Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Seidenhandschuhe waren damals sehr in Mode. Sie hatte zufällig einige Paar davon und schickte eines an Miß Blague nebst vier Ellen Bandes mit folgenden Zeilen: »Sie waren neulich reizender als alle Blondinen der Welt. Gestern sah ich Sie noch blonder als damals. Wenn Sie so fortfahren, was soll dann aus meinem Herzen werden? Aber das ist schon lange Ihren schelmischen Augen erlegen. Werden Sie morgen auf dem Maskenball sein? Doch kann uns ein Fest Freude machen, auf dem Sie nicht erscheinen? Ich würde Sie zwar in jeder Verkleidung erkennen, aber durch das übersandte Geschenk werde mir mein Schicksal deutlicher. Bitte, Schleifen aus diesem Band im Haar zu tragen, die Handschuhe werden die schönsten Hände der Welt schmücken.«

Dies Billett nebst Geschenk wurde der Blague mit demselben Erfolge zugestellt wie das babylonische Dekret für Lady Muskerry. Miß Hamilton wurde eben Bericht darüber erstattet, als die Lady zum Besuch eintrat; sie hatte es sehr eilig und die Zeit schien zu drängen, als ihre Kusine sie bat, mit ihr ins Kabinett zu kommen. Dort sagte ihr die Muskerry: »Bitte um Diskretion über das, was ich Ihnen jetzt anvertraue. Was sagen Sie zu den Männern? Trauen Sie ihnen nicht, liebe Kusine. Vor unserer Hochzeit hatte Lord Muskerry mir Tag und Nacht beim Tanzen zugesehen und jetzt untersteht er sich, es mir zu verbieten. Das paßt mir nicht, noch mehr, er hat mich vor dem Maskenball so gewarnt, daß ich ihm die Ehre, die mir die Königin erweist, verbergen muß. Es wundert mich indes, daß ich nicht erfahre, wer mich führen soll. Ach, wenn Sie wüßten, welche Mühe man in diesem verwünschten London hat, herauszubringen, wie man sich als Babylonierin zu kleiden hat, würden Sie Mitleid mit meinen Sorgen seit der Balleinladung haben; die Kosten des Kostümes übersteigen alle Begriffe.«

Hier wurde Miß Hamilton vom Lachen, das sie so lange zurückgedrängt, überwältigt, und ließ ihm freien Lauf. Die Muskerry wußte ihr dafür Dank; denn sie glaubte, es gelte der Marotte ihres Mannes. Miß Hamilton sagte, alle Männer wären ziemlich gleich; man müsse sich nicht um ihre Launen scheren; sie wisse auch nicht, wer sie zum Maskenball führen solle, aber, da sie ernannt sei, werde ihr auch ein Tänzer nicht fehlen. Sie begreife nicht, warum er sich noch nicht gemeldet; vielleicht habe er auch eine überspannte Frau, die ihm das Tanzen verböte.

Damit ging Lady Muskerry eilig fort, um Nachricht über ihren Tänzer einzuholen. Die in die Verschwörung eingeweihten Personen lachten eben aus voller Kehle mit Miß Hamilton über den Besuch, als Lord Muskerry eintrat. Er zog seine Kusine zur Seite und fragte: »Weißt du vielleicht, ob es morgen in der City irgendwo einen Ball gibt?« – »Nein,« antwortete sie, »weshalb?« – »Weil ich erfahre, daß meine Frau große Vorbereitungen zur Toilette macht. Ich weiß freilich, daß sie zur Maskentour nicht bestimmt ist, dafür habe ich gesorgt; da sie aber auf das Tanzen versessen ist, befürchte ich, daß sie sich trotz meines Verbotes wieder lächerlich machen wird. Wäre es bloß ein Bürgerball an einem abgelegenen Ort, würde ich mich nicht darum kümmern.«

Man beruhigte ihn, so gut man konnte, und entließ ihn unter dem Vorwande von tausend Zurüstungen für den folgenden Tag. Endlich glaubte Miß Hamilton sich frei, als sie Miß Price, ein Ehrenfräulein der Herzogin, kommen sah. Die hatte sie gerade herbeigewünscht. Schon seit einiger Zeit kämpften die Blague und die Price um Dongan, den die Price der anderen geraubt hatte, und noch jetzt glomm der Haß der beiden Damen unter der Asche.

