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Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Zweite Nacht.

Die Geschichte vom Drogisten und dem Sänger.

»Man erzählt, o mein Herr, daß einst in der Stadt Hamadân ein junger Mann von hübschem Äußern lebte, der schön zur Laute sang, so daß er bei allen Leuten in der Stadt Hamadân willkommen war. Eines Tages verließ er seine Stadt und begab sich mit seiner Laute und ihrem Zubehör auf die Wanderschaft bis er nach einer andern schönen Stadt gelangte. Während er die Stadt durchstreifte, kam er auch an einem Drogisten vorüber, der ihn zu sich rief und ihn einlud sich an seine Seite zu setzen. Als er dies gethan hatte, fragte der Drogist ihn, wer er wäre, und der Jüngling erzählte ihm, was er auf dem Herzen hatte, worauf der Drogist ihn in seinen Laden nahm und ihm Essen kaufte. Nachdem der Jüngling gespeist hatte, sagte er zu ihm: »Steh' auf, zieh' mit deiner Laute bettelnd durch die Gassen und, so du den Duft von Wein riechst, mach' dich über die Leute her und sag' zu ihnen, du seiest ein Sänger; sie werden dann lachen und sagen: »Komm herein zu uns.« Wenn du singst, so werden sie dich kennen lernen und zu einander von dir reden, so daß du in der Stadt bekannt wirst und bessere Geschäfte machst.« Da ging der Sänger fort und zog durch die Gassen, wie der Drogist es ihm angeraten hatte. Als die Sonne heiß ward, ohne daß er irgendwo einen Zecher gefunden hätte, trat er in eine Gasse, um sich auszuruhen, und blieb in dem Schatten eines hohen und schönen Hauses stehen, den schönen Bau desselben betrachtend. Während er aber so dastand, öffnete sich mit einem Male ein Fenster, aus dem das Gesicht einer Frau gleich dem Mond herausschaute, die ihn fragte: »Was stehst du hier? Hast du ein Anliegen?« Der Sänger versetzte: »Ich bin ein Fremdling,« und erzählte ihr seine Geschichte, worauf sie sagte: 137 »Was meinst du zu Speise und Trank, dem Genuß eines hübschen Gesichts und dem Verdienst von dem nötigen Kleingeld?« Er erwiderte: »O meine Herrin, das ist's gerade, was ich wünsche; denn ich gehe umher und suche danach.« Da öffnete sie die Thür und ließ ihn herein, worauf sie ihm den Ehrenplatz anwies und ihm eine Mahlzeit vorsetzte. Nachdem er gegessen und getrunken hatte, setzte er sich in ihren Schoß, und beide lachten und scherzten und küßten einander, bis zum Mittag ihr Gatte heimkam. Da sie keinen andern Versteck fand, wickelte sie den Sänger in eine Matte, und als nun der Gatte eintrat und, das Schlachtfeld überblickend, den Duft des Weines roch, fragte er sie hiernach, worauf sie ihm erwiderte: »Eine Freundin war bei mir, und ich lud sie zu einem Krug Wein ein; gerade, bevor du kamst, ging sie fort.« Ihr Gatte hielt ihre Worte für wahr und kehrte nun wieder zu seinem Laden zurück; doch war er gerade der Drogist, der Freund des Sängers, der ihn eingeladen und bewirtet hatte. Hierauf kam der Sänger wieder zum Vorschein und vergnügte sich mit der jungen Frau in derselben Weise weiter bis zum Abend, worauf sie ihm Geld gab und zu ihm sagte: »Komm morgen früh wieder her.« Er versetzte: »Schön,« und ging fort. Am Abend begab er sich ins Bad und suchte am nächsten Morgen wieder seinen Freund den Drogisten in seinem Laden auf. Als dieser ihn erblickte, hieß er ihn willkommen und fragte ihn, wie es ihm ginge und wie er den vergangenen Tag verbracht hätte. Der Sänger versetzte: »Gott lohne es dir mit Gutem, mein Bruder, denn dein Rat wies mich zur Ruhe.« Hierauf erzählte er ihm sein Erlebnis mit der Frau, bis er auch ihren Gatten erwähnte und sagte: »Um die Mittagszeit kam ihr gehörnter Gatte und pochte an die Thür, worauf sie mich in eine Matte wickelte. Als er dann wieder seines Weges gegangen war, kam ich wieder zum Vorschein, und wir vergnügten uns wie zuvor.« Dem Drogisten fiel dies schwer auf die Seele, und er bereute den Rat, den er ihm gegeben hatte. Voll Verdacht gegen seine 138 Gattin, fragte er ihn: »Was sagte sie zu dir, als er wieder fortgegangen war?« Der Sänger erwiderte: »Sie sagte zu mir: »Komm morgen wieder her.« Ich gehe nun wieder zu ihr und komme nur zu dir, um es dir zu sagen, damit du dich nicht um mich ängstigst.