Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Je näher der Chevalier Grammont dem französischen Hofe kam, desto mehr bedauerte er sein Fortgehen aus England, nicht etwa, weil er keinen huldvollen Empfang von einem Fürsten erwartete, dessen Zorn man sich allerdings nicht ungestraft zuzieht; er wußte ja, daß der Monarch auch auf eine Weise zu verzeihen imstande sei, die den ganzen Wert wiedergewonnener Gnade empfinden ließ.

Tausend verschiedene Bilder durchkreuzten während der Reise seinen Sinn, bald die Freude der Verwandten und Freunde beim Wiedersehen, bald die Begrüßungen und Umarmungen der unwillkommenen Zudringlichen; aber all das berührte ihn wenig; denn ein wahrhaft Liebender macht sich ein Gewissen daraus, sich mit etwas anderem als dem Gedanken an die Einzige zu beschäftigen. Die süßen Erinnerungen an die in London Zurückgelassene hinderten ihn, viel an Paris zu denken, und die Qualen der Trennung ließen ihn die Plackerei mit schlechten Pferden kaum empfinden. Zwischen Montreuil und Abbeville beteuerte sein Herz der Miß Hamilton, er entferne sich von ihr nur deshalb mit Eile, um sie desto schleuniger wieder zu sehen. Wenn er endlich den Schmerz bei der früheren Abreise aus Frankreich mit dem jetzigen über sein Verlassen Englands verglich, fand er ihn weit herber als den ersten.

So unterhält sich auf dem Weg ein fühlendes Herz oder besser: so mißbraucht ein leichtsinniger Schriftsteller die Geduld des Lesers, um entweder seine eigenen Empfindungen auszukramen oder um einen langweiligen Bericht weiter hinzuziehen; doch von uns sei solcher Vorwurf fern, da wir in diesen Memoiren nur niederschreiben, was uns vom Helden selbst an Worten und Geschehnissen anvertraut wird.

Wer außer dem Stallmeister Feraulas hat je die Gedanken, Seufzer und Ausrufungen zählen können, die sein Herr überall von sich gab! Ich selbst hätte nie geglaubt, daß die später auf alle Unfälle und Gefahren des Weges so gespannte Aufmerksamkeit des Grafen Grammont dem damaligen Chevalier je erlaubt hätte, zärtlichen Gefühlen nachzuhängen, wenn er mir diese Tatsache nicht selbst diktiert hätte.

Folgen wir ihm nach Abbeville. Der Postmeister dort war ein alter Bekannter, sein Gasthaus zwischen Calais und Paris das beste. Als der Chevalier abstieg, sagte er zu Termes, er habe Lust, einen Schluck zu trinken, bis die Pferde bereit seien. Es war nahe an Mittag und sie hatten seit dem Verlassen des Schiffs in vergangener Nacht nichts genossen. Termes pries den Himmel, daß menschliche Regungen diesmal den Sieg über die gewöhnliche Ungeduld seines Herrn davontrugen und bestärkte ihn nach Kräften in seinen Eßabsichten.

Als sie in die Küche traten, wo der Chevalier gern seinen ersten Besuch abstattete, waren sie überrascht, am Feuer sechs Bratspieße mit Wild auf einmal nebst den sonstigen Vorbereitungen zu einem prächtigen Festgelage zu sehen. Das Herz des Dieners Termes lachte bei diesem Anblick. Er erteilte unter der Hand sogleich Befehl, ein Paar Pferden die Hufeisen abzunehmen, um diesen herrlichen Ort nicht so bald verlassen zu müssen.

Eine Masse Geiger und Oboisten, von Straßenjungen umgeben, drang in den Hof. Als man den Wirt um Erklärung fragte, meldete er dem Chevalier Grammont, es geschehe zur Vermählung eines der reichsten Herren der Gegend mit dem schönsten Mädchen der Provinz, das Hochzeitsmahl finde bei ihm statt, es käme allein auf Seine Gnaden an, ob Sie die Vermählten aus der Kirche kommen sehen wollten; die Musik sei schon da. Er sagte die Wahrheit; denn kaum hatte er gesprochen, als drei Lakaien, so groß wie die Schweizer, in reich verschnürten, auffallenden Livreen mit den Hochzeitswagen im Hofe erschienen und die ganze Gesellschaft abluden. Jetzt kam die Buntheit ländlicher Tracht wie selten zu natürlicher Geltung. Alte Tressen, verschossene Stickerei, gestreifter Taft, kleine Augen und große Busen waren überall zu sehen.