Wenn auch die Ehrenfräulein nicht zur Maskerade selbst bestimmt waren, sollten sie ihr doch unkostümiert beiwohnen und ihre Balltoilette nicht vernachlässigen. Miß Hamilton hatte noch ein Paar von den der Blague übersandten Handschuhen; sie schenkte sie ihrer Nebenbuhlerin nebst einigen Schleifen vom gleichen Bande, das für die Brünette wie geschaffen war. Miß Price dankte ihr tausendmal und versprach, sich damit auf dem Ball zu schmücken. »Sie werden mir eine Freude damit machen,« sagte Miß Hamilton, »wenn Sie aber erzählen, daß die Kleinigkeit von mir kommt, würde ich es Ihnen nie verzeihen. Übrigens rauben Sie der armen Blague nicht etwa den Marquis Brisacier, wie Sie es mit Dongan getan. Freilich weiß ich, daß es nur auf Sie ankäme. Sie haben Geist, sprechen Französisch, und hat er sich erst einmal mit Ihnen unterhalten, so darf die andere nicht einmal mehr an ihn denken.«

Das genügte; die Blague war nur lächerlich und kokett, Miß Price war beides und – noch etwas mehr.

Abends entfaltete der Hof, glänzender als je, seine ganze Pracht bei der Maskerade. Alle zur Bildung des Maskenzuges bestimmten Personen waren mit Ausnahme des Chevalier Grammont versammelt. Man wunderte sich, daß er, der bei den unbedeutendsten Dingen so eifrig war, bei einer so wichtigen Gelegenheit wie dieser zurückblieb; noch mehr erstaunte man aber, als man ihn im gewöhnlichen Hofanzuge eintreten sah. Das war unter den obwaltenden Umständen bei ihm unerhört, unbegreiflich. Vergebens hatte er die schönsten Spitzen, die gewaltigste und bestgepuderte Perücke, die sich denken läßt; sein an sich prächtiger Anzug paßte nicht zum Feste.

Der König bemerkte es zuerst. »Chevalier Grammont,« sagte er, »Termes ist also nicht eingetroffen?« – »Verzeihung, Sire. Gott sei Dank, ja.« – »Gott sei Dank?« – »Sire,« sprach Grammont, »das Nähere über meinen Anzug und den Kurier Termes will ich sofort erzählen.« Bei diesen Worten wurde der fast begonnene Tanz aufgeschoben und die Tänzer bildeten einen Kreis um den Chevalier, um ihn anzuhören: »Schon seit zwei Tagen sollte der Schurke meinen Befehlen und seinem Versprechen gemäß hier sein. Meine Ungeduld heute den ganzen Tag über, als er nicht eintraf, läßt sich vorstellen. Endlich, nachdem ich ihn gehörig verwünscht, kommt er vor einer Stunde an, vom Kopf bis zu den Füßen beschmutzt, bis zum Gürtel gestiefelt, mit einem Wort wie ein Galgenstrick zugerichtet. Nun, Hasenfuß, sage ich, was sind das für Streiche. Du läßt eine Ewigkeit auf dich warten; ein Wunder, daß du jetzt schon da bist. – Ja, gnädiger Herr, erwidert er, es ist ein Wunder. Sie schimpfen nur immer. Ich habe Ihnen das schönste Galakleid der Welt machen lassen, der Herzog von Guise hat den Schnitt selbst ausgesucht. – So gib's her, zum Henker. – Gnädiger Herr, sagte er, wenn ich nicht ein Dutzend Sticker angestellt habe, um Tag und Nacht daran zu arbeiten, halten Sie mich für einen Schuft. Ich habe sie nicht einen Augenblick verlassen. – Und wo steckt es, Verräter, du hältst mich mit Plaudern hin, während ich mich anziehen sollte? – Ich hatte es gefaltet, gepreßt, eingepackt, daß kein Regen daran kommen konnte. So reise ich denn Tag und Nacht, da ich Ihre Ungeduld kenne und weiß, daß mit Ihnen nicht zu spassen ist – Aber wo ist das sauber eingepackte Kleid? schrie ich. – Untergegangen, rief er, die Hände ringend. – Untergegangen? fuhr ich auf. – Ja, untergegangen, verschwunden, versunken. Was soll ich weiter sagen? – Was, das Paketboot hat Schiffbruch gelitten? – Weit schlimmer, sagt er, wie Sie sehen werden. Ich war gestern morgen eine halbe Stunde von Calais und wollte, um rascher fortzukommen, die Küste entlang reisen, aber wahrhaftig, das Sprichwort hat recht: Die Hauptstraße ist der beste Weg; denn ich geriet in Triebsand und sank bis an den Hals unter. – Treibsand bei Calais? rief ich. – Ja, gnädiger Herr, und solch ein Treibsand, daß mich der Teufel holen soll, wenn man beim Finden etwas anderes von mir sah, als den Kopf. Mein Pferd haben mehr als fünfzehn Menschen kaum herausziehen können, aber meinen Mantelsack, in den ich unglücklicherweise Ihren Anzug gepackt hatte, den hat man nicht wiedergefunden; er muß mindestens eine Meile tief in der Erde stecken.«