« Hierauf verabschiedete er sich von ihm und ging fort. Sobald nun der Drogist gewiß war, daß der Sänger zu seinem Haus gekommen war, warf er das Netz über seinen Laden und ging voll Argwohn gegen seine Frau nach Hause. Er klopfte gerade an die Thür, als der Sänger eingetreten war, worauf seine Frau zu diesem sagte: »Steh' auf und versteck' dich in diese Kiste.« Als er hineingekrochen war, deckte sie ihn zu und öffnete ihrem Gatten, worauf derselbe verstört ins Haus trat und es absuchte, ohne jemand finden zu können, indem er die Kiste übersah. Er sprach daher bei sich: »Das Haus gleicht diesem, und die Frau sieht wie meine Frau aus.« Alsdann kehrte er wieder zurück nach seinem Laden, während der Sänger aus der Kiste herauskam und sich mit der Frau des Drogisten vergnügte. Dann schmausten und zechten sie und küßten und umarmten einander bis zum Abend, worauf sie ihm das Geld gab und ihm das Versprechen abnahm, am andern Tage wieder zu kommen. Nachdem er die Nacht zu Hause verbracht hatte, ging er am nächsten Morgen wieder zum Laden seines Freundes des Drogisten und begrüßte ihn, worauf dieser ihn willkommen hieß und ihn fragte, wie es ihm ergangen sei. Der Sänger erzählte ihm die Geschichte, bis er zum Schluß den Gatten der Frau erwähnte und sagte: »Und als ihr gehörnter Gatte kam, steckte sie mich in die Kiste und legte ein Schloß davor, worauf der einfältige Kuppler das ganze Haus von oben bis unten umsonst absuchte. Als er dann wieder fortgegangen war, vergnügten wir uns wie zuvor.« Der Drogist, dem es nun klar war, daß das Haus sein Haus und die Frau seine Frau war, fragte ihn hierauf: »Und was willst du heute thun?« Er versetzte: »Ich will heute wieder zu ihr gehen und kam nur 139 hierher, dir für deinen freundlichen Rat zu danken.« Dann ging er fort, während dem Drogisten ein Feuer im Herzen entbrannte. Er verriegelte sofort den Laden und begab sich nach Hause, wo er an die Thür pochte. Da sagte der Sänger: »Laß mich in die Kiste steigen, da er mich gestern nicht sah.« Die Frau versetzte jedoch: »Geh' nicht hinein, wickele dich in die Matte.« Hierauf wickelte er sich wieder in die Matte und stellte sich in einen Winkel des Hauses, worauf der Drogist eintrat und nichts eiligeres zu thun hatte als an die Kiste zu eilen. Da er jedoch nichts in ihr fand, suchte er das Haus von oben bis unten ab, ohne auch hier einen zu sehen, so daß er zwischen Glauben und Zweifel schwankte und bei sich sprach: »Vielleicht hege ich gegen meine Frau wegen etwas Verdacht, worin sie ganz unschuldig ist.« Und von ihrer Reinheit überzeugt, ging er fort und suchte wieder seinen Laden auf, während der Sänger nun wieder zum Vorschein kam und sich wie üblich mit der Frau des Drogisten bis zum Abend vergnügte, worauf sie ihm eins der Hemden ihres Mannes schenkte, mit dem er heimkehrte. Am andern Morgen ging er wieder zum Drogisten, der ihn begrüßte, und ihn erfreut und in sein Antlitz lachend empfing, da er seine Frau für unschuldig hielt. Als er dann den Sänger fragte, wie es ihm erginge, erzählte ihm dieser sein Erlebnis und sagte: »Mein Bruder, als nun der Gehörnte an die Thür pochte, wollte ich in die Kiste steigen, doch verbot es mir seine Frau und wickelte mich wieder in die Matte ein. Ihr Gatte hatte dann nichts eiligeres zu thun als sich auf die Kiste zu stürzen und sie zu zerbrechen und wie ein Verrückter treppauf treppab zu laufen, bis er wieder seines Weges ging, worauf ich wieder zum Vorschein kam, und wir uns wie gewöhnlich vergnügten. Am Abend gab sie mir dies Hemde von den Hemden ihres Gatten, und nun will ich wieder zu ihr gehen.« Als der Drogist den Bericht des Sängers vernahm, stand es ihm fest, daß das ganze Unheil in seinem Hause geschehen war und daß die Frau seine eigene Frau war, zumal wo 140 der Anblick des Hemdes seine Überzeugung noch mehr vergewisserte. Dann fragte er den Sänger: »Mein Bruder, gehst du jetzt zu ihr?« Er versetzte: »Gewiß, mein Bruder,« und ging fort, sich von ihm verabschiedend. Gleich darauf sprang der Drogist auf und leerte wie ein Verrückter seinen Laden, während der Sänger inzwischen in seinem Haus angelangt war. Wie nun der Drogist an die Thür pochte, wollte sich der Sänger wieder in die Matte einwickeln, doch wehrte es ihm die Frau und sagte zu ihm: »Geh' hinunter versteck' dich im Ofen, und deck' ihn über dir zu.