Wenn der erste Anblick den Chevalier Grammont überraschte, setzte der zweite den treuen Termes nicht weniger in Erstaunen. Das wenige, was man vom Gesicht der Braut sehen konnte, schien nicht ohne Reiz, aber über den Rest konnte man nicht urteilen. Vier Dutzend Schönpflästerchen und zehn Haarlocken auf jeder Seite verhüllten fast ganz ihr Gesicht, aber der Bräutigam fesselte die Aufmerksamkeit des Chevaliers Grammont besonders.

Er war ebenso lächerlich aufgeputzt wie die anderen, hatte aber einen überaus prächtigen, geschmackvollen Rock an. Der Chevalier näherte sich ihm, um die Stickerei des Anzugs, die er loben mußte, näher zu besehen. Der Bräutigam fühlte sich dadurch sehr geschmeichelt und sagte, er habe zur Zeit seiner Brautwerbung den Rock für hundertfünfzig Louisdor gekauft. »Ihr habt ihn also nicht hier machen lassen?« fragte Grammont. – »Behüte,« war die Antwort, »ich habe ihn von einem Londoner Kaufmann, der ihn für einen englischen Lord bestellt hatte.« Den Ausgang der Geschichte ahnend, fragte der Chevalier, ob er den Kaufmann wohl wieder erkennen würde. »Ob ich ihn wieder erkenne? War ich nicht gezwungen, in Calais die ganze Nacht mit ihm zu trinken, um einen guten Kauf zu tun?« Termes hatte sich beim Erscheinen des Leibrocks entfernt, ohne zu vermuten, daß der verwünschte Bräutigam seinem Herrn davon etwas vorplaudern würde.

Die Lust zum Lachen und der Wunsch, Herrn Termes hängen zu lassen, beschäftigten einen Augenblick lang die Gefühle Grammonts; aber das Gewohntsein an die Prellereien seiner Leute, verbunden mit der Wachsamkeit des Schuldigen, dem sein Herr keine Ermattung im Dienst zur Last legen konnte, machten ihn zur Milde geneigt. Er gab den dringenden Bitten des Gutsbesitzers nach und setzte sich, um seinen treuen Schildknappen zu überraschen, als siebenunddreißigster Gast zu Tisch. Einige Augenblicke darauf sagte Grammont zu den Hausleuten, sie sollten einen Herrn, namens Termes, hereinrufen. Er kam; sowie der Gastgeber ihn erblickte, erhob er sich und streckte ihm die Hand entgegen. »Hier,« sagte er, »gebt mir die Hand, Freund; Ihr seht, wie ich den Rock schonte, den Ihr mir so ungern verkauftet und von dem ich keinen schlechten Gebrauch gemacht habe.«

Mit eherner Stirne tat Termes, als kenne er ihn nicht und wies ihn etwas derb zurück. »Wahrhaftig,« rief der andere, »weil ich beim Kauf mit Euch zechen mußte, müßt Ihr auch auf die Gesundheit der Braut trinken.« Der Chevalier fand Termes trotz seiner sonstigen Keckheit sehr verwirrt und sagte ganz artig zu ihm: »Nun, Herr Kaufmann aus London, setzt Euch her, weil man gar so höflich drum bittet; wir sind unsrer nicht so viel bei Tisch, daß nicht noch für einen ehrlichen Mann, wie Ihr, Platz wäre.«

Bei diesen Worten standen fünfunddreißig Gäste auf, den Eingetretenen zu bewillkommnen. Der Stuhl der Braut allein blieb aus Anstand besetzt. Nachdem der freche Termes die erste Beschämung niedergeschluckt, machte er sich an das Trinken von allem Hochzeitswein; aber sein Herr erhob sich nach dem Abtragen von vierundzwanzig Schüsseln, auf die ebenso viele folgten.

