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Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Geschichte Bacht Samâns.

»O König, es lebte einmal ein König, Namens Bacht Samân, der wacker schmauste und zechte und lustige 74 Gesellschaft liebte. Da traf es sich, daß sich an den Grenzen seines Landes Feinde zeigten und nach ihm trachteten, und einer seiner Freunde sprach zu ihm: »O König, der Feind zieht wider dich, sei auf der Hut vor ihm.« Der König Bacht Samân versetzte jedoch: »Ich kehre mich nicht an ihn, denn ich habe Waffen, Geld und Mannen, und fürchte mich vor nichts.« Hierauf sagten seine Freunde zu ihm: »Bitte Gott um Hilfe, o König, er wird dir mehr helfen als dein Geld und deine Waffen und Mannen.« Der König achtete jedoch nicht auf die Worte seiner Ratgeber, und so rückte der Feind wider ihn an und focht mit ihm und besiegte ihn, so daß ihm sein Vertrauen auf andere Dinge als Gott, den Erhabenen, nichts frommte. Er mußte vor dem Feind fliehen und suchte seine Zuflucht bei einem andern König, zu dem er sprach: »Ich komme zu dir und hänge mich schutzsuchend an deine Säume, auf daß du mir wider meine Feinde hilfst.« Da gab er ihm Geld und Mannen und ein zahlreich Heer, und Bacht Samân sprach bei sich: »Jetzt bin ich durch dieses Heer gestärkt und werde sicherlich mit diesen Truppen siegen und meinen Feind überwältigen und bezwingen.« Jedoch sprach er nicht: »Mit Gottes, des Erhabenen Hilfe.« Wie er nun mit dem Feind zusammentraf, besiegte ihn dieser wiederum und schlug ihn, so daß er aufs Geratewohl floh; sein Heer ward zersprengt, sein Geld war dahin, und der Feind setzte ihm nach. Er flüchtete sich nach dem Meer und setzte nach der andern Seite über, wo er eine große Stadt mit einer mächtigen Burg erblickte. Als er sich nach ihrem Namen und ihrem König erkundigte, sagten sie ihm, sie gehöre dem König Chadīdân. Da machte er sich auf und trat in den Königspalast, wo er sich für einen Ritter ausgab und Dienst bei dem König suchte. Der König Chadīdân wies ihn seinem Gefolge zu und behandelte ihn mit Auszeichnung, jedoch hing sein Herz fest an seiner Heimat und seinem Land. Da traf es sich, daß der König Chadīdân wider einen Feind mit seinem Heere auszog und Bacht Samâ zum Heeresobersten 75 machte. Als sie nun ins Feld zogen, stellte der König Chadīdân das Heer in Schlachtordnung auf und griff zur Lanze und ritt voran und stritt selber hitzig, bis er den Sieg davongetragen hatte, und der Feind und sein Heer schmählich floh. Als nun der König mit seinen Truppen siegreich zurückkehrte, sagte Bacht Samân zu ihm: »Sprich o König; denn mich verwunderte es, daß du inmitten dieses gewaltigen Heeres selber in den Streit ziehst und dein Leben aufs Spiel setzest.« Der König Chadīdân erwiderte ihm: »Du behauptest ein Ritter zu sein und kundig, und glaubst, der Sieg hänge von der Zahl der Truppen ab?« Bacht Samân versetzte: »Ich glaube dies allerdings.« Da sagte der König Chadīdân zu ihm: »Bei Gott, du irrst dich in diesem deinem Glauben. Wehe und nochmals wehe über den Mann, der sich auf etwas anderes als Gott allein verläßt! Siehe, dieses Heer dient nur zum Schmuck und zur Erhöhung der Majestät, der Sieg aber kommt allein von Gott. Ich, o Bacht Samân, glaubte ehedem ebenfalls, der Sieg hänge von der Anzahl der Streiter ab. Da griff mich ein Feind mit achthundert Mann an, während ich achthunderttausend Streiter bei mir hatte; ich verließ mich auf die Menge meiner Truppen, mein Feind jedoch vertraute auf Gott und schlug und besiegte mich, so daß ich schmählich fliehen mußte und mich in einem Gebirge verbarg. Dort stieß ich auf einen einsamen Büßer, dem ich mich anschloß und dem ich mein ganzes Mißgeschick klagte. Der Büßer fragte mich: »Weißt du, weshalb dir dies geschah und du geschlagen wurdest?« Ich versetzte: »Ich weiß es nicht.« Da sagte er: »Weil du dich auf die Menge deiner Truppen verließest und nicht auf Gott vertrautest. Hättest du auf Gott vertraut und geglaubt, daß er dir nützen und schaden kann, so hätte der Feind dir nicht Widerstand geleistet; kehre daher um zu Gott.«

Infolgedessen ging ich in mich und bereute durch die Hand des Büßers, der zu mir sagte: »Zieh' mit dem Rest deiner Truppen deinem Feinde entgegen, denn, wenn sich ihre 76 Gedanken von Gott abgekehrt haben, so wirst du sie besiegen, auch wenn du nur ein einzelner Mann wärest.« Als ich diese Worte des Büßers vernommen hatte, vertraute ich auf Gott, den Erhabenen, und versammelte den Rest meiner Truppen, worauf ich wider den Feind zog und ihn unversehens des Nachts überfiel. Im Glauben, wir seien zahlreich, flohen sie aufs schmählichste, und so zog ich wieder in mein Land ein und ward wie zuvor König mit Gottes, des Erhabenen, Macht; und jetzt streite ich nur noch im Vertrauen auf Gottes Hilfe.«

Als Bacht Samân diese Worte vernahm, erwachte er aus seiner Gedankenlosigkeit und rief: »Preis dem großen Gott! O König, bei Gott, dies ist meine Geschichte und mein Erlebnis, nichts mehr und nichts weniger; denn ich bin der König Bacht Samân, und alles dies ist mir widerfahren; nun aber suche ich Gottes Pforte und kehre mich reuig zu ihm.« Hierauf zog Bacht Samân hinaus zu einem der Berge und diente Gott geraume Zeit, als einst in der Nacht, während er schlief, im Traume eine Stimme zu ihm sprach und sagte: »Gott hat deine Reue nunmehr angenommen und wird dir aufthun und wider deine Feinde helfen.« Sobald er dessen im Traumgesicht vergewissert war, erhob er sich und kehrte zu seinem Land zurück; als er sich demselben näherte, erblickte ihn ein Trupp vom Gefolge des Königs, worauf ihn die Leute fragten: »Woher bist du? Wir sehen, du bist ein Fremdling, und wir fürchten für dich vor diesem König, der jeden Fremdling, der sein Land betritt, aus Furcht vor dem König Bacht Samân ermordet.« Bacht Samân versetzte: »Niemand als Gott, der Erhabene, allein kann ihm Nutzen und Schaden zufügen.« Sie entgegneten: »Er hat ein mächtiges Heer, und sein Herz pocht auf die Menge seiner Truppen.« Da ward Bacht Samâns Herz guter Dinge, und er sprach bei sich: »Ich vertrau' auf Gott; so er will, besiege ich meinen Feind durch Gottes, des Erhabenen, Macht.« Hierauf sagte er zu den Leuten: »Wisset ihr wohl, wer ich 77 bin?« Sie versetzten: »Nein, bei Gott.« Da sprach er: »Ich bin der König Bacht Samân.« Als sie dies vernahmen und erkannten, daß er es wirklich war, sprangen sie von ihren Pferden und küßten ihm huldigend den Steigbügel, indem sie zu ihm sagten: »O König, wie wagst du es, dein Leben aufs Spiel zu setzen?« Er erwiderte jedoch: »Mein Leben dünkt mich ein leichtes Ding, dieweil ich auf Gott, den Erhabenen, baue und bei ihm Schutz suche.« Da versetzten sie: »Das genüge dir; jedoch wollen auch wir thun, was unsre Pflicht erfordert und was du verdienst. Sei guten Mutes, wir wollen dir mit Gut und Blut helfen. Da wir seine Höflinge sind und ihm von allem Volk am nächsten stehen, so wollen wir dich mit uns nehmen und dir das Volk zuwenden, da dir alle zugethan sind.« Bacht Samân sagte hierzu: »Thut, wozu euch Gott, der Erhabene, in Stand setzt.« Hierauf führten sie ihn in die Stadt und verbargen ihn bei sich. Alsdann kamen sie mit einer Anzahl der Vertrauten des Königs zusammen, die zuvor Bacht Samâns Vertraute gewesen waren, und teilten ihnen ihres früheren Königs Heimkehr mit, worauf sie in mächtiger Freude Bacht Samân aufsuchten und mit ihm Bund und Gelöbnis eingingen. Dann überfielen sie den Feind und ermordeten ihn und setzten den König Bacht Samân wieder auf den Thron seines Königreiches. Seine Sachen gediehen, und Gott förderte ihn und schenkte ihm wieder seine Huld, und er regierte seine Unterthanen in Gerechtigkeit und verharrte in Gehorsam gegen Gott, den Erhabenen.

Ebenso, o König, hat jeder, mit dem Gott ist, und dessen Gewissen rein ist, nichts als Gutes zu erwarten. Ich habe keinen andern Helfer als Gott, und ich bescheide mich mit seinem Urteil, denn er kennt meine Unschuld.«

Da legte sich der Zorn des Königs, und er befahl: »Führt ihn bis Morgen ins Gefängnis zurück, wo wir Einsicht in seine Sache nehmen wollen.« 78

Siebenter Tag.
Über die Gnade.

Am siebenten Tage erschien der siebente Wesir, dessen Name Bihkamâl lautete, beim König, warf sich vor ihm nieder und sprach: »O König, was frommt dir diese Langmut jenem Burschen gegenüber? Schon reden die Leute über dich und ihn. Weshalb verschiebst du nur seinen Tod?« Da ergrimmte der König über die Worte des Wesirs und befahl den Jüngling vorzuführen. Als sie ihn in seinen Fesseln vor ihn führten, fuhr ihn der König an: »Wehe dir, bei Gott, nach diesem Tage giebt es für dich kein Entrinnen mehr vor meiner Hand, da du meine Ehre geschändet hast und dir deshalb nimmer verziehen werden kann.« Der Jüngling versetzte: »O König, große Gnade giebt es nur bei großer Schuld: ist die Schuld groß so entspricht ihr große Gnade, und einem Manne wie dir bringt es keine Schande, wenn er einen Menschen wie mich begnadet. Gott weiß, daß ich schuldlos bin; Gott hat Gnade befohlen; und welche Gnade könnte wohl größer sein als Begnadigung vom Tod? Wenn du einen zum Tode Verurteilten begnadigst, so ist's gerade so als wenn du einen Toten zum Leben erweckst; wer aber Böses thut, der findet es gerade so vor sich wie der König Bihkard.« Nun fragte ihn der König: »Und wer war Bihkard, und wie ist seine Geschichte?« Da erzählte der Jüngling:

 


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