Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Man steckte mich in das Seminar zu Pau mit der Absicht, mich zum Priester zu machen; da ich aber ganz andere Vorsätze hatte, hütete ich mich, es zu benützen. Ich hatte das Karten- und Würfelspiel so sehr im Kopf, daß Lehrer und Inspektoren mit ihrem ganzen Latein zu Ende waren, als sie mir das Latein beibringen wollten. Vergebens drohte der alte Brinon, der mir gleichzeitig Kammerdiener und Erzieher war, mit der Mutter; ich studierte nur, wenn ich Lust hatte, das heißt fast nie. Man behandelte mich indes als Schüler meinem Stande gemäß, das heißt, ich erhielt alle Grade, ohne sie verdient zu haben, und verließ das Kollegium ungefähr, wie ich hingekommen war. Man fand übrigens, ich wisse genug, um der Abtei, die mein Bruder mir verschafft hatte, vorzustehen.

Er hatte eben die Nichte eines Ministers geheiratet, vor dem sich alles beugte, und wünschte, mich ihm vorzustellen. Ich verließ die Heimat ohne besonderen Schmerz und sehnte mich sehr nach Paris. Nachdem mich der Bruder, um mich etwas abzuschleifen, einige Zeit bei sich behalten hatte, ließ er mich auf die Stadt los, damit ich meine Provinzmanieren ablege und weltmännische annehme. Das gelang mir so gut, daß ich die Eleganz gar nicht aufgeben wollte, als es sich darum handelte, mich bei Hof in Abbétracht einzuführen. Du erinnerst dich der damaligen Mode. Alles, wozu man mich bringen konnte, war, daß ich eine Soutane über meinen Kavaliersanzug warf. Als mein Bruder mich in diesem neuartigen geistlichen Ornat erblickte, wollte er vor Lachen umkommen und auch anderen den Genuß des Spaßes gewähren. Ich hatte über dem Priestermantel eine gepuderte Lockenfrisur, dazu weiße Stiefelchen mit Sporen. Der Kardinal, der meine Absicht sofort durchschaut hatte, konnte das Lachen kaum verhalten. Der Übermut aber verdroß ihn, denn er mochte denken, was wohl aus einem Kopfe werden würde, der so früh über die Tonsur spotte und den Priesterkragen verachte.

Als mein Bruder mich zurückbrachte, sagte er: ›Nun, Brüderchen, das ging ja herrlich; dein halb geistliches, halb kriegerisches Kostüm hat den Hof sehr ergötzt. Aber das ist nicht genug; du mußt wählen, kleiner Kavalier. Überlege also, ob du bei der Priesterlaufbahn ein großes Vermögen besitzen willst, ohne etwas dafür zu leisten, oder mit einem kleinen Gehalt Arme und Beine opfern willst, um an einem undankbaren Hofe als Kanonenfutter zu gelten und an deinem Lebensende mit einem Glasauge und einem Stelzfuß zum Titel Feldmarschall zu gelangen?‹

›Ich weiß,‹ erwiderte ich, ›hinsichtlich des bequemen Lebens gibt es zwischen den beiden Ständen gar keinen Vergleich; da man jedoch vor allem sein Seelenheil retten muß, will ich mich der Kirche entziehen und mein Glück in der Welt suchen; vorausgesetzt, daß ich meine Abtei behalte.‹

Alle Einwände, alle Autorität meines Bruders waren vergeblich, man mußte mir das wohl oder übel zugestehen und mich auf die Militärakademie bringen.

Du kennst mich als den gewandtesten Mann Frankreichs, ich hatte also bald alles inne, was dort gelehrt wird; nebenbei erlernte ich noch, was Jünglinge veredelt und zu Männern von Welt ausbildet: Fertigkeit in jedem Karten- und Würfelspiel. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hielt ich mich darin für viel geübter, als ich eigentlich war, wie ich das erst in der Folge erfahren sollte.

Als die Mutter meinen Entschluß vernahm, weinte sie über meine verlassene Karriere und konnte sich über die neue kaum trösten. Sie hatte mich schon im kirchlichen Leben als künftigen Heiligen gesehen und mußte jetzt damit rechnen, daß ich im weltlichen ein Teufel oder gar im Krieg totgeschossen würde. Ich brannte vor Sehnsucht nach einem Feldzug; da ich aber noch zu jung war, mußte ich erst einen kleinen Streifzug in die Pyrenäen machen, ehe ich zum Heer abgehen konnte.