Einen Herrn, der in solcher Eile war, bis zum Schluß des Hochzeitsmahles festzuhalten, schien nicht tunlich; als er aber vom Tisch aufstand, erhoben sich alle und er konnte es beim Bräutigam nur mit Mühe durchsetzen, daß ihm die ganze Gesellschaft nicht bis an das Tor das Geleit gab. Termes wünschte, sie verließen ihn nicht bis zum Schluß der Reise, so zitterte er vor dem Gedanken, mit seinem Herrn allein zu sein.

Sie hatten Abbeville schon einige Zeit hinter sich und zogen immer noch in tiefem Schweigen weiter. Termes, darauf gefaßt, daß es in kurzem losgehen werde, war nur über die Art und Weise in Zweifel, ob ihn nämlich sein Herr mit einem Strom von Schmähungen, gespickt mit wohlverdienten Scheltworten, angreifen oder ob er ihn mit schneidenden, ironischen Lobsprüchen überhäufen würde. Da nun statt all dessen kein Wort herauskam, glaubte er, es sei besser, den Sturm selbst zu beschwören, als den Herrn länger Unheil brüten zu lassen, und sagte, mit aller gewohnten Keckheit gewappnet: »Sie sind sehr gegen mich aufgebracht, gnädiger Herr, aber der Teufel soll mich holen, wenn Sie im Grund nicht unrecht haben.«

»Im Grund unrecht?« rief der Chevalier. »Gewiß, weil ich dich nicht gedroschen habe, wie du Lump es längst verdient hast!«

»Da haben wir's«, sprach Termes. »Immer hitzig, statt vernünftig zuzuhören! Ja, Herr Chevalier, ich behaupte, was ich tat, war zu Ihrem Besten.« – »Auch der Treibsand?« sagte Grammont. – »Bitte um Geduld,« fuhr der Diener fort, »ich weiß nicht, wie es kam, daß dieser Tölpel von Bräutigam gerade auf dem Zollamt sein mußte, ab mein Koffer in Calais durchsucht wurde, aber diese Hahnreie drängen sich ja überall ein. Als er Ihren Leibrock erblickte, war er darauf versessen. Da merkte ich wohl, daß er ein Dummkopf sei; denn er lag auf den Knien vor mir, um ihn zu kaufen. Der Rock war im Koffer ganz zerknittert und der Pferdeschweiß hatte von außen alles beschmutzt. Hol' mich der Henker, ich begreife nicht, wie der Kerl es angefangen hat, ihn wieder herzurichten. Sie hätten ihn nie angezogen! Er kostete Ihnen hundertundvierzig Louis und da man mir hundertundfünfzig bot, sprach ich zu mir selbst, mein Herr braucht diesen Flitterstaat nicht, um auf dem Ball zu glänzen, und wenn er auch viel Geld hatte, als ich ihn verließ, wer weiß, ob er gerade etwas haben wird, wenn ich zurückkomme. – Das hängt doch vom Spiel ab. Kurz, Herr Chevalier, ich ließ mir zehn Louis mehr geben, als er gekostet; offenbarer Profit! Ich halte sie zur Verfügung Eurer Gnaden und Sie wissen, daß ich für diese Summe gut bin. Sagen Sie nun aufrichtig, hätten Sie auf dem Ball besser ausgesehen, wenn Sie den verteufelten Rock angehabt hätten, der Ihnen das Aussehen dieses Dorfbräutigams gegeben hätte?

Und doch mußte man Ihr Toben in London hören, als Sie ihn verloren glaubten, es war eine Lust, vor dem König Ihre Geschichte vom Treibsand mit anzuhören und hier Ihre drollige Miene zu sehen, als Sie vermuteten, dieser Bauernkerl trage den Rock zu seiner Hochzeit!«

Was ließ sich auf solche Unverschämtheit sagen? Wäre der Herr seinem Zorn gefolgt, so hätte er ihn entweder prügeln oder fortjagen müssen; aber er brauchte ihn zur Weiterreise und zur Rückkehr.

Kaum hatte der Marschall de Grammont, sein Bruder, seine Ankunft erfahren, als er ihn in seinem Gasthofe besuchte. Nach den ersten Begrüßungen sagte er ihm: »Chevalier, wie lange warst du von London aus unterwegs? Denn der Himmel weiß, wie schnell du die Sachen machst.« – Der Chevalier sagte, er sei drei Tage gereist, und erzählte, um seine mäßige Eile zu entschuldigen, sein Abenteuer zu Abbeville. »Das ist sehr drollig,« meinte sein Bruder, »noch pikanter aber ist es, daß es bloß von dir abhängt, ob du deinen Leibrock noch bei Tische finden willst, denn bei Landhochzeiten wird lange getafelt.« Dabei nahm er eine ernste Miene an und fuhr fort, er wisse nicht, wer ihm zu seinem Nachteil die unvorsichtige Rückkehr angeraten; er habe vom König Befehl, ihm zu sagen: ohne sich bei Hofe zu zeigen, solle er nur wieder umkehren. Ferner meinte er, seine Übereilung, nachdem er sich bis dahin so lobenswert geduldig gezeigt, befremde ihn um so mehr, da er doch den König hinlänglich kenne, um zu wissen, er habe lediglich von dessen Gnade seine Wiederaufnahme zu erwarten.

Zu seiner Rechtfertigung wies der Chevalier das Schreiben der Marquise de Saint-Chaumont vor und bemerkte, er hätte sehr gern auf die gutgemeinte falsche Nachricht verzichtet, die ihn hieher gefoppt habe. »Wieder eine Unklugheit,« sprach der Marschall, »seit wann ist unsere Schwester Minister oder Staatssekretär, daß sich der König ihrer bedienen sollte, um dir seinen Willen kundzutun? Willst du das Wahre von der Sache wissen? Vor einiger Zeit sprach der Fürst zu der Herzogin von Orleans über die Zurückweisung der Pension, die der König von England dir angeboten. Er schien auf den Bericht von Comminges mit deinem Verhalten zufrieden und drückte seine Anerkennung aus. Die Herzogin nahm das für deine Zurückberufung. Die Saint-Chaumont, nicht so klug, wie sie sich dünkt, beeilte sich, dir diesen großen Befehl eigenhändig zu melden. Endlich sagte die Herzogin von Orleans bei der Tafel zum König, du würdest bald hier eintreffen, und der König befahl mir nach Tisch, dich gleich nach der Ankunft wieder zurückzuschicken. Nun bist du da, kehr um.«

Zu jeder andern Zeit wäre der Befehl dem Chevalier Grammont vielleicht hart erschienen, aber bei seinem jetzigen Herzenszustande war sein Entschluß bald gefaßt. Die diensteifrige Kunde, die ihn nötigte, den englischen Hof zu verlassen, hatte ihm nur Schmerz verursacht, und über die gezwungene Entsagung auf einen Besuch des französischen Hoflagers leicht getröstet, bat er den Marschall, er möge ihm zum Einkassieren einiger Spielschulden nur ein paar Tage Aufschub verschaffen. Er erhielt ihn mit der Bestimmung zugesagt, daß er Paris verlasse.

Er wählte zum Aufenthalt Vaugirard. Dort gab es einige Abenteuer, die er oft ergötzlich mitgeteilt hat, und es hieße den Leser ermüden, wollte man sie hier wiedergeben. Er teilte daselbst das heilige Brot so feierlich aus, daß in Versailles die Kapelle von ihren Wächtern, den Schweizern, fast ganz verlassen wurde und Vardes genötigt war, dem König zu melden, sie seien alle nach Vaugirard, wo der Chevalier Grammont das heilige Abendmahl austeile. Dort fand auch jener seltsame Auftritt statt, der dem Ruf des großen Saucourt den ersten Stoß gab, nämlich die vereitelte Zusammenkunft mit der niedlichsten Grisette aus der Umgegend. Während seines Aufenthaltes zu Vaugirard besuchte der Chevalier auch Mademoiselle de l'Hopital zu Issi, um sich Licht zu verschaffen, ob das Stadtgerücht über die Juristenliebschaft, die man ihr zuschrieb, begründet sei. Bei seinem plötzlichen Eintreten flüchtete der Präsident de Maisons mit solcher Eile in ein Kabinett, daß sein halber Mantel eingeklemmt draußen blieb. Der Chevalier ließ, sowie er es bemerkte, das arme Liebespaar Tod und Hölle leiden, indem er die störende Visite über Gebühr ausdehnte.

Nach Regelung seiner Geschäfte reiste er ab; ihn jagte die Liebe und er sah London mit Entzücken wieder. Der Hof war über seine schnelle Rückkehr überrascht und erfreut. Keiner bedauerte ihn wegen der neuen Ungnade, weil er sichtlich froh auftrat; auch Miß Hamilton war nicht böse, daß er den Befehlen seines Fürsten so schleunig gehorcht hatte.

Während so kurzer Abwesenheit hatten die Angelegenheiten des Hofes sich nicht geändert; doch trat bald nach seiner Ankunft in jenen Regionen, wo Liebe und Genuß als die wichtigsten Dinge galten, eine Veränderung ein.

Der Herzog von Monmouth, ein natürlicher Sohn Karls des Zweiten, war zu jener Zeit am Hof seines königlichen Vaters erschienen. Sein erstes Auftreten hat so viel Aufsehen gemacht, sein Ehrgeiz so gewaltigen Ereignissen die Bahn gebrochen und die Umstände seines tragischen Todes sind noch so frisch im Gedächtnis, daß es überflüssig wäre, seinem Charakterbilde neue Züge hinzuzufügen. Durchgehends erschien er in seinem Verhalten, wie er war, kühn zu Unternehmungen aufgelegt, doch beim Ausgang bemitleidenswert schwach, wo es gerade darauf ankam, der Größe des Wagnisses durch Festigkeit zu entsprechen.

Schönheit der Gestalt und persönliche Anmut waren bei ihm so auffallend, daß die Natur vielleicht nie etwas Vollendeteres bildete. Sein Gesicht war äußerst einnehmend, ein echt männliches Antlitz, nichts Mattes, Weibisches; ein jeder Zug hatte aber seine eigene gewinnende Lieblichkeit. Außerordentliche Gewandtheit in allen Körperübungen, ansprechende Zuvorkommenheit bei majestätischer Miene, kurz, alles Äußere sprach für ihn; nur sein Geist sagte kein Wort zu seinen Gunsten. An eigener Meinung besaß er nur soviel, als ihm gerade eingeflößt wurde, und die sich zuerst in sein Vertrauen drängten, sorgten dafür, daß ihm nur verderbliche Pläne in den Kopf gesetzt wurden.

Seine wunderschöne Erscheinung nahm auf den ersten Anblick für ihn ein. Durch ihn wurden alle schönen Männer bei Hof in den Schatten gestellt, alle Damengunst wandte sich ihm zu. Er war des Königs höchste Freude, aber der Schrecken aller Ehemänner und Liebhaber. Das war aber nicht von Dauer; die Natur hatte ihm nicht die Gabe verliehen, Herzen lange zu fesseln und das schöne Geschlecht bemerkte das bald.

Die Herzogin von Cleveland schmollte mit dem König, daß seine mit ihr gezeugten Kinder neben diesem Adonis wie kleine Paviane erschienen. Sie war um so mehr darüber außer sich, weil sie sich rühmte, sie könne im Vergleich mit des Herzogs Mutter für die Liebesgöttin selbst gelten. Der Fürst zog ihre Worte ins Lächerliche; denn sie hatte schon seit einiger Zeit nicht mehr das Recht zu Vorwürfen. Da nun diese Art Eifersucht noch grundloser war als ihre früheren Ausfälle, so billigte natürlich niemand ihre abgeschmackten Klagen. Um den König zu peinigen, mußte sie sich eine neue Rolle ausdenken. Sie trat der blinden Vorliebe des Vaters für diesen Sohn nicht mehr in den Weg, sondern lockte durch endlose Schmeicheleien, tausend Aufmerksamkeiten und immer stärkere Liebkosungen den jungen Herzog an sich. Öffentlich verliehen, meinte sie, müßten diese zärtlichen Pfänder unbedenklich scheinen; allein man kannte sie zu gut, um sich dadurch täuschen zu lassen. Der König war nicht mehr eifersüchtig auf sie; da aber der Herzog von Monmouth in einem Alter stand, in dem man gegen die feurigen Liebkosungen einer schönen Frau nicht unempfindlich ist, glaubte der Fürst, den Sohn den Schlingen seiner quasi Stiefmutter entziehen zu müssen, um ihn vor Verirrung oder wenigstens vor öffentlichem Anstoß zu bewahren. Dies ist der Grund, weshalb er so früh mit einer Erbin aus Schottland mit hunderttausend Livres Renten verheiratet wurde. Sie war mit großen Reizen ausgestattet und ihr Geist besaß allen Zauber, der dem schönen Monmouth abging.

Neue Feste feierten die Vermählung; sich bei diesen auszuzeichnen, galt für die beste Huldigung, und während die Hofwelt ihre ganze Pracht und Eleganz entfaltete, wurden die alten Verhältnisse wieder belebt und neue angeknüpft.

Damals, auf dem Gipfel ihrer Schönheit, lenkte Miß Stewart alle Blicke und alle Bewunderung auf sich. Die Herzogin von Cleveland wollte sie wenigstens durch die Juwelenpracht, mit der sie sich zu der Festlichkeit geschmückt, verdunkeln, aber es gelang ihr nicht. Denn ihr Aussehen war durch eine dritte oder vierte Schwangerschaft entstellt, die der König noch auf seine Rechnung zu nehmen die Güte hatte. Hinsichtlich der übrigen Gestalt konnte sie mit der Erscheinung und Anmut der Miß Stewart nicht wetteifern.

Wäre der König damals Herr über seine Hand wie über sein Herz gewesen, so wäre die Stewart auf diesem Höhepunkte ihrer Schönheit damals Königin von England geworden; doch gerade in jener Zeit gelobte sich der Herzog von Richmond, er wolle ihre Hand besitzen oder sterben.

Einige Monate nach der Vermählungsfeier verliebte sich Killegrew, weil er gerade nichts Besseres zu tun hatte, in Lady Shrewsbury, und da durch außerordentlichen Zufall die Lady gerade frei war, wurde die Sache bald in Ordnung gebracht. Kein Mensch dächte daran, ein Verhältnis anzutasten, das niemanden interessierte, aber Killegrew verfiel darauf, sein Glück selbst zu stören. Man denke nicht etwa, er hätte sein Glück nicht ganz so gefunden, wie er es erwartet; die Gewohnheit machte ihn nicht gleichgültig gegen diesen beneidenswerten Besitz, er war aber unzufrieden, daß man ihn nicht beneidete, und nahm es übel, daß sein Glück ihm keine Nebenbuhler schuf.

Er besaß viel Geist und noch weit mehr Redelust. In einer Weinlaune entfaltete diese sich am stärksten, und zwar drehte sie sich gewöhnlich um alle verborgenen Schönheiten und unsichtbaren Reize der Lady Shrewsbury. Doch mehr als die halbe Hofwelt wußte davon so viel als er.

Unter denen, die nur nach dem Schein urteilen konnten, war der Herzog von Buckingham, und die Oberfläche rechtfertigte nach seiner Meinung nicht alles, was Killegrews Übertreibungen andeuteten.

Da dieser eitle Liebhaber gewöhnlich mit dem Herzog von Buckingham speiste, konnte er über seine Geliebte seine ganze Beredsamkeit entwickeln; denn man setzte sich um vier Uhr zu Tisch, um erst zur Stunde des Schauspiels aufzubrechen.

Durch die Anpreisung der Vorzüge der Lady Shrewsbury endlich ermüdet, wünschte der Herzog die Wahrheit zu erfahren. Sobald er es nur wollte, gelangte er auch zum Ziel, und da er fand, daß Killegrew durchaus nicht zu viel gesagt, so entspann sich ein Verhältnis, das nach dem leichten Charakter beider und der Lebhaftigkeit, mit der die Sache begann, niemand für dauernd gehalten hätte; und doch hat nicht so bald ein Verhältnis in England so lange gewährt.


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