Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Zur Einführung

Der Verfasser dieser einzigartigen Sittenschilderung, Anthony Graf Hamilton, stammt aus einer angesehenen schottischen Familie und wurde in Irland um 1646 geboren. Nach der Hinrichtung Karls I. von England war seine Familie mit dem Thronfolger und dessen Bruder, dem Herzog von York, nach Frankreich geflohen, kehrte aber nach der Wiederaufrichtung der englischen Monarchie, 1660, mit dem mittlerweile König Karl II. gewordenen Prinzen von Wales nach England zurück. Hamilton erhielt von Karls II. Nachfolger, Jakob I., ein Regiment und die Gouverneurstelle von Limerick in Irland. Als auch König Jakob II. von seinem Schwiegersohn Wilhelm von Oranien besiegt und vertrieben wurde, floh er nach Frankreich und hielt in Saint-Germain bei Paris einen kleinen Hof, dem auch Hamilton zugezogen wurde. Hier schrieb Graf Anthony nicht nur die Memoiren seines Schwagers Grammont, sondern auch eine Reihe entzückender Märchen im Stile von »Tausendundeine Nacht«, die kurz vorher durch Galland zum erstenmal übersetzt worden waren. Die bekanntesten dieser einer Wiederherausgabe werten Geschichten sind: »Der Widder«, »Dornblüte«, »Die vier Fakardine«; fast unbekannt aber ist seine »Faustlegende«, die er in England spielen läßt. Wenn man von höfischen Liebschaften absieht, verfloß sein Leben still zwischen Hofdienst und Studium. Er starb am 6. August 1720 zu Saint-Germain.

Philibert Graf Grammont

Sein Schwager, Philibert Graf Grammont wurde 1621 geboren, war erst Soldat und begleitete Ludwig XIV. auf seinem Siegeszug in die Franche-Comté und nach Holland. Da er sich zuerst beim Kardinal Mazarin durch einige scharfe Bemerkungen unbeliebt gemacht und die unerhörte Kühnheit hatte, König Ludwig XIV. seine Geliebte, Lamotte-Houdancourt, abspenstig machen zu wollen, wurde er verbannt und kam an den englischen Hof Karls II. Dort begann für ihn ein ganz neues Leben. Er lernte die reizende Schwester Hamiltons kennen und bewarb sich um sie, scheint sich die Verlobung aber dann überlegt zu haben. Jedenfalls berichtet sein späterer Schwager Hamilton folgende Anekdote nicht: Als Grammont aus seiner Verbannung zurückberufen wurde, vergaß er sein Gelöbnis und machte sich ohne zwingende Ursache auf den Weg nach Frankreich. Anthony und sein Bruder George Hamilton hatten von seiner Abreise Wind bekommen, reisten ihm nach und holten ihn in Dover ein. »Halt, Chevalier,« riefen sie von weitem, »haben Sie in London nichts vergessen?« – »Oh, Pardon,« meine Herren, »ich habe vergessen, Ihre Schwester zu heiraten.« Er kehrte sofort um, heiratete die schöne Gräfin und führte sie im Jahre 1669 nach Frankreich.

Lady Hamilton

In seiner Einleitung hat Hamilton bei Beschreibung des Äußeren Grammonts auf Bussy-Rabutin verwiesen; wir wollen die Stelle bei Bussy hier anführen: »Der Chevalier hatte lachende Augen, einen schönen Mund, ein Grübchen im Kinn, das sehr angenehm wirkte, aber einen etwas listigen Zug im Gesicht. Sein Wuchs wäre ziemlich gut gewesen, wenn er nicht etwas gebückt gegangen wäre. Sein Wesen war gewinnend, sein Geist gewandt, doch erhielten manche Worte, die er sprach, nur durch Ton und Blick, mit dem sie gesagt wurden, ihren Wert. Im Munde eines anderen wären sie bedeutungslos gewesen.«

Er schrieb nur mittelmäßig, welchem Mangel wir die Abfassung seiner Memoiren durch seinen Schwager verdanken. Da Grammont wegen seiner treffenden, witzigen Antworten besonderen Ruf hatte, wollen wir hier einige bekanntere Anekdoten über ihn anführen.

Er wohnte eines Tages der Hoftafel Karls II. bei. Der damaligen englischen Hofetikette gemäß bedienten die Offiziere den König kniend. Majestät machte Grammont auf diese Huldigung aufmerksam, die wohl kein anderer Souverän in Europa empfange. »Sire,« erwiderte Grammont, »und ich habe geglaubt, daß Ihre Leute Sie um Verzeihung bitten, weil sie Ihnen ein so schlechtes Essen vorsetzen.«

Eines Tages spielte der König mit einem Höfling eine Partie Tricktrack und warf ihm einen schlechten Zug vor, wobei er sich an das Urteil der Zuschauer wandte. Die Kiebitze blieben aber stumm. »Dann soll Grammont entscheiden.« – »Sire, Sie haben verloren.« – »Weshalb?« – »Sehen denn Majestät nicht, daß, wenn der Zug nur halbwegs richtig gewesen wäre, die Leute Ihnen recht gegeben hätten?«

Eines Tages beklagte sich der König über die Ungeschicklichkeit eines Gesandten. Schon damals wurden viele hohe und wichtige Ämter Protektionskindern verliehen. »Majestät, weshalb wundern Sie sich? Es wird eben der Neffe eines Ministers sein.«

Der Graf Grammont sagte, daß er nie sterben würde, und begann, als er immer älter wurde, es fast selbst zu glauben. Im Alter von fünfundsiebzig Jahren wurde er schwer krank. Da der König wußte, was für ein Freidenker Grammont sei, sandte er ihm seinen Vorleser, den Abbé Dangeau. Als ihn Grammont sah, rief er zu seiner Frau: »Passen Sie auf, Gräfin, sonst prellt Sie der Mann noch um meine Bekehrung.« Er stand von diesem Krankenbett, von seiner Unsterblichkeit mehr als je überzeugt, auf, mußte aber schließlich doch an den Tod glauben, der ihn im sechsundachtzigsten Jahre am 10. Jänner 1707 erreichte.

Während die übrigen in diesen Memoiren erwähnten Personen längst verdienter Vergessenheit anheimgefallen sind und ihr bißchen Unsterblichkeit nur der Feder Hamiltons verdanken, erfreut sich einer der geschilderten Höflinge noch heute bei den Liebhabern erotischer Literatur hohen Ansehens. Es ist Jean Wilmot Graf von Rochester (1648 bis 1680), der das damalige höfische Leben in einem wegen seiner krassen Obszönität leider nicht zur Veröffentlichung geeigneten Drama, »Sodom«, gezeichnet hat. Über seine Begabung hat sich Lord Oxford sicher am besten geäußert: »Wohl haben ihn die Musen inspiriert, aber sie werden schamrot, wenn sie es zugeben sollen.«

Bei Hamilton wäre es anders: da würden sie höchstens etwas Puder auflegen ...

Wir wollen diese flüchtige Skizze nicht schließen, ohne der Nationalbibliothek, namentlich Herrn Bibliothekar Dr. Poehlmann für sein freundliches Entgegenkommen bei der Beschaffung von Bilder- und Textmaterial, unseren aufrichtigen Dank auszusprechen.

r. d.



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