Bei der Rückkehr zur Mutter hatte ich ein so weltmännisches, höfisches Äußere, daß sie mich voll Respekt ansah, statt mir Vorwürfe über meine Liebe zu den Waffen zu machen. Ich war ihr Abgott und da sie mich unerschütterlich fand, dachte sie nur daran, mich so lange als möglich bei sich zu behalten, während man meine kleine Ausrüstung zurechtmachte.

Brinon, unser treuer Kammerdiener, sollte nebenbei auch mein Hof- und Stallmeister sein; vielleicht hat es nie einen so ernsten und schroffen Gaskogner gegeben wie ihn. Er übernahm die Verantwortung über meine sittliche und anständige Führung; auch machte er sich erbötig, über mich in Kriegsgefahren zu wachen. Ich hoffe, daß er im letzten Punkt eher Wort halten wird, als in dem ersten.

Acht Tage vor meiner Abreise sandte man mein Gepäck voraus; meine Mutter gewann dadurch Zeit, mir Ermahnungen vorzupredigen. Nachdem sie mich gehörig beschworen, Gott vor Augen und Liebe zum Nächsten im Herzen zu haben, ließ sie mich unter Gottes und des weisen Brinon Obhut ziehen.

Schon auf der zweiten Poststation bekamen wir Streit. Man hatte ihm für meinen Feldzug vierhundert Pistolen übergeben; ich verlangte sie – er widersetzte sich hartnäckig. ›Alter Schelm,‹ sagte ich, ›hat man dir das Geld für dich oder für mich anvertraut? Deiner Meinung nach sollte ich wohl einen Schatzmeister haben und nur durch Anweisungen zahlen.‹ – Ich weiß nicht, ob er infolge einer Vorahnung traurig wurde, aber er gab erst nach langen Windungen und Kämpfen nach; es schien, als ob ich ihm das Herz aus dem Leibe risse.

Seitdem ich ihn von der Last befreit, fühlte ich mich bedeutend leichter und heiterer; er dagegen schien sehr niedergebeugt und man konnte meinen, ich hätte ihm vierhundert Pfund Blei auf den Rücken geladen. Sein Pferd ging so langsam, daß ich es selber antreiben mußte. Er sah sich oft um und sagte: ›Herr Chevalier, so hat es die gnädige Frau nicht gemeint.‹ Bei jeder Poststation erneute sich sein Schmerz; denn statt dem Postillon zehn Sous zu geben, gab ich ihm immer dreißig.

Endlich langten wir in Lyon an. Am Tor nahmen uns zwei Soldaten in Empfang, um uns zum Gouverneur zu führen. Ich nahm den einen, damit er mich nach dem besten Gasthof bringe, und überließ Brinon dem anderen, um dem Kommandanten von meiner Reise und meinen Absichten Bericht zu erstatten.

In Lyon gibt es ebenso gute Gasthöfe wie in Paris, aber seiner Gewohnheit treu, führte mich mein Soldat zu einem seiner Freunde, dessen Wirtshaus er mir als das beste der Stadt anpries, weil man da die beste Kost und die vornehmste Gesellschaft fände. Der Wirt des Hauses war dick wie ein Faß und hieß Cerise; er war von Nation ein Schweizer, von Profession ein Vergifter, aus Gewohnheit ein Beutelschneider. Er führte mich in eine ziemlich nette Stube und fragte, ob ich allein oder in Gesellschaft zu speisen wünsche. Ich wollte an der Wirtstafel essen, und zwar wegen der vornehmen Gäste, die mir der Soldat in diesem Hause versprochen hatte.

