Augen. Nachdem er sich auf den Thron des Chalifats gesetzt und das Kurzschwert in seinen Schoß gelegt hatte, traten alle herzu, küßten die Erde vor ihm und wünschten ihm langes Leben und Bestand; und nun trat auch Dschaafar der Barmekide vor, küßte die Erde vor ihm und sprach: »Gottes weite Welt sei deiner Füße Grund, das Paradies dein Heim und das Feuer deiner Feinde Herberge! Nimmer erhebe sich ein Nachbar wider dich, und nie erlösche des Feuers Glut für dich, o Chalife der Städte und Herrscher der Lande!« Da schrie ihn Abul-Hasan an und rief: »Du Hund von Barmekide geh' sofort mit dem Wâlī der Stadt zu dem und dem Haus in der und der Gasse und gieb der Mutter Abul-Hasans des Liederjans hundert Dinare und 16 bestelle ihr von mir den Salâm, dann nimm die vier Scheiche und den Imâm fest, verabfolge jedem von ihnen vierhundert Geißelhiebe, setze sie verkehrt auf vier Reittiere, führe sie durch die ganze Stadt und weise sie zur Stadt hinaus an einen andern Ort; den Herold aber laß vor ihnen ausrufen: »Dies ist der Lohn, und zwar der geringste, für den, der zu viel schwatzt und seine Nachbarn belästigt, indem er ihre Freuden stört und sie am Essen und Trinken hindert.« Dschaafar nahm den Befehl an, indem er sprach: »Ich gehorche«; dann verließ er Abul-Hasan den Liederjan und stieg in die Stadt hinunter, seinen Auftrag ausrichtend. Abul-Hasan aber waltete des Chalifats, indem er nahm und gab, gebot und verbot und bis zum Ende des Tages seine Befehle ergehen ließ, worauf er die Emire und die Reichswürdenträger zu ihren Geschäften entließ. Dann kamen die Eunuchen zu ihm, wünschten ihm langes Leben und Bestand und schritten dienend vor ihm her und hoben den Vorhang auf; da trat er in den Haremspalast, wo er angezündete Kerzen, brennende Lampen und musizierende Sängerinnen antraf. Verwirrt hiervon, sprach er bei sich: »Ich bin wahrhaftig der Fürst der Gläubigen.« Wie er nun näher kam, erhoben sich die Mädchen vor ihm und führten ihn auf den Līwân, worauf sie ihm einen großen Tisch voll der köstlichsten Gerichte brachten. Nachdem er davon aus Leibeskräften gegessen hatte, bis er satt geworden war, rief er ein Mädchen und fragte es: »Wie heißest du?« Sie erwiderte: »Mein Name ist Miske«Moschusstückchen.. Dann fragte er eine andre: »Und wie heißest du?« Sie versetzte: »Tarka«Netz, Falle.. Hierauf fragte er eine dritte: »Und du?« – »Tohfe«Geschenk, Rarität.. Und so fragte er eine nach der andern, bis er sich wieder erhob und in das Trinkzimmer begab. Er fand es in jeder Weise vollkommen und gewahrte zehn große Tablette, auf denen allerlei Früchte, 17 Leckereien und Süßigkeiten lagen. Da setzte er sich und aß, bis er genug hatte; und, da er dort zu seiner Überraschung drei Scharen von Tänzerinnen fand, ließ er sie gleichfalls essen. Dann setzte er sich, und die Sängerinnen thaten das Gleiche, während die Dienerinnen, die Mamluken, Eunuchen, Burschen, Pagen und ein Teil der Sklavinnen standen. Die Sängerinnen aber sangen nun allerlei Weisen, daß der ganze Raum von den süßen Melodien wiederhallte, die Flöten ertönten hell und die Lauten klagten, so daß Abul-Hasan sich im Paradiese zu befinden wähnte und sein Herz wohlgemut und guter Dinge ward. Er scherzte und ward immer vergnügter und verlieh den Sängerinnen Ehrenkleider und machte Spenden und Geschenke, indem er bald nach dieser rief, bald jene küßte, bald mit der dritten tändelte, bald der vierten einschenkte und der fünften Bissen in den Mund stopfte, bis die Nacht hereinbrach, während der Chalife sich an seinem Thun belustigte und lachte. Als dann die Nacht anbrach, befahl der Chalife einem jener Mädchen ein Stück Bendsch in den Becher zu werfen und denselben Abul-Hasan zu trinken zu geben. Das Mädchen that nach dem Geheiß des Chalifen und reichte ihm den Becher; sobald er ihn jedoch getrunken hatte, sank sein Haupt vor seine Füße, worauf der Chalife lachend hinter seinem Vorhang hervorkam und den Burschen, der ihn gebracht hatte, rief und ihm befahl: »Trag den da wieder in seine Wohnung.« Da trug der Bursche ihn wieder zu seiner Wohnung und legte ihn in seinem Saal nieder, worauf er ihn verließ, die Thüre hinter ihm verschloß und wieder zum Chalifen zurückkehrte, der bis zum Morgen schlief.