Der König hielt sich die Seiten vor Lachen, als der Chevalier Grammont wieder das Wort nahm: »Doch, Sire, ich vergaß zu melden, daß meine Verstimmung, als ich aus der Sänfte stieg, noch durch eine Satanserscheinung von Maske vermehrt wurde, die mich durchaus überzeugen wollte, die Königin habe mir befohlen, mit ihr zu tanzen, und da ich mich dagegen so höflich als möglich sträubte, bat sie mich, nachzusehen, wer ihr Mittänzer sei, und ihn gleich zu ihr zu schicken. Majestät täte gut daran, durch gnädigen Befehl diesem Übel abzuhelfen, denn die Maske hat sich in ihrer Karosse als Wachtposten etabliert, um alle Eintretenden am Tore von Whitehall aufzufangen. Übrigens kann ich sagen, daß ihr Kostüm sehenswert ist. Sie muß mindestens sechzig Ellen Gaze und Silberstoff am Leibe haben, ohne die Pyramide auf ihrem Kopf, die mit hunderttausend Firlefanzen behängt ist.«

Diese Mitteilung setzte die ganze Gesellschaft mit Ausnahme der Anstifter des Streiches in Staunen. Die Königin versicherte, alle von ihr Eingeladenen seien da, und der König sagte: »Ich wette, es ist die Herzogin von Newcastle.« – »Und ich«, flüsterte Muskerry der Hamilton zu, »wette, daß es eine andere Närrin ist, und müßte mich sehr irren, wenn es nicht meine Frau wäre.«

Der König ließ nachsehen, wer es sei, und die Maske holen. Lord Muskerry übernahm vorsichtshalber den Auftrag und tat wohl daran. Die Hamilton war damit nicht unzufrieden, weil sie sehr gut wußte, der Spaß wäre zu weit getrieben, wenn die Prinzessin von Babylon in ihrem Kostüm erschiene.

So lange man ernstere Tänze aufführte, war der Ball recht mittelmäßig, und doch waren die besten Tänzer und schönsten Tänzerinnen da. Weil aber ihre Zahl nicht groß war, schritt man von den französischen bald zu englischen Tänzen. Als die maskierten Damen einigemal getanzt hatten, ließ der König in der Pause die Reserven vortreten. Die Damen der Königin und der Herzogin wurden dabei von maskierten Herren geführt, und da konnte man nun der Miß Blague ansehen, welche Wirkung das ihr im Namen Brisaciers zugesandte Billett getan habe. Sie war gelber als eine Quitte, ihr blondes Haar mit dem zitronengelben Band der Hamilton beflaggt, dessen viele Schleifen den Marquis über sein Schicksal aufklären sollten. Dazu führte sie die mit den bewußten Handschuhen geschmückten Finger fortwährend an den Kopf. War die Gesellschaft über ihren Anzug erstaunt, der sie blässer als je erscheinen ließ, so erschrak sie selbst weit mehr, als sie Miß Price mit denselben Geschenken des angeblichen Brisacier geschmückt sah. Die Überraschung wurde bald zur Eifersucht, denn den erhaltenen Winken treu, knüpfte die Price eine Unterhaltung mit dem Marquis an, der blindlings den ersten Lockungen erlag, ohne die geringste Rücksicht auf die blonde Blague und die Zeichen zu nehmen, mit denen sie ihm sein Glück bei ihr andeutete.

Die Price war voll und rund und tanzte deshalb nicht. Der Herzog von Buckingham, der, wo er nur konnte, sich den Brisacier ausborgte, bat ihn im Namen des Königs, die Blague zum Tanz zu führen; er hatte keine Ahnung davon, was im Herzen der Nymphe vorging. Brisacier lehnte unter Vorschützung einer Abneigung gegen den englischen Tanz höflichst ab. Miß Blague bezog die Ablehnung auf sich, und da sie ihn wieder mit ihrer Todfeindin sprechen sah, fing sie an zu tanzen, ohne zu wissen, was sie tat. Wenn auch ihre Entrüstung und Eifersucht dem Hof nicht verborgen blieben, hatten doch nur Miß Hamilton und ihre Vertrauten den eigentlichen Schlüssel dazu. Ihr Genuß über den Streich war vollständig, denn bald kam auch Lord Muskerry, noch ganz erschrocken über die von Grammont geschilderte Erscheinung. Er meldete der Hamilton, es sei seine Gemahlin höchst persönlich und überspannter als je, er habe die größte Mühe gehabt, sie durch eine Schildwache an ihrer Zimmertür an das Haus zu bannen. Vielleicht sind wir aber zu lange bei diesen Dummheiten geblieben. Gehen wir zu andern Dingen über.

Viele Umstände begünstigten Grammont bei seiner neuen Leidenschaft. Zwar hatte er auch Mitbewerber, blieb aber seltsamerweise diesmal ruhig, denn er wußte, wes Geisteskind sie waren und wie Miß Hamilton dachte.