Durch die Fragen des Gouverneurs verstimmt, kam Brinon grämlich wie ein alter Affe zurück und als er sah, daß ich mein Haar ein wenig kämmte, um hinunterzugehen, sagte er: ›Was wollen Sie, Herr Chevalier? Durch die Stadt bummeln? Haben wir nicht den ganzen Tag Bewegung genug gemacht? Essen Sie einen Bissen und legen Sie sich zeitig schlafen, um morgen bei Tagesanbruch wieder gut zu Pferd zu sein.‹ – ›Herr Hofmeister,‹ erwiderte ich, ›ich werde weder durch die Stadt bummeln, noch allein speisen, noch früh zu Bett gehen. Ich will unten in Gesellschaft essen.‹ – ›An einer gewöhnlichen Wirtstafel! Das kann nicht Ihr Ernst sein. Der Teufel soll mich holen, wenn da unten nicht ein Dutzend Gauner sitzen und Karten und Würfel spielen, daß sie nicht einmal Blitz und Donner hören.‹

Seitdem ich ihm das Geld herausgelockt hatte, war ich keck geworden und wollte mich der Bevormundung meines Hofmeisters entziehen. Drum sagte ich ihm: ›Wissen Sie auch, Herr Brinon, daß ich es nicht leiden kann, wenn ein Dummkopf allzu gescheit daherredet? Gehen Sie zum Nachtmahl, wenn Sie wollen, und sorgen Sie dafür, daß ich vor Tagesanbruch Postpferde habe.‹

Kaum hatte er die Worte ›Karten und Würfel‹ ausgesprochen, als ich schon das Geld in meiner Tasche klimpern fühlte. Ich war etwas erstaunt, den Speisesaal mit abenteuerlichen Gestalten gefüllt zu finden. Nachdem der Wirt mich eingeführt, sagte er, nur etwa achtzehn bis zwanzig der Herren würden die Ehre haben, mit mir zu speisen. Ich trat an einen Spieltisch und wollte vor Lachen bersten. Ich hatte anständige Leute und hohes Spiel erwartet und da saßen zwei Deutsche, die bloß eine Partie Tricktrack machten. Zwei Komfortabelrösser hätten besser gespielt als sie; dazu übertraf ihr Aussehen jede Vorstellung. Der Mann, an dessen Seite ich stand, war ein kleiner Fettwanst, rund wie eine Kugel. Er trug eine Halskrause und einen ellenhohen, spitzen Hut: in einiger Entfernung hätte ihn jeder für eine Kuppel mit ihrem Glockenturm gehalten. Ich fragte den Wirt, wer er sei. ›Ein Kaufmann aus Basel,‹ sagte er, ›der hier Pferde verkaufen will, aber ich glaube, wie er es anfängt, wird er nicht viele loswerden, denn er tut nichts wie spielen.‹ – ›Spielt er hoch?‹ fragte ich. – ›Jetzt gerade nicht,‹ lautete die Antwort, ›sie spielen vor dem Nachtmahl bloß um die Zeche; wenn man aber den kleinen Kaufmann unter vier Augen festhalten kann, spielt er hübsch hoch.‹ – ›Hat er Geld?‹ forschte ich weiter. – ›Na ob,‹ sagte der hinterlistige Cerise, ›wollte Gott, Sie hätten ihm tausend Pistolen abgewonnen und ich hätte die Hälfte davon; da würden wir nicht lange aufs Geld warten müssen.‹

Das genügte mir, um das Verderben des kleinen Spitzhuts zu beschließen. Ich stellte mich ihm zur Seite, um ihn zu studieren; er spielte immer verkehrt, Fehler auf Fehler. Der Himmel weiß, ich hatte Gewissensbisse über das Geld, das ich dem kleinen Kürbis abgewinnen sollte, da er so wenig vom Spiel verstand. Er verlor die Zeche; man trug das Essen auf und ich ließ ihn an meiner Seite sitzen. Es war eine vollbesetzte, wahre Klostertafel, an der wir, trotz dem Versprechen des Wirtes, wenigstens unserer fünfundzwanzig saßen.

Nach dem abscheulichsten Essen der Welt verlief sich die Bande, ich weiß nicht wie, mit Ausnahme des kleinen Schweizers, der mir zur Seite blieb, und des Wirtes, der auf der anderen saß. Sie rauchten wie die Dragoner und der Schweizer sagte mir von Zeit zu Zeit: Bitte den Herrn um Verzeihung »für die große Freiheit«, und blies mir zum Ersticken Rauchwolken ins Gesicht. Herr Cerise auf der anderen Seite erbat sich die Freiheit, mich fragen zu dürfen, ob ich in seinem Vaterlande gewesen wäre und schien, als ich es verneinte, über mein gutes Aussehen erstaunt, obgleich ich nie in der Schweiz gewesen.