« Da that er nach ihrem Geheiß, während sie zu ihrem Gatten hinunterstieg und ihm die Thür öffnete. Der Drogist suchte nun das ganze Haus ab, doch übersah er den Ofen, so daß er niemand fand und ratlos dastand und schwur erst am folgenden Tage wieder das Haus zu verlassen. Wie nun dem Sänger der Aufenthalt im Ofen zu lange währte, kam er heraus, im Glauben, ihr Gatte wäre wieder fortgegangen, und stieg aufs Dach, von wo er hinunter schaute und seinen Freund den Drogisten gewahrte. Tiefbekümmert hierüber, sprach er bei sich: »Ach die Schande! Das ist mein Freund der Drogist, der mir Gutes that und dem ich seine Gefälligkeit so schändlich lohnte!« Er fürchtete sich zum Drogisten zurückzukehren und stieg deshalb hinunter und öffnete die erste Thür, um aufs Geratewohl hinauszugehen, damit ihn der Drogist nicht sähe. Da er jedoch die äußere Thür verschlossen fand und den Schlüssel nicht sah, stieg er wieder auf das Dach und kletterte von einem Dach aufs andre, bis ihn die Bewohner eines Hauses hörten, dessen Besitzer ein Perser war, und, im Glauben, er sei ein Dieb, sich auf ihn stürzten und ihn festnahmen. Der Perser prügelte ihn durch, indem er dabei rief: »Du bist ein Dieb,« worauf er erwiderte: »Ich bin kein Dieb, sondern ein fremder Sänger; ich hörte eure Stimmen und kam, euch etwas vorzusingen.« Als die Leute dies vernahmen, besprachen sie miteinander seine Freilassung; der Perser sagte jedoch: »Ihr Leute, laßt euch nichts weißmachen; 141 dies ist nichts als ein Dieb, der zu singen versteht und singt, wenn er auf euresgleichen stößt.« Sie versetzten: »O Herr, dies ist ein Fremdling, den wir freilassen müssen.« Der Perser entgegnete: »Bei Gott, mein Herz bebt vor ihm zurück; laßt mich ihn totprügeln.« Sie erwiderten jedoch: »Das darfst du keineswegs.« Hierauf befreiten sie ihn von dem Perser, dem Herrn des Hauses, und ließen ihn unter sich sitzen, worauf er sie mit seinem Gesang erfreute. Nun hatte jener Perser auch einen Mamluken, der schön wie der Vollmond war; als dieser sich erhob, folgte ihm der Sänger und bat ihn weinend und ihm die Hände und Füße küssend, ihn herauszulassen, worauf der Mamluk erwiderte: »Wenn es Nacht geworden ist und die Leute fortgegangen und mein Meister wieder ins Haus getreten ist; ich schlafe in dem und dem Raum. »Wie nun der Perser mit seinem Mamluken an der Seite aufstand und fortging, erhob sich der Sänger und folgte ihnen nach dem Ort, an dem der Mamluk in der ersten Hälfte der Nacht schlief. Doch ging ihm hierbei die Kerze aus, und der Perser stürzte in seiner Trunkenheit über den Sänger, der ihn für den Mamluken hielt. Sobald er aber den Perser anfaßte und aufrichten wollte, packte ihn dieser schreiend, fesselte ihm die Hände auf dem Rücken und verabfolgte ihm eine jämmerliche Tracht Prügel, worauf er ihn an einen Baum im Hof band. Im Hause wohnte aber auch eine hübsche Sängerin, die mit ihm Mitleid hatte, als sie ihn an den Baum gebunden sah; sie wartete daher, bis der Perser auf seinem Bett ruhte, worauf sie sich erhob und den Sänger losband und ihn um Mitternacht zum Hause hinausließ. Er verbrachte nun den Rest der Nacht in einer der Ruinen; am andern Morgen aber sprach er bei sich: »Keiner hat schuld; ich suchte das Gute für mich und darin liegt keine Thorheit; ebenso suchte die Frau des Drogisten das Gute für sich, jedoch ist das Schicksal stärker als die Vorsicht, und für mich ist in dieser Stadt keines Bleibens mehr.« Mit diesen Worten verließ er jenen Ort. 142

Jedoch ist diese Geschichte, so wunderbar sie auch sein mag. nicht wunderbarer als die Geschichte des Königs und seines Sohnes und die wunderbaren Abenteuer, die sie erlebten.«

Als der König seine Geschichte vernommen hatte, gefiel sie ihm, und er sprach bei sich: »Diese Geschichte nähert sich dem, was ich weiß, und ich meine, ich gedulde mich mit ihm und übereile nicht den Tod meines Wesirs, damit ich noch aus seiner Geschichte vom König und seinem Sohn Nutzen ziehen kann.« Hierauf entließ er den Wesir, der ihm hierfür dankte und den Tag über zu Hause blieb, bis der Abend hereinbrach, worauf der König sich wieder in sein Zimmer begab und den Wesir zu sich rufen ließ. Als er vor ihm erschien, verlangte er die versprochene Geschichte von ihm, und so hob der Wesir an und erzählte:

 


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