Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Die Geschichte vom Schlafenden und Wachenden.

Von hier beginnen die Ergänzungen aus der Breslauer Textausgabe.

Es kam mir zu Ohren, o König der Zeit, daß zur Zeit des Chalifen Hārûn er-Raschîd ein Kaufmann lebte, der einen Sohn, Namens Abul-Hasan der Liederjan hatte. Bei seinem Tode hinterließ der Kaufmann seinem Sohne gewaltiges Gut, und er teilte dasselbe in zwei Teile und legte die eine Hälfte beiseite, während er die andere ausgab, indem er mit Persern und Kaufmannssöhnen verkehrte und fein zechte und schmauste, bis alles Geld, was er bei sich hatte, verthan und dahin war. Da machte er sich zu seinen Freunden, Gefährten und Zechbrüdern auf und unterbreitete ihnen seine Lage, indem er ihnen offenbarte, daß alles Geld, was er in Händen gehabt hatte, drauf gegangen sei. Keiner von ihnen kehrte sich jedoch an ihn oder gab ihm Antwort. Er kehrte deshalb gebrochenen Herzens zu seiner Mutter zurück und erzählte ihr, wie es ihm ergangen war, und wie sich seine Gefährten gegen ihn benommen hatten, daß sie ihm weder gedient noch ein Wort für ihn übriggehabt hätten. Seine Mutter erwiderte ihm: »O Abul-Hasan, so sind die Söhne dieser Zeit; so du etwas besitzest, drängen sie sich um dich und, so du nichts hast, jagen sie dich fort.« So tröstete sie ihn, während er über sich selber stöhnte und unter strömenden Thränen die Verse sprach:

»Wenn mein Gut zu Ende geht, kommt mir niemand zu Hilfe,
Und wenn es sich mehrt, werden alle Leute meine Freunde.
Wie viele Freunde wurden meines Gutes wegen meine Freunde
Und wurden, als mein Gut dahin war, meine Feinde!«

Alsdann sprang er auf und begab sich an den Ort, wo er die andere Hälfte seines Geldes untergebracht hatte, und lebte 6 gut von ihr; doch gelobte er sich hinfort mit keinem seiner frühern Bekannten mehr umzugehen, sondern nur mit Fremden zu verkehren, und sie nur für eine einzige Nacht zu bewirten und am andern Morgen nicht mehr zu kennen. Und so saß er an jedem Abend auf der Brücke und beobachtete alle Vorübergehenden; und, wenn er einen Fremden sah, schloß er mit ihm Freundschaft und nahm ihn mit sich in sein Haus, wo er mit ihm die Nacht über bis zum Morgen pokulierte. Dann entließ er ihn und grüßte ihn nicht mehr und näherte sich ihm auch nicht wieder und lud ihn nicht mehr ein. Dieses hatte er bereits ein ganzes Jahr lang gethan, bis eines Tages, als er wieder wie gewöhnlich auf der Brücke saß und die Herankommenden musterte, um einen derselben mit sich zu nehmen, daß er bei ihm schliefe, mit einem Male der Chalife und Mesrûr, der Schwertmeister seiner Rache, wie üblich in Verkleidung des Weges kamen. Abul-Hasan sah sie an, und fragte sie, indem er sich erhob, ohne sie zu kennen: »Habt ihr Lust mit mir in mein Haus zu kommen, um zu essen und trinken, was parat und vorhanden ist, d. h. Brot in einer Schüssel gebacken, gekochtes Fleisch und geklärten Wein?« Der Chalife lehnte es ab, Abul-Hasan beschwor ihn jedoch und sprach zu ihm: »Um Gott, mein Herr, komm mit mir, du bist heute Nacht mein Gast; enttäusche nicht meine Hoffnung, die ich auf dich gesetzt habe.« So drängte er in ihn, bis er einwilligte, worauf Abul-Hasan ihm erfreut voranschritt und so lange mit ihm plauderte, bis er mit ihm zu seinem Haus gelangte. Der Chalife trat ein und ließ seinen Diener vor der Thür sitzen; und, als er sich gesetzt hatte, brachte ihm Abul-Hasan etwas zu essen, und speiste mit ihm, damit es ihm schmeckte. Alsdann nahm er den Tisch wieder fort, und beide wuschen sich die Hände; hierauf setzte sich der Chalife wieder, und Abul-Hasan brachte ihm das Trinkgeschirr und setzte sich an seine Seite, einschenkend und trinkend und von neuem einschenkend und ihm kredenzend und mit ihm plaudernd. Dem 7 Chalifen gefiel seine Gastlichkeit und sein feines Benehmen, so daß er zu ihm sagte: »Junger Mann, wer bist du? Gieb mir Auskunft über dich, daß ich dir deine Güte lohnen kann.« Da lächelte Abul-Hasan und versetzte: »Das sei ferne, mein Herr, daß das Vergangene wiederkehrt, und ich noch einmal wieder mit dir zusammen komme.« Nun fragte der Chalife: »Und warum? Weshalb willst du mir nicht sagen, wer du bist?« Abul-Hasan erwiderte: »Wisse, mein Herr, meine Geschichte ist wunderbar, und die Sache hat einen Schwanz.« Der Chalife fragte: »Und was ist die Ursache?« Hasan entgegnete: »Die Ursache hat einen Schwanz.« Da lachte der Chalife über seine Worte, worauf Abul-Hasan sagte: »Ich will dir dies durch die Geschichte vom Strolch und Koch erklären.

 


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