Der kleine Rundbauch war ein ebensolch plumper Frager wie der andere; er forschte, ob ich von der piemontesischen Armee käme; als ich ihm sagte, ich ginge eben hin, meinte er, ob ich vielleicht Pferde kaufen wolle; er hätte an zweihundert und würde mir günstige Preise stellen. Ich wurde eingeräuchert wie ein Schinken, und von den Fragen und dem Tabak angeödet, schlug ich vor, wir sollten um eine kleine Pistole Tricktrack spielen, bis unsere Leute gegessen haben würden. Nur nach langen Umständen willigte der Mann ein, indem er mich »für die große Freiheit« um Verzeihung bat.

Ich gewann ihm die Partie, die Revanche darauf und das Ganze in einem Nu ab; es war geradezu spaßig, wie er sich verhaspelte und überrumpeln ließ. Am Schluß der dritten Partie kam Brinon, um mich zu Bett zu bringen. Er schlug ein gewaltiges Kreuz und achtete nicht auf meine Winke, doch hinauszugehen; ich mußte aufstehen, um ihm den Befehl zuzuflüstern. Er machte mir Vorstellungen, wie ich mich mit einem so gemeinen Kerl einlassen könne. Meine Bemerkung, es sei ein Großhändler mit viel Geld, der so ungeschickt spiele wie ein Kind, half mir nichts. › Der ein Kaufmann!‹ sagte er, ›trauen Sie dem nicht, Herr Chevalier, wenn das nicht ein Hexenmeister ist, soll mich der Teufel holen.‹ – ›Still, alter Narr‹ rief ich, ›er ist ebensowenig Hexenmeister, wie du selbst; mehr kann ich nicht sagen; aber um es dir zu beweisen, will ich ihm vor dem Schlafengehen vier- bis fünfhundert Pistolen abgewinnen.‹ Damit drängte ich ihn hinaus und verbot ihm, uns zu stören.

Als das Spiel zu Ende war, knöpfte der kleine Schweizer sein Wams auf, um einen schönen Quadrupel herauszuziehen; indem er ihn mir reichte, bat er mich um Verzeihung »für die große Freiheit« und wollte sich empfehlen. Das lag nicht in meiner Absicht. Ich sagte, wir spielten ja nur zum Vergnügen, ich verlange sein Geld nicht und wenn er es zufrieden sei, wolle ich noch in einer einzigen Tour wieder um seine vier Pistolen spielen. Er machte einige Umstände, gab aber endlich nach und gewann sie wieder. Das reizte mich, ich setzte nochmals ein Vierpistolenstück; das Glück schlug um, die Würfel wurden ihm günstig, seine Fehler hörten auf, ich verlor die Partie, die Revanche und das Ganze. Ich war aufgeregt; er als guter Spieler verweigerte mir nichts und gewann mir alles ab, ohne daß ich bei acht Partien auch nur einmal zu einem Treffer gekommen wäre. Ich bat ihn noch um eine Tour auf hundert Pistolen; als er aber sah, daß ich nicht mehr bares Geld setze, meinte er, es sei spät, er müsse nach seinen Pferden sehen, zog sich zurück und bat mich um Verzeihung »für die große Freiheit«.

Die Ruhe, mit der er mir das Weiterspielen abschlug und seine höfliche Verbeugung brachten mich so auf, daß ich Lust hatte, ihn umzubringen. Von der Schnelligkeit, mit der ich alles bis auf die letzte Pistole verloren, war ich ganz verwirrt und stellte nicht einmal die durch meine Lage nötig gewordenen Betrachtungen an.

Aus Angst vor Brinon wagte ich kaum auf mein Zimmer zu gehen. Glücklicherweise war er, des langen Wartens müde, schlafen gegangen. Das gab mir etwas Trost, hielt aber nicht lange vor. Kaum im Bett, stellte sich der ganze Jammer meines Zustandes vor meine Seele. Ich konnte nicht einschlafen. Ohne einen Ausweg zu entdecken, sah ich nur das Entsetzliche meines Unglücks; wohin ich auch meinen Blick wandte, es bot sich mir keine Rettung.

Ich bebte vor nichts so sehr als vor dem Anbruch des Tages; der Morgen kam aber dennoch und mit ihm der grausame Brinon. Er war bis zum Gürtel gestiefelt und gespornt und knallte mit einer verwünschten Peitsche. ›Auf, auf, Herr Chevalier,‹ rief er, meine Bettvorhänge auseinanderziehend, ›die Pferde halten an der Tür und Sie schlafen noch. Wir sollten schon zwei Stationen hinter uns haben. Geben Sie mir bitte rasch etwas Geld, um die Rechnung zu bezahlen.‹ – ›Brinon,‹ sagte ich demütig, ›mach' die Vorhänge wieder zu.‹ – ›Was?‹ rief er, ›die Vorhänge zu? Sie wollen also Ihren Feldzug in Lyon machen? Er scheint Ihnen hier zu gefallen. Haben Sie den Kaufmann ausgesackt? Herr Chevalier, dieses Geld kann Ihnen keinen Segen bringen. Vielleicht hat der Unglückliche Weib und Kind, hat vielleicht ihr Brot, das Brot seiner Familie verspielt und Sie haben es gewonnen. War das der Mühe wert, die ganze Nacht aufzubleiben? Was würde die gnädige Frau sagen, wenn sie Ihre Lebensweise sähe?‹ – ›Monsieur Brinon,‹ sprach ich nochmals, ›ich bitte, machen Sie die Vorhänge zu.‹ – Statt mir aber zu gehorchen, schien es, als habe der Teufel ihm gerade für meine unglückliche Lage die bittersten Worte eingegeben. ›Und wieviel haben Sie gewonnen ?‹ fragte er, ›fünfhundert? Was wird der arme Mann anfangen! Denken Sie, Herr Chevalier, an das, was ich Ihnen sagte, dies Geld wird Ihnen nichts Gutes bringen. Sind es vierhundert, drei, zwei? Wie, bloß hundert Pistolen?‹ rief er, als er sah, wie ich bei jeder Summe den Kopf schüttelte. ›Nun, das ginge noch, hundert Pistolen gehen ihm noch nicht an den Kragen, wenn Sie sie nur in Ehren gewonnen haben.‹ – ›Lieber Brinon,‹ seufzte ich tief, ›ziehen Sie die Vorhänge zu, ich bin nicht wert, das Sonnenlicht zu sehen.‹

Bei diesen traurigen Worten bebte Brinon, und ich dachte, er würde in Ohnmacht fallen, als ich ihm mein Pech mitteilte. Er raufte sich das Haar aus und wiederholte unaufhörlich unter Klagerufen: ›Was wird die gnädige Frau sagen!‹ – Nachdem er sich so in nutzlosen Klagen ergangen, sagte er: ›Nun, Herr Chevalier, was gedenken Sie jetzt anzufangen?‹ – ›Nichts,‹ antwortete ich, ›denn ich bin zu nichts nutz.‹ Als ich mich durch die Beichte etwas erleichtert fühlte, gingen mir einige Pläne durch den Kopf, zu denen ich ihn jedoch nicht bereden konnte. Ich wollte, er solle meinem Gepäck nachreisen und eines meiner Kleider verkaufen, auch dachte ich, dem Pferdehändler auf Kredit und zu hohem Preise mehrere Tiere abzunehmen, um sie dann billig wieder zu verkaufen. Brinon wollte von all diesen Vorschlägen nichts wissen und nachdem er mich lange grausam gequält, zog er mich aus der Klemme. Die Eltern haben immer eine Reserve für ihre Kinder, die sie ihnen stets sparsam vorenthalten. Meine Mutter hatte die Absicht gehabt, mir fünfhundert Louisdor zu geben; fünfzig davon hatte sie zurückgelegt, teils um einige Ausbesserungen an meiner Abtei vornehmen, teils um für mich beten zu lassen. Fünfzig Goldstücke waren überdies dem Brinon mit dem Befehl zugestellt worden, mir außer in dringendster Not nichts davon zu sagen. Wie du siehst, kam dieser Fall bald.


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