Unter ihren Anbetern war der Herzog von York der Bedeutendste, obgleich er es am wenigsten zeigte; doch verbarg er es umsonst. Der Hof kannte seine Art zu gut, um diese Neigung zu übersehen. Der Herzog hütete sich, Absichten auszusprechen, die die Hamilton nicht hätte anhören dürfen. Aber er unterhielt sich so oft mit ihr, als er konnte, und verschlang sie mit seinen Blicken. Sein Hauptvergnügen, die Jagd, beschäftigte ihn einen großen Teil des Tages; gewöhnlich kam er von ihr sehr ermüdet zurück, doch Miß Hamiltons Anwesenheit frischte ihn auf, wenn er sie bei der Königin oder bei seiner Gemahlin antraf. Von seiner Liebe wagte er dort nicht zu sprechen; so unterhielt er sie mit dem, was er im Kopf hatte, erzählte ihr Wunder von der Schlauheit der Füchse, der Schnellheit der Pferde, von Arm- und Beinbrüchen und anderen seltsamen, ergötzlichen Dingen; seine Blicke sagten dann das übrige, bis ein sanfter Schlummer grade im besten Kokettieren das Gespräch zu Ende führte.

Die Herzogin war über diese Neigung, die die Hamilton keineswegs ernst nahm, sondern bei allem Respekt ins Komische zog, nicht beunruhigt. Da die Fürstin sie mit Liebe und Achtung behandelte, schenkte ihr das Fräulein nur um so mehr Verehrung.

Die beiden Russell (Onkel und Neffe) waren andere Rivalen Grammonts. Der Onkel war gewiß sechzig Jahre alt. Zur Zeit der Bürgerkriege hatte er sich durch Mut und Treue ausgezeichnet. Seine Neigung sprach er zugleich mit seinen Absichten auf die Miß deutlich aus, machte aber weniger Aufwand, als es sonst bei Bewerbungen üblich ist. Die komische Mode der hohen spitzen Hüte war vor kurzem abgekommen und auf die entgegengesetzte Form übergegangen. Um den Sturz von einem Extrem ins andere zu vermeiden, wollte der Onkel einen Mittelweg einschlagen, dessen Form ihn gerade sehr auffallend machte. Noch mehr ließ ihn seine Anhänglichkeit an die spanische Tracht abstechen, die er lange beibehielt, obwohl sie schon längst aus der Mode war. Seine typischeste Charaktereigenschaft war eine Mischung von Geiz und Freigebigkeit, die infolge seiner Liebe zur Hamilton stets miteinander im Kampf waren.

Der Neffe war damals der jüngste in der Familie und das Vermögen seines Onkels war ihm zum Teil zugesagt. Wenn der junge Mann auch auf den Onkel Rücksicht zu nehmen hatte, um die Erbschaft nicht zu verlieren, konnte er seinem Schicksal bei der Hamilton nicht entgehen. Zwar zeichnete ihn die Middleton deutlich aus, aber ihre Gunst konnte ihn vor dem Zauber der Miß Hamilton nicht bewahren. Seine Gestalt wäre sympathisch gewesen, wenn er sich einfach und natürlich benommen hätte, aber er tat so stark gekünstelt und schweigsam, daß man bei seinem Anblick melancholisch werden konnte; noch langweiliger wurde er, wenn er sprach.

Wegen seiner Konkurrenten vollkommen beruhigt, vertiefte sich Grammont immer mehr in sein Verhältnis, ohne zunächst andere Hoffnungen oder Absichten zu zeigen, als daß er sich bemühte, sich so angenehm als möglich zu machen. Als man bei Hof seine Leidenschaft merkte, wurde sie einfach als eine dem Verdienst dargebrachte Huldigung angesehen. Ganz anders urteilte sein Freund der Philosoph, als er, neben Verdoppelung der Ausgaben und doppelter Sorgfalt in der Toilette auch bemerkte, daß Grammont den Spieltisch vernachlässige und die langen angenehmen Unterhaltungen mit Evremond zu meiden begann, die sie sonst miteinander hatten. Er fand den Chevalier durch seine Neigung ganz entfremdet.

»Freund,« sagte er zu ihm, »mir scheint, Sie lassen die Schönheiten der Stadt und ihre Verehrer seit einiger Zeit ganz in Ruhe. Die Middleton macht ungestraft neue Eroberungen und Sie dulden ohne geringsten Ärger, daß sie mit ihren Geschenken andere anlockt. Die arme Warmestrée entbindet mitten im Hof und Sie verziehen nicht einmal den Mund. Ich hatte es vorausgesehen, Chevalier; Sie haben Miß Hamilton kennen gelernt und sind, was nie zuvor der Fall war, ernstlich verliