Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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In jener Zeit ließ Ludwig XIV., der den europäischen Frieden stören wollte, sich bereden, die Küste von Afrika durch eine ziemlich nutzlose Expedition zu beunruhigen; nutzlos, selbst wenn sie gelungen wäre. Aber das Glück des Königs, das seinem Ruhm immer treu war, wollte durch das Mißlingen der Expedition von Gigery zeigen, daß nur die von ihm selbst entworfenen Pläne der Aufmerksamkeit würdig seien.

Einige Zeit darauf bewaffnete der König von England, weil er ebenfalls die Küsten Afrikas erforschen lassen wollte, das für die Expedition von Guinea bestimmte Geschwader, dessen Oberbefehl dem Prinzen Rupert anvertraut werden sollte.

Die das Land aus Erfahrung kannten, erzählten Wunder von den Gefahren dieser Unternehmung; man hätte nicht allein gegen die Bewohner von Guinea, ein Teufelsvolk mit vergifteten Pfeilen, das nie Pardon gäbe und seine Gefangenen immer auffräße, sondern auch gegen unerträgliche Hitze zu kämpfen oder gegen Regengüsse, bei denen jeder Tropfen sich in eine Schlange verwandle. Wenn man weiter ins Land vordringe, werde man durch Ungeheuer angegriffen, die scheußlicher und unerhörter seien als alle Bestien der Apokalypse.

Doch diese Gerüchte halfen nichts; statt Schrecken einzuflößen und die Teilnehmer abzuhalten, lockten sie sie an. Sie waren ein Stachel für den Ehrgeiz, selbst derjenigen, die bei dem Zuge gar nichts zu suchen hatten. Jermyn bot sich zuerst an, ohne zu bedenken, daß allein der Vorwand seiner Kränklichkeit seine Vermählung mit Miß Jennings verschoben hatte; er erbat die Einwilligung des Herzogs und des Königs, um als Volontär dienen zu dürfen.

Schon seit einiger Zeit begann Miß Jennings von ihrer blinden Vorliebe für ihn nachzulassen. Nur der Köder einer Lebensstellung erhielt ihre Neigung für diese Partie. Die matte Aufmerksamkeit eines Verehrers, der ihr nur aus Gewohnheit zu huldigen schien, stieß sie ab, und der von ihm ohne ihre Einwilligung gefaßte Entschluß erschien ihr für ihn so lächerlich und für sie so beleidigend, daß sie sich von diesem Augenblick vornahm, an die Verbindung nicht mehr zu denken. Nach und nach gingen ihr die Augen über den falschen Glanz auf, der sie geblendet hatte, und als er ihr von seinem heroischen Plan berichtete, wurde der berühmte Jermyn empfangen, wie er es verdiente. In den Scherzen, mit denen sie ihm ihr Kompliment über die Reise machte, lag so viel Gleichgültigkeit und Übermut, daß er ganz verwirrt wurde, um so mehr, da er bereits alle Trostgründe bereit gehalten, die er bei Ankündigung seines traurigen Scheidens vorbringen wollte. Sie sagte, es gäbe für ihn nichts Rühmlicheres, als seine Eroberungen auf einen anderen Weltteil auszudehnen, nachdem er in Europa über so viele Herzen triumphiert habe; sie rate ihm, alle gefangenen Frauen aus Afrika mitzubringen, um die Schönen zu ersetzen, die seine Abwesenheit ins Grab stürzen würde.

Jermyn fand es häßlich, daß sie die Stirn habe, in dem Zustande zu scherzen, in den er sie versetzt zu haben glaubte. Aber er merkte bald, es sei ihr voller Ernst. Denn sie sagte ihm, sie betrachte diesen Abschied als endgültig und bat ihn, ihr vor seiner Reise keinen Besuch mehr zu machen.

Bis dahin ging für sie alles ganz gut. Jermyn war nicht allein bestürzt, so kurzerhand verabschiedet worden zu sein, sondern empfand auch, wie bei diesem Zeichen von Gleichgültigkeit seine ganze Neigung für sie wieder erwache. Sie hatte also den Genuß, ihm ihre Verachtung zu zeigen und ihn zugleich gefesselter zu finden als je. Doch das genügte ihr noch nicht. Unvorsichtig in ihrem Triumph, wollte sie die Rache noch weiter treiben.

Man hatte eine von den Schöngeistern des Hofes verfaßte Übersetzung von Ovids Episteln herausgegeben. Sie schrieb danach den Brief einer verzweifelnden Schäferin, die sich an den treulosen Jermyn wendet. Zum Muster nahm sie sich die Epistel des Theseus an Ariadne. Der Anfang des Schreibens enthielt Wort für Wort die Klagen und Vorwürfe der verlassenen Geliebten gegen den grausamen Flüchtling. Sie hatte alles, so gut es ging, auf den aktuellen Zustand übertragen, mit der Absicht, das ganze mit einer Beschreibung der Arbeiten, Gefahren und Ungeheuer, die ihn in Guinea erwarteten, zu schließen, Dinge, um derentwillen er eine in Schmerz versunkene Geliebte verlasse. Da sie aber dazu nicht genug Zeit hatte und das Gedicht nicht so rasch abschreiben lassen konnte, um es unter fremdem Namen zuzuschicken, so steckte sie das Fragment unvorsichtigerweise in die Tasche und ließ es noch leichtsinniger mitten am Hofe herausfallen. Die es aufhoben, erkannten sogleich ihre Handschrift und nahmen davon mehrere Abschriften, wodurch es in der Stadt bekannt wurde. Ihr sonstiges Benehmen hatte jedoch ihren Ruf so gefestigt, daß niemand bezweifelte, die Sache habe sich so zugetragen, wie ich es sagte. Aus weltbekannten Gründen wurde die Expedition nach Guinea später verschoben. Die weitere Haltung Miß Jennings' ging aber aus ihrem Brief hervor, denn welche Mühe Jermyn sich auch trotz erneuter Leidenschaft gab, sie zur Umkehr zu bewegen, sie wollte nichts mehr von ihm hören.

Doch er war nicht das einzige Opfer jener Schicksalslaune, die ein Vergnügen daran fand, Herzen zu trennen, um sie bald darauf mit anderen zu verbinden. Man hätte meinen sollen, der Liebesgott habe aus unerhörter Schelmerei, indem er alle seine Anhänger dem Ehegott Hymen überlieferte, diesem Gotte auch seine Binde um die Augen gelegt, damit er die meisten der erwähnten Liebenden bunt durcheinander zusammengebe.

Die schöne Stewart heiratete den Herzog von Richmond, der unwiderstehliche Jermyn eine einfache Pute vom Lande, Lord Rochester eine langweilige Erbin, die junge Temple den gravitätischen Littleton; Talbot nahm, ohne zu wissen warum, die schmachtende Boynton zur Frau. Unter glücklicheren Auspizien vermählte sich Georg Hamilton mit der schönen Jennings und zum Lohn für eine Treue, die er nie zuvor gekannt und seitdem nie gezeigt hat, fand der Chevalier Grammont Hymen und Amor zu seinen Gunsten im Bunde und kam endlich in den Besitz von Miß Hamilton.


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