Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Waffenruhm ist nur die Hälfte des Glanzes, der Helden umgibt; Liebe muß die letzte Feile zur Heldenverklärung durch Taten, kühne Wagnisse und ruhmreichen Erfolg anlegen. Wir haben nicht allein in Romanen, sondern auch in der Geschichte berühmter Krieger und großer Eroberer genug Beispiele dafür.

Sich um Vorbilder wenig kümmernd, unterließen der Chevalier Grammont und Matta dennoch nicht, sich von den Strapazen der Belagerung von Trino durch einige Angriffe auf die verheirateten Schönheiten von Turin zu erholen. Da der Feldzug rasch zu Ende war, hofften sie Zeit zu einigen Heldentaten zu haben, ehe noch die günstige Gelegenheit zu Ende ginge und sie zur Rückkehr über die Berge gerufen würden.

Sie machten sich also ungefähr auf den Weg wie Amadis oder Don Galaor, wenn diese nach Empfang von Ritterschlag und Orden für ihre Liebe in den Kampf oder auf wunderbare Abenteuer auszogen. Sie waren würdige Nachfolger dieser Brüder; denn wenn sie es auch nicht verstanden, Riesen zu bekämpfen, Lanzen zu brechen und schöne Edeldamen hinten auf dem Sattel mitzuführen, ohne mit ihnen ein trautes Wort zu tauschen, so konnten sie dafür spielen, wovon wieder jene Helden nichts verstanden.

Sie kamen in Turin an, wurden gut aufgenommen und bei Hofe sehr ausgezeichnet. Wie war es anders denkbar? Sie waren jung, hübsch, hatten Geist und machten viel Aufwand. In welchem Lande der Welt spielt man mit solchen Vorzügen nicht eine Rolle? Da Turin damals Sitz der Liebe und Galanterie war, mußten wohl zwei Fremde ihres Äußeren, Männer, die selbst die Langeweile haßten, die Damen des Hofes besonders fesseln.

Obgleich die Herren dort zum Malen schön waren, verstanden sie die Kunst, zu gefallen, nicht besonders. Sie ehrten ihre Frauen und hegten Achtung für die Fremden; ihre Frauen, die noch hübscher waren als sie, zeigten aber mindestens so viel Aufmerksamkeit für die Fremden wie Rücksicht auf ihre Männer.

Eine würdige Tochter Heinrichs IV., machte die königliche Prinzessin ihren kleinen Hof zum angenehmsten Ort der Welt; sie hatte die Tugenden ihres Vaters, soweit sie dem schönen Geschlecht zukommen, geerbt, und in dem, was man die Schwäche edler Seelen nennt, war Ihre Hoheit auch nicht aus der Art geschlagen.

Graf Tanes war ihr erster Minister. Während seiner Amtsführung waren die Staatsgeschäfte nicht schwer zu leiten; niemand beklagte sich über ihn und die Fürstin schien mit seinen Leistungen gleichfalls zufrieden. Da sie wünschte, daß alles an ihrem Hofe glücklich sei, lebte man bei ihr ziemlich nach den Bräuchen und Sitten des alten Rittertums.

Jede Dame hatte einen offiziellen Liebhaber außer den freiwilligen, deren Zahl unbeschränkt war. Die erklärten Ritter trugen die Farben ihrer Herrinnen, führten ihre Wappen, mitunter ihre Namen. Ihr Dienst bestand darin, sie vor der Welt stets zu begleiten, und ihnen unter vier Augen nicht zu nahe zu kommen, ihnen überall als Stallmeister zu dienen und beim Karussellstechen Lanzen, Schabracken und Kleider mit dem Monogramm und den Farben der Holden zu versehen.

Matta war kein Feind galanten Rittertums und hätte es einfacher gewünscht, als es zu Turin zuging. Die gewöhnlichen Formen hätten für ihn nichts Abstoßendes gehabt, doch schien ihm der Kultus und die Zeremonien, die die Liebe hier so streng vorschrieb, eine Art Götzendienst. Da er aber in diesem Punkt sein Benehmen der Ansicht des Chevaliers Grammont unterordnete, mußte er dessen Beispiel folgen und sich den Sitten des Landes anpassen.

Sie traten gleichzeitig in den Dienst zweier schöner Damen, die ihnen von den bisherigen Kavalieren sogleich aus Höflichkeit abgetreten wurden. Der Chevalier Grammont wählte das Fräulein von Saint-Germain und empfahl Matta, seine Huldigung Frau von Senantes darzubringen. Matta war damit zufrieden, obgleich er die andere Dame vorgezogen hätte, aber der Chevalier Grammont machte ihm klar, daß Frau von Senantes für ihn besser passe. Da er sich bei der Einsicht des Chevaliers stets wohlbefunden hatte, folgte er dessen Winken in der Liebe wie einst im Spiel.

Fräulein von Saint-Germain, noch in des Lebens Frühling, hatte kleine, aber sehr glänzende und lebhafte Augen: sie waren schwarz wie ihr Haar. Ihr Teint war blühend und frisch, wenn auch nicht von blendender Weiße, ihr Mund lieblich, ihre Zähne schön, die Brust, wie man sie wünschen mag und ihr Wuchs der reizendste der Welt. Ihre wohlgeformten Arme waren bis zum Ellenbogen besonders schön, was ihr indes nicht viel half; denn ihre Hände waren ziemlich groß und die Holde tröstete sich, daß die Zeit, da sie weiß werden mußten, noch kommen würde. Ihre Füße waren, wenn auch nicht die kleinsten, so doch wohlgebildet. Sie ließ alles gehen, wie es Gott gefiel, ohne die Gaben der Natur durch Kunstgriffe zu heben. Doch hatte trotz der Vernachlässigung ihrer Reize das Gesicht so viel Ansprechendes, daß der Chevalier Grammont sogleich davon ergriffen wurde. Ihr Geist und ihre Laune waren mit dem Äußern im Einklang; alles war natürlich und anmutig, man sah an ihr nichts als Heiterkeit, Leben, Freundlichkeit und Wohlwollen: das Ganze war wie aus einem Guß ohne störende Unebenheiten.

Die Marquise von Senantes galt für blond; es wäre indes bloß auf sie angekommen und man hätte sie für rot gehalten; doch fügte sie sich lieber dem Geschmack der Zeit als dem der Antike; sie besaß alle Vorzüge der Rothaarigen, ohne ihre Mängel zu haben, und beständige Pflege glich das Grelle der Farbe aus. Wenn man nur so ist, wie man sein soll, was liegt im Grunde daran, ob man durch Kunst oder von Natur aus so ist? Man muß sehr boshaft sein, um da den Unterschied peinlich zu untersuchen. Sie besaß viel Geist, ein gutes Gedächtnis, viel Belesenheit und noch mehr Hang zur Verliebtheit.

Sie hatte einen Gemahl – die Keuschheit selbst hätte sich ein Gewissen daraus gemacht, ihn vor seinem wohlverdienten Schicksal zu bewahren. Er spielte den Stoiker; seiner Philosophie zu Ehren war er auf sein abstoßendes, nachlässiges Äußere stolz. Die Absicht, zu mißfallen, gelang ihm vollständig; denn er war sehr dick und schwitzte im Winter wie im Sommer.

Gelehrsamkeit und Plumpheit schienen seine Hauptaufgaben, beides glänzte in seiner Unterhaltung bald gleichzeitig, bald nacheinander, aber stets zur Unzeit. Eifersüchtig war er nicht, aber trotzdem sehr unbequem und störend. Er wünschte allerdings, man solle zu seiner Frau aufmerksam sein, jedoch nur, damit man ihm desto mehr Rücksicht erweise.

Sobald unsere Abenteurer sich erklärt hatten, nahm der Chevalier Grammont die grüne Farbe an und stattete Freund Matta blau aus. Dies waren die Zeichen ihrer neuen Herrinnen. Sie traten ihr Amt auf der Stelle an. Der Chevalier studierte und übte alle Formen dieses galanten Dienstes, als hätte er sein lebelang nichts anderes getan. Matta vergaß davon fast immer die eine Hälfte und fand sich mit der anderen nicht besonders zurecht; er konnte sich nie merken, daß er nur dem Ruhm, nicht aber den Freuden seiner Herrin zu dienen habe.


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