Abul-Hasan schlief ebenfalls, bis Gott der Erhabene, den Morgen anbrechen ließ, worauf er zu sich kam und rief: »Heda, TuffâhaApfel.! Râhat el-KulubHerzensruhe.! Miske! Tohfe!« Er rief so lange nach den Mädchen, bis seine Mutter hörte, 18 wie er fremde Mädchen rief, worauf sie sich erhob und zu ihm ging und sagte: »Gottes Name sei schützend um dir, steh auf mein Sohn; Abul-Hasan, du träumst.« Da öffnete er seine Augen, und, wie er nun zu seinen Häupten eine Alte erblickte, hob er seine Augen und fragte sie: »Wer bist du?« Sie versetzte: »Ich bin deine Mutter.« Er erwiderte jedoch: »Du lügst; ich bin der Fürst der Gläubigen, der Chalife Gottes.« Da schrie seine Mutter und sagte zu ihm: »Gott schütze deinen Verstand! Schweig, o mein Sohn, daß wir nicht unser Leben verlieren und dein Gut geplündert wird, wenn jemand diese Worte hört und sie dem Chalifen hinterbringt.« Hierauf erhob er sich aus seinem Schlaf, und, da er sich in seinem Saal sah und seine Mutter erblickte, zweifelte er an seinem Verstand und sagte: »Bei Gott, meine Mutter, ich sah mich im Traum in einem Schloß dienstbar umgeben von Sklavinnen und Mamluken, und ich saß auf dem Thron des Chalifats und regierte; und, bei Gott, meine Mutter, dies sah ich, und es war wahrhaftig kein Traum.« Dann sann er wieder eine Stunde bei sich nach und sagte: »Fürwahr, ich bin Abul-Hasan der Liederjan, und was ich sah, war nur ein Traum; nur im Traume ward ich zum Chalifen gemacht und regierte, befahl und verbot.« Hierauf versank er wieder in Brüten und sagte: »Nein, es war doch kein Traum; ich bin niemand anders als der Chalife, und ich teilte Geschenke und Ehrenkleider aus.« Seine Mutter versetzte: »O mein Sohn, du treibst mit deinem Verstand ein Spiel; du wirst ins Irrenhaus kommen und von allen angegafft werden. Was du sahst, ist Satanswerk und Traumspuk; denn der Satan spielt zuzeiten in allerlei Weisen mir dem Verstand des Menschen.« Alsdann fragte ihn seine Mutter: »Mein Sohn, war etwa in der vergangenen Nacht jemand bei dir?« Abul-Hasan dachte nach und sagte dann: »Jawohl, jemand schlief bei mir, und ich erzählte ihm meine Geschichte; zweifellos war es ein Satan, und ich, o meine Mutter, bin, wie du sagst, 19 Abul-Hasan der Liederjan.« Nun sagte seine Mutter zu ihm: »Mein Sohn, freue dich über alles Gute, denn gestern kam der Wesir Dschaafar der Barmekide und ließ jedem der Scheiche der Moschee sowie dem Imâm fünfhundert Geißelhiebe verabfolgen, worauf sie in der Stadt umhergeführt wurden, indem man vor ihnen ausrief: »Dies ist der Lohn, und zwar der geringste, für den, der es gegen seine Nachbarn an gutem Willen fehlen läßt und ihnen das Leben sauer macht.« Außerdem aber schickte er mir hundert Dinare und ließ mich grüßen.« Da schrie Abul-Hasan: »Du Unglücksalte, willst du mir widersprechen und mir sagen, ich sei nicht der Fürst der Gläubigen? Ich bin's ja gerade, der Dschaafar dem Barmekiden befahl die Scheiche durchzuprügeln und in der Stadt herumzuführen und vor ihnen ausrufen zu lassen; ebenso ließ ich dir hundert Dinare schicken und dir den Salâm entbieten; ich bin in Wahrheit der Fürst der Gläubigen, du unselige alte Vettel, und du bist eine Lügnerin, die mich für verrückt erklärt.« Hierauf erhob er sich wider seine Mutter und verprügelte sie mit einem Mandelstecken, bis sie schrie: »Zu Hilfe, ihr Moslems!« Da prügelte er sie um so heftiger, bis die Leute ihr Geschrei hörten und zu ihr kamen, während Abul-Hasan sie durchbläute und dabei zu ihr sagte: »Unselige alte Vettel, bin ich nicht der Fürst der Gläubigen? Du hast mich verzaubert.« Als die Leute seine Worte vernahmen, sagten sie: »Dieser Mensch ist wahnsinnig,« und zweifelten nicht an seinem Wahnsinn. Hierauf fielen sie über ihn her, packten und fesselten ihn und führten ihn ins Spital. Der Aufseher fragte sie: »Was fehlt diesem jungen Menschen?« Sie versetzten: »Er ist wahnsinnig.« Da rief Abul-Hasan: »Bei Gott, sie lügen; ich bin nicht wahnsinnig, ich bin der Fürst der Gläubigen.« Da erwiderte der Aufseher: »Du allein lügst, Unseligster der Wahnwitzigen.« Hierauf zog er ihm die Sachen aus, legte ihm um den Hals eine schwere Kette und band ihn an ein hohes Gitterfenster, worauf er ihm zehn Tage lang Nacht und Tag je zwei Rationen Prügel 20 verabfolgte. Nach Verlauf dieser Zeit kam seine Mutter und sagte zu ihm: »O mein Sohn, o Abul-Hasan, nimm wieder Verstand an, denn dies ist Satans Werk.« Abul-Hasan versetzte: »Du hast recht, meine Mutter; bezeug' es, daß ich solche Worte bereue und aus meinem Wahnsinn wieder zu mir gekommen bin und erlöse mich, denn ich bin dem Tode nahe.« Da ging seine Mutter zum Aufseher und erwirkte seine Loslassung, worauf er wieder nach Hause ging.

Dies trug sich am Anfang des Monats zu; als aber der Monat zu Ende ging, bekam Abul-Hasan wieder auf Wein Verlangen und ließ wie üblich seinen Saal ausstatten und das Essen zubereiten und den Wein herbeischaffen. Dann ging er wieder auf die Brücke hinaus und setzte sich und wartete wie üblich auf einen Zechgenossen. Mit einem Male kam der Chalife wieder an ihm vorüber, doch grüßte er ihn nicht, sondern sprach zu ihm: »Keinen Willkomm den Verrätern! Ihr seid nichts anders als zwei Satane.« Da trat der Chalife auf ihn zu und sagte zu ihm: »Mein Bruder, sagte ich dir nicht, daß ich wiederkommen würde?« Abul-Hasan versetzte jedoch: »Ich bedarf deiner nicht, denn das Sprichwort sagt:

Besser wär' es und schöner von meinem Freund mich zu trennen;
Denn, was das Auge nicht schaut, kann das Herz nicht verbrennen.«

Ohne Umschweife, mein Bruder, in der Nacht, als du zu mir kamst, und wir beide miteinander zechten, war es, als ob der Satan zu mir gekommen wäre und mich beunruhigt hätte.« Der Chalife fragte: »Und wer war der Satan?« Abul-Hasan erwiderte: »Du.« Da lächelte der Chalife, und, sich zu ihm setzend, gab er ihm gute Worte und sagte zu ihm: »O mein Bruder, als ich dich verließ, ließ ich die Thüre offen stehen; vielleicht kam dann der Satan zu dir hinein.« Abul-Hasan versetzte: »Frag' nicht, was mir geschah. Was fiel dir ein, die Thür offen zu lassen, daß der Satan zu mir hereinkam und es mir mit ihm so und so erging?« Hierauf 21 erzählte Abul-Hasan der Liederjan dem Chalifen sein Abenteuer von Anfang bis zu Ende, während der Chalife sein Lachen verbarg. Dann sagte er zu Abul-Hasan: »Gelobt sei Gott, der dich von deinen Widerwärtigkeiten befreite, daß ich dich wieder wohlauf sehe!« Abul-Hasan entgegnete: »Ich will dich nie mehr zu meinem Zechgenossen und Gesellschafter machen, denn das Sprichwort sagt: »Wer einmal an einem Stein gestrauchelt ist und wieder zu ihm geht, der verdient Tadel und Vorwürfe.« Ich will dich deshalb nie mehr zum Zechgenossen nehmen und mit dir Umgang pflegen, denn ich fand nicht, daß deine Ferse mir Segen brachte.« Der Chalife schmeichelte ihm jedoch und beschwor und lobte ihn und sagte: »Ich bin dein Gast; du wirst doch deinen Gast nicht abweisen.« Da nahm ihn Abul-Hasan und führte ihn in seinen Saal, wo er ihm das Mahl vorsetzte und mit ihm plauderte, indem er ihm sein ganzes Abenteuer erzählte, während der Chalife sein Lachen kaum verbergen konnte. Hierauf nahm Abul-Hasan den Speisetisch fort und brachte den Weintisch; dann füllte er einen Becher, küßte ihn dreimal und gab ihn dem Chalifen, indem er zu ihm sprach: »Mein Zechgenoß, dein Sklave steht vor dir; nimm das, was ich sagen will, nicht übel, fühle dich nicht verletzt und verletze mich nicht.« Alsdann sprach er folgende Verse:

Hör' eines Mannes Wort, der guten Rat dir erteilt;
Das Leben hat keine Wonnen, wenn du nicht trinkst und trunken wirst.
Ich trink' und trink', wenn das Dunkel der Nacht mich umschattet,
Bis der Schlummer mein Haupt auf meinen Becher mir neigt.
Gleich dem Glanz der Sonne erfreut mich der Wein,
Der durch Wonnen und Freuden die Sorgen verscheucht.«

Als der Chalife seine Verse vernommen hatte, ward er über die Maßen entzückt und nahm den Becher und leerte ihn. Dann tranken die beiden so lange und plauderten miteinander, bis der Wein ihnen zu Kopf stieg, worauf Abul-Hasan zum Chalifen sagte: »O mein Zechgenoß, fürwahr, ich weiß mir mein Abenteuer gar nicht zu erklären; mir war 22 es, als ob ich der Chalife gewesen wäre und regiert, und Geschenke gemacht und Gaben ausgeteilt hätte, und fürwahr, mein Bruder, es war kein Traum.« Der Chalife versetzte jedoch: »Es war Traumspuk,« und that ein Stück Bendsch in den Becher, worauf er zu ihm sagte: »Bei meinem Leben, trinke diesen Becher.« Abul-Hasan erwiderte: »Ich will ihn aus deiner Hand trinken.« Mit diesen Worten nahm er den Becher aus der Hand des Chalifen und trank ihn, doch war der Wein kaum in seinen Magen gekommen, da sank auch schon sein Haupt vor seine Füße. Da aber der Chalife an seinem Thun und Wesen sowie an seinem edeln Charakter und seinem Freimut Gefallen fand, sprach er bei sich: »Fürwahr, ich will ihn zu meinem Bechergenossen und Gesellschafter machen.« Wie er nun betäubt dalag, erhob sich der Chalife unverzüglich und befahl seinem Burschen: »Lad' ihn auf und bring' ihn in den Chalifenpalast.« Mesrûr that es und legte ihn vor den Chalifen, worauf dieser den Sklavinnen und Mamluken befahl ihn zu umgeben, während er sich an einem Ort versteckte, wo ihn Abul-Hasan nicht sehen konnte. Dann befahl der Chalife einem der Mädchen die Laute zu nehmen und sie zu Häupten Abul-Hasans zu schlagen, während die andern Sklavinnen ihre Musikinstrumente spielten; und so musizierten alle, bis Abul-Hasan gegen Ende der Nacht erwachte. Als er den Lärm der Lauten, Tamburine und Flöten und den Gesang der Sklavinnen vernahm, öffnete er seine Augen und fand sich in einem Schloß, umgeben von Sklavinnen und Eunuchen. Da rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Fürwahr, ich fürchte mich vor dem Spital und den Leiden, die ich dort das erste Mal erduldete, und ich weiß nicht, ob nicht der Satan wie zuvor zu mir gekommen ist. O Gott, mach' den Satan zu schanden!« Alsdann schloß er seine Augen wieder und steckte den Kopf in seinen Ärmel, worauf er nach kurzem Lachen den Kopf wieder erhob. Da fand er das Schloß erleuchtet und sah singende Mädchen; 23 und nun setzte sich ihm einer der Eunuchen zu Häupten und sprach zu ihm: »Setz' dich, o Fürst der Gläubigen, und schau dir dein Schloß und deine Sklavinnen an.« Da sagte Abul-Hasan: »Bei Gottes Schutz, bin ich in Wahrheit der Fürst der Gläubigen und lügst du nicht? Gestern ging ich nicht aus und regierte auch nicht, sondern trank und schlief, und nun kommt dieser Eunuch und weckt mich.« Alsdann richtete er sich auf und überlegte alles, was ihm mit seiner Mutter widerfahren war, wie er sie geschlagen hatte und ins Spital gebracht worden war, und gewahrte die Spuren der Schläge, die er vom Aufseher des Spitals erhalten hatte. Verwirrt hiervon, sprach er, bei sich brütend: »Bei Gott, ich weiß nicht, wie es mit mir steht, und was mir widerfahren ist!« Hierauf wendete er sich zu einer der Sklavinnen und fragte sie: »Wer bin ich?« Sie versetzte: »Der Fürst der Gläubigen.« Da sagte er: »Du lügst, Unselige! Wenn ich wirklich der Fürst der Gläubigen bin, so beiß mich in den Finger.« Da trat das Mädchen an ihn heran und biß ihn stark in den Finger, worauf er zu ihr sagte: »Es ist genug.« Dann fragte er den Großeunuchen: »Wer bin ich?« Er erwiderte: »Du bist der Fürst der Gläubigen.« Da ließ er ihn zufrieden und versank wieder in Brüten, ohne aus noch ein zu wissen, bis er sich an einen kleinen Mamluken wendete und zu ihm sprach: »Beiß mich ins Ohr;« und, sich zu ihm neigend, hielt er sein Ohr an den Mund des Mamluken, der in seinem kindischen Unverstand mit seinen Zähnen aus Leibeskräften in Abul-Hasans Ohr biß, daß er es fast abgebissen hätte. Da er aber nicht Arabisch verstand, glaubte er jedesmal, wenn Abul-Hasan zu ihm sagte: »Genug,« er spräche zu ihm: »Beiß zu,« so daß er um so stärker zubiß und mit den Zähnen auf seinem Ohr knirschte, während die Sklavinnen dadurch, daß sie auf die Musik hörten, nicht auf Abul-Hasans Hilferufe achteten und der Chalife vor Lachen fast ohnmächtig wurde. Schließlich gab Abul-Hasan dem Mamluken einen Schlag, worauf dieser sein Ohr fahren ließ. Hierauf zog er 24 sich splitternackt aus und tanzte unter den Mädchen, während diese ihm, halbtot vor Lachen, die Hände banden; der Chalife aber fiel vor Lachen in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, trat er zu Abul-Hasan heraus und sagte zu ihm: »Wehe dir, Abul-Hasan, du bringst mich vor Lachen um.« Da wendete er sich zu ihm um und, da er ihn erkannte, sagte er zu ihm: »Bei Gott, du bringst mich und meine Mutter um, wie du auch die Scheiche und den Imâm der Moschee umbrachtest.«

Hierauf zog ihn der Chalife in seine Nähe und beschenkte und verheiratete ihn und nahm ihn in sein Schloß auf, indem er ihn zum vertrautesten und obersten seiner Bechergenossen machte, die ihrer zehn an der Zahl waren, nämlich El-Idschlī, Er-Rakâschī, Ibdân, El-Farasdak, El-Laus, Es-Sakar, Omar Et-Tartîs, Abū Nowâs, Abū Ishâk der Bechergenoß, und Abul-Hasan der Liederjan, von denen jeder eine besondere Geschichte hat, die in einem andern Buch erzählt ist.

Abul-Hasan aber stand beim Chalifen in hohen Ehren und ward allen andern so sehr vorgezogen, daß er bei ihm und der Herrin Subeide, der Tochter El-Kâsims, saß, und er heiratete ihre Schatzmeisterin, die Nushet el-FuâdHerzenswonne. hieß. Abul-Hasan lebte mit ihr und aß und trank und führte das angenehmste Leben, bis all ihr Gut dahin war. Da rief er: »Nushet el-Fuâd!« Sie erwiderte: »Zu Diensten.« Nun sagte er: »Ich will dem Chalifen einen Streich spielen, und du sollst das gleiche mit der Herrin Subeide thun, daß wir sogleich von ihnen zweihundert Dinare und zwei Stück Seide erhalten.« Sie versetzte: »Thu, was du willst.« Alsdann fragte sie ihn: »Und was willst du thun?« Er erwiderte: »Wir wollen uns tot stellen, und der Streich soll so sein: Erst sterbe ich vor dir und strecke mich der Länge nach aus, worauf du mich mit einem seidenen Tuch zudecken, meinen Turban auflösen, die Zehe meiner Füße binden und 25 auf meinen Magen ein Messer und etwas Salz legen sollst. Dann löse dein Haar auf und geh' zu deiner Herrin Subeide mit zerrissenem Kleid und dein Gesicht schlagend. Schrei laut, und, wenn sie dich fragt, was dir fehlt, so sag': »Mag dein Haupt Abul-Hasan den Liederjan überleben! Er ist gestorben.« Sie wird mich dann betrauern und wird weinen und ihrer Schatzmeisterin befehlen, dir hundert Dinare und ein Stück Seide zu geben, worauf sie zu dir sagen wird: »Geh', mach' ihn zurecht und schaff' ihn hinaus.« Nimm dann die hundert Dinare und das Stück Seide von ihr und komm her. Bist du aber wieder bei mir angelangt, so werde ich mich erheben, während du dich an meiner Statt niederlegst; ich will dann zum Chalifen gehen und zu ihm sagen: »Mag dein Haupt Nushet el-Fuâd überleben!« Und ich will mein Kleid zerreißen und mir den Bart ausraufen. Er wird dann über dich trauern und wird zu seinem Schatzmeister sagen: »Gieb Abul-Hasan hundert Dinare und ein Stück Seide.« Hierauf wird er zu mir sagen: »Geh', mach' sie zurecht und schaff' sie hinaus.« Und dann will ich zu dir kommen.«

Nushet el-Fuâd freute sich hierüber und sagte: »Fürwahr, dieser Streich ist gut.« Alsdann schloß sie ihm die Augen, band ihm die Füße und deckte ihn mit dem Tuch zu und that ganz nach dem Geheiß ihres Herrn. Hierauf zerriß sie ihr Kleid, entblößte ihr Haupt, und begab sich mit aufgelöstem Haar weinend und schreiend zur Herrin Subeide. Als die Herrin Subeide sie in diesem Zustand gewahrte, fragte sie sie: »Was bedeutet dies? Was für ein Unheil hat dich betroffen, und weshalb weinst du?« Nushet el-Fuâd erwiderte weinend und schreiend: »Meine Herrin, möge dein Haupt Abul-Hasan el-ChalîaEl-Chalîa = der Liederjan. überleben! Er ist gestorben.« Die Herrin Subeide trauerte über ihn und rief: »Ach der arme Abul-Hasan el-Chalîa!« und weinte wohl eine Stunde 26 über ihn. Dann befahl sie ihrer Schatzmeisterin, Nushet el-Fuâd hundert Dinare und ein Stück Seide zu geben, und sagte zu ihr: »O Nushet el-Fuâd, geh', mach' ihn zurecht und schaff' ihn hinaus.« Da nahm Nushet el-Fuâd die hundert Dinare und das Stück Seide und ging fröhlich nach Hause. Als sie bei Abul-Hasan eintrat, erzählte sie ihm das Vorgefallene, worauf er sich erhob und fröhlich seinen Leib gürtete und tanzte. Dann nahm er die hundert Dinare und das Stück Seide und legte sie beiseite. Hierauf streckte er Nushet el-Fuâd aus und verfuhr mit ihr genau so wie sie mit ihm. Dann zerriß er sein Kleid, raufte sich den Bart aus, löste seinen Turban auf und eilte so zum Chalifen, der gerade in der Regierungshalle saß. Als Abul-Hasan in diesem Zustande und sich vor die Brust schlagend bei ihm eintrat, fragte ihn der Chalife: »Welches Unglück ist dir widerfahren, o Abul-Hasan?« Da weinte Abul-Hasan und sagte: »Hätte dein Bechergenoß nie gelebt, und wäre seine Stunde nimmer dagewesen!« Nun sagte der Chalife: »Gieb mir Auskunft,« und Abul-Hasan versetzte: »Mein Herr, möge dein Haupt Nushet el-Fuâd überleben!« Da rief der Chalife: »Es giebt keinen Gott außer Gott!« und schlug die Hände zusammen. Hierauf tröstete er Abul-Hasan und sagte zu ihm: »Gräme dich nicht, ich will dir eine andre Favoritin schenken.« Dann befahl er dem Schatzmeister ihm hundert Dinare und ein Stück Seide zu geben, und der Schatzmeister that nach des Chalifen Geheiß, worauf dieser zu ihm sagte: »Geh', mach' sie zurecht, schaff' sie hinaus und richte für sie ein hübsches Begräbnis an.« Da nahm er das Geschenk des Chalifen an und kehrte fröhlich heim. Als er bei Nushet el-Fuâd eintrat, sagte er zu ihr: »Steh' auf, wir haben unsern Wunsch erreicht.« Da erhob sie sich, und er legte die hundert Dinare und das Stück Seide vor sie nieder, worüber sie sich freute. Dann legten sie das Gold zu dem Gold und die Seide zur Seide und saßen lachend und miteinander plaudernd da.

Als aber Abul-Hasan den Chalifen verlassen hatte, um 27 Nushet el-Fuâd zurecht zu machen, grämte sich der Chalife über sie und entließ den Diwan, worauf er sich, gelehnt auf Mesrûr, den Schwertmeister seiner Rache, zur Herrin Subeide begab, um ihr zu dem Tod ihrer Sklavin zu kondolieren. Er fand sie weinend dasitzen und auf sein Kommen wartend, um ihm zum Tode Abul-Hasan des Liederjans zu kondolieren. Wie der Chalife nun zu ihr sagte: »Mag dein Haupt deine Sklavin Nushet el-Fuâd überleben!« sagte sie zu ihm: »Mein Herr, Gott schütze meine Sklavin! Mögest du deinen Bechergenossen Abul-Hasan den Liederjan überleben! Er ist gestorben.« Da lächelte der Chalife und sagte zu seinem Eunuchen: »O Mesrûr, die Weiber haben wenig Verstand; war nicht Abul-Hasan erst eben bei mir?« Hierauf versetzte die Herrin Subeide aus zornerfülltem Herzen lachend: »Willst du nicht den Scherz lassen? Genügt dir nicht Abul-Hasans Tod, daß du auch meine Sklavin gestorben sein lässest und uns beide beraubst und mich für arm an Verstand erklärst?« Der Chalife entgegnete: »Nushet el-Fuâd ist tot.« Die Herrin Subeide erwiderte jedoch: »Fürwahr, er war nicht bei dir, und du sahst ihn nicht; niemand anders als Nushet el-Fuâd war soeben trauernd und weinend und mit zerrissenen Kleidern bei mir; ich ermahnte sie zur Geduld und schenkte ihr hundert Dinare und ein Stück Seide; und ich wartete auf dich, um dir zu dem Tod deines Bechergenossen Abul-Hasan el-Chalîa zu kondolieren, und war gerade im Begriff nach dir zu schicken.« Der Chalife lachte und sagte: »Niemand anders als Nushet el-Fuâd ist gestorben;« worauf die Herrin Subeide wiederum entgegnete: »Nein, nein, mein Herr; niemand anders als Abul-Hasan ist gestorben.« Da ergrimmte der Chalife, daß ihm die haschimitische Ader zwischen den Augen anschwoll, und er rief Mesrûr dem Schwertmeister zu und sagte zu ihm: »Geh' zum Hause Abul-Hasans und sieh' nach, wer von beiden gestorben ist.« Während nun Mesrûr hinauseilte, sagte der Chalife zur Herrin Subeide: »Willst du mit mir wetten?« Sie versetzte: »Jawohl, und 28 ich behaupte, daß Abul-Hasan tot ist.« Der Chalife entgegnete: »Und ich wette und behaupte, daß Nushet el-Fuâd tot ist; und der Einsatz zwischen mir und dir soll sein der Lustgarten gegen dein Schloß und die Bildergalerie.« Hierauf saßen sie da und wetteten auf Mesrûrs Rückkehr. Inzwischen lief nun Mesrûr, bis er in die Gasse Abul-Hasans gelangte, der gerade dasaß und sich gegen das Fenster lehnte, als er sich zufällig umwandte und Mesrûr in die Gasse gelaufen kommen sah. Da sagte er zu Nushet el-Fuâd: »Mir scheint es, der Chalife hat nach meinem Fortgang den Diwan aufgelöst und ist zur Herrin Subeide gegangen, um ihr zu kondolieren, worauf sie sich erhob und ihm kondolierte, indem sie zu ihm sagte: »Gott schenke dir reichen Lohn für den Verlust Abul-Hasan el-Chalîas!« Da sagte er zu ihr: »Niemand anders als Nushet el-Fuâd ist gestorben; mag dein Haupt sie überleben!« Hierauf sagte sie zu ihm: »Nicht sie, sondern Abul-Hasan el-Chalîa dein Bechergenoß ist gestorben,« und er entgegnete: »Nein, Nushet el-Fuâd ist tot.« Sie werden sich dann immer mehr erhitzt haben, bis der Chalife ergrimmte, und beide miteinander wetteten; und nun hat er Mesrûr den Schwertmeister geschickt, um zu sehen, wer tot ist. Das beste ist daher, du legst dich hin, damit er dich sieht und es dem Chalifen mitteilt, meine Worte bestätigend.« Hierauf streckte sich Nushet el-Fuâd der Länge nach aus, und Abul-Hasan verhüllte sie mit ihrem großen Schleier und setzte sich weinend ihr zu Häupten. Mit einem Male trat Mesrûr in Abul-Hasan el-Chalîas Haus und begrüßte ihn. Als er Nushet el-Fuâd ausgestreckt daliegen sah, deckte er ihr Gesicht auf und rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott! Unsre Schwester Nushet el-Fuâd ist gestorben. Wie schnell traf sie doch das Geschick! Gott erbarme sich dein und mach' dich von aller Schuld frei!« Alsdann kehrte er zurück und erzählte lachend vor dem Chalifen und der Herrin Subeide das Geschehene, so daß der Chalife zu ihm sagte: »Verruchter, dies ist nicht die Zeit zum Lachen, sag' uns, wer 29 von beiden tot ist.« Da versetzte Mesrûr dem Chalifen: »Bei Gott, mein Herr, Abul-Hasan ist wohlauf und Nushet el-Fuâd ist gestorben.« Hierauf sagte der Chalife zu Subeide: »Du hast dein Schloß im Spiel verloren.« Dann sagte er, sie auslachend, zu Mesrûr: »O Mesrûr, erzähl' ihr, was du sahst.« Nun sagte Mesrûr: »Fürwahr, meine Herrin, ich lief, bis ich ins Haus Abul-Hasans trat, wo ich Nushet el-Fuâd tot daliegen sah, während Abul-Hasan weinend ihr zu Häupten saß. Ich begrüßte ihn und kondolierte ihm, worauf ich mich an seine Seite setzte und Nushet el-Fuâds Gesicht aufdeckte; und da fand ich sie tot und ihr Gesicht aufgedunsen. Ich sagte daher zu ihm: »Schaff' sie hinaus, damit wir über sie beten;« und er versetzte: »Schön.« Hierauf verließ ich ihn, damit er sie zurecht machte und ich es euch mitteilte.«

Da sagte der Chalife lachend: »Wiederhol' es deiner Herrin, die so wenig Verstand hat, noch einmal.« Als aber die Herrin Subeide Mesrûrs Worte vernahm, erboste sie sich und sagte: »Wenig Verstand hat der allein, der einem Sklaven glaubt;« dann schalt sie Mesrûr, während der Chalife lachte, bis Mesrûr ärgerlich zum Chalifen sagte: »Der hat die Wahrheit gesprochen, der da sagte: »Die Frauen haben wenig Verstand und Religion.Eine Tradition vom Propheten. Da sagte die Herrin Subeide zum Fürsten der Gläubigen: »O Fürst der Gläubigen du treibst deinen Scherz mit mir und machst dich über mich lustig, und dieser Sklave hintergeht mich, um dir zu gefallen. Jedoch will ich schicken und nachsehen lassen, wer von beiden tot ist.« Der Chalife versetzte: »Thu' es nur.« Hierauf rief die Herrin Subeide, eine alte Duenna und sagte zu ihr: »Geh' zum Haus Nushet el-Fuâds und sieh' nach, wer gestorben ist; beeile dich jedoch und halte dich nicht auf.« Und sie ließ sie hart an. Da eilte die Alte hinaus, während der Chalife und Mesrûr noch immer lachten, und lief, bis sie in jene Gasse 30 kam. Als Abul-Hasan sie sah, erkannte er sie und sagte zu seiner Frau: »O Nushet el-Fuâd, mir scheint, die Herrin Subeide schickt zu uns, um zu sehen, wer gestorben ist; sie hat Mesrûrs Worten, daß ich gestorben sei, keinen Glauben geschenkt, und schickt nun die alte Duenna aus, um die Sache klar zu stellen. Damit du dich nun vor der Herrin Subeide glaubwürdig erweist, muß ich jetzt tot sein.« Alsdann streckte sich Abul-Hasan der Länge nach aus, und Nushet el-Fuâd deckte ihn zu und legte ihm um die Augen und Füße Binden, worauf sie sich ihm weinend zu Häupten setzte. Bald darauf trat die Alte ein und sah Nushet el-Fuâd zu Häupten Abul-Hasans weinend und seine Vorzüge aufzählend dasitzen; und, als sie die Alte gewahrte, schrie sie laut auf und sagte: »Schau, was mir widerfahren ist. Abul-Hasan ist gestorben und hat mich mutterseelenallein zurückgelassen.« Dann schrie sie von neuem auf und jammerte, indem sie ihre Kleider zerriß: »O meine Mutter, wie war er so gut!« Da sagte die Alte zu ihr: »Fürwahr, du bist zu entschuldigen, denn ihr wart beide aneinander gewöhnt.« Da die Alte aber wußte, was Mesrûr dem Chalifen und der Herrin Subeide mitgeteilt hatte, sagte sie zu Nushet el-Fuâd: »Mesrûr will zwischen dem Chalifen und der Herrin Subeide Zwietracht stiften.« Nun fragte Nushet el-Fuâd: »Was für Zwietracht, meine Mutter?« Die Alte versetzte: »Meine Tochter, Mesrûr kam zum Chalifen und zur Herrin Subeide und teilte ihr mit, du seiest gestorben und Abul-Hasan sei wohlauf.« Da sagte Nushet el-Fuâd zu ihr: »O meine Muhme, ich war ja eben erst bei meiner Herrin, und sie schenkte mir hundert Dinare und ein Stück Seide. Schau, wie es mit mir steht, und wie es mir ergangen ist. Ich bin ratlos, und weiß nicht, was ich, so einsam und allein, thun soll. Ach wäre ich doch tot und er am Leben!« Alsdann weinte sie, und die Alte weinte mit ihr, worauf sie herzutrat und Abul-Hasans Gesicht aufdeckte. Als sie seine Augen verbunden und von dem Binden angeschwollen sah, deckte sie ihn wieder zu und sagte: 31 »Fürwahr, Nushet el-Fuâd, du bist durch Abul-Hasans Tod in Kümmernis versetzt.« Nachdem sie ihr dann kondoliert hatte, verließ sie sie und eilte zur Herrin Subeide zurück, der sie den Sachverhalt erzählte. Da sagte die Herrin Subeide lachend zu ihr: »Erzähl' es dem Chalifen, der mich für arm an Verstand und Glauben erklärt hat und diesen nichtsnutzigen verlogenen Sklaven sich gegen mich erfrechen ließ.« Mesrûr versetzte jedoch: »Diese Alte lügt; ich sah Abul-Hasan wohlauf, während Nushet el-Fuâd tot dalag.« Da entgegnete die Alte: »Du bist's, der lügt; du willst zwischen dem Chalifen und der Herrin Subeide Zwietracht stiften.« Mesrûr erwiderte: »Nein, du lügst, Unglücksalte, und deine Herrin glaubt dir in ihrer Faselei.« Da schrie ihn die Herrin Subeide, empört über ihn und seine Worte, an und weinte. Nun aber sagte der Chalife zu ihr: »Ich lüge, mein Eunuch lügt, du lügst, und deine Sklavin lügt; mein Rat geht demnach dahin, daß wir alle vier gehen und sehen, wer von uns die Wahrheit spricht.« Da sagte Mesrûr: »Wohlan, gehen wir, daß ich über diese Unglücksalte Unheil bringe und ihr für ihre Lügen eine Tracht Prügel verabfolge.« Die Alte versetzte: »Du Faselhans, hast du etwa soviel Verstand wie ich? Du hast soviel Grips wie ein Huhn.« Empört über ihre Worte, wollte Mesrûr sie nun packen, die Herrin Subeide stieß ihn jedoch zurück und sagte zu ihm: »Es wird sich sogleich erweisen, wer von euch beiden gelogen oder die Wahrheit gesprochen hat.« Alsdann erhoben sich die vier, miteinander wettend, und schritten zum Palastthor hinaus, bis sie durch das Thor der Gasse, in der Abul-Hasan der Liederjan wohnte, traten. Als Abul-Hasan sie sah, sagte er zu seiner Frau Nushet el-Fuâd: »Fürwahr, nicht jeder Brei ist ein Pfannkuchen, und nicht alleweil bleibt der Krug heil. Die Alte ist zu ihrer Herrin gegangen und hat ihr erzählt, wie es mit uns steht; dann hat sie sich mit dem Eunuchen Mesrûr gezankt und sie haben gewettet, wer von uns tot ist, und kommen nun alle vier, der Chalife, der Eunuch, die 32 Herrin Subeide und die Alte, zu uns.« Da fuhr Nushet el-Fuâd aus ihrer Lage auf und fragte: »Was ist nun zu thun.« Abul-Hasan versetzte: »Wir wollen uns jetzt alle beide tot stellen und uns lang hinlegen und den Atem anhalten.« Nushet el-Fuâd gehorchte, und so streckten sich beide auf dem Siestalager aus, umbanden ihre Füße, schlossen die Augen, hielten den Atem an und bedeckten sich mit dem Tuch. Wie nun die vier, der Chalife, Subeide, Mesrûr und die Alte, Abul-Hasans Haus betraten, sahen sie ihn und seine Frau der Länge nach tot daliegen, worauf die Herrin Subeide weinend sagte: »Sie haben so lange Schlimmes von meiner Sklavin berichtet, bis sie wirklich gestorben ist; jedoch glaube ich, Abul-Hasans Tod ist ihr so zu Herzen gegangen, daß sie nach ihm gestorben ist.« Der Chalife versetzte jedoch: »Du sollst mir nicht mit deinem Gerede und Geschwätz zuvorkommen; sie starb vor Abul-Hasan. Abul-Hasan kam mit zerrissenen Sachen und ausgerauftem Bart zu mir und schlug sich mit zwei Lehmsteinen die Brust, worauf ich ihm hundert Dinare und ein Stück Seide schenkte und zu ihm sprach: »Geh' und schaff' sie hinaus, ich will dich mit einer andern und schöneren Favoritin entschädigen. Offenbar hat er sich so über ihren Tod bekümmert, daß er nach ihr gestorben ist. Ich habe dich daher geschlagen und die Wette gewonnen.« Die Herrin Subeide entgegnete nun dem Chalifen mit einem Wortschwall, und es wurden der Reden viel zwischen ihnen, bis sich der Chalife beiden zu Häupten setzte und sagte: »Bei der Gruft des Gesandten Gottes, – Gott segne ihn und spende ihm Heil, und bei der Gruft meiner Väter und Ahnen, wer mir sagen kann, wer von beiden zuerst gestorben ist, dem schenke ich tausend Dinare!« Als Abul-Hasan diese Worte des Chalifen vernahm, sprang er mit einem Satz auf und rief: »Ich starb zuerst, o Fürst der Gläubigen; her mit den tausend Dinaren, und mach' dich frei von dem Eid und dem Schwur, den du schworest!« Alsdann erhob sich auch Nushet el-Fuâd und stellte sich aufrecht vor den Chalifen und die 33 Herrin Subeide, die sich beide hierüber sowie über ihr Wohlbehaltensein freuten; und die Herrin Subeide schalt ihre Sklavin, wiewohl sie sich freute, sie gesund zu sehen. Alsdann wünschten ihnen beide Glück, doch merkten sie, daß ihr Tod nur eine List gewesen war, um das Gold zu bekommen, und die Herrin Subeide sagte zu Nushet el-Fuâd: »Du hättest alles, was du wolltest, von mir fordern können, ohne mein Herz in dieser Weise so über dich zu betrüben.« Nushet el-Fuâd erwiderte: »Ach, meine Herrin, ich schämte mich.« Der Chalife aber lachte sich ohnmächtig und sagte: »O Abul-Hasan, du bleibst ein Schelm dein Lebenlang und verübst wunderbare und absonderliche Streiche.« Abul-Hasan versetzte: »O Fürst der Gläubigen, ich verübte diesen Streich, nachdem das Geld, das du mir gabst, ausgegeben war, da ich mich schämte dir noch einmal um Geld zu kommen. Als ich noch allein war, konnte ich schon mein Geld nicht festhalten; jetzt aber, wo du mich mit diesem Mädchen verheiratetest, würde ich selbst all dein Gut, wenn ich es besäße, durchbringen. Als nun alles, was ich in meiner Hand hatte, durchgebracht war, spielte ich diesen Streich, um die hundert Dinare und das Stück Seide von dir zu erlangen. Und alles dies ist ein Almosen von unserm Gebieter. Nun aber beeile dich mit den tausend Dinaren und löse deinen Eid ein.« Da lachten der Chalife und die Herrin Subeide und kehrten in ihr Schloß zurück, worauf der Chalife Abul-Hasan die tausend Dinare schenkte und zu ihm sagte: »Nimm sie als Konfekt für deine Genesung vom Tode.« Ebenso schenkte die Herrin Subeide Nushet el-Fuâd tausend Dinare und sagte die gleichen Worte zu ihr. Alsdann gewährte der Chalife Abul-Hasan vermehrten Sold und erhöhte Einkünfte, und von nun an lebte er in Freude und Fröhlichkeit, bis der Zerstörer der Freuden, der Trenner der Vereinigungen, der Verwüster der Schlösser und Behausungen und der Bevölkerer der Gräber sie heimsuchte. 34

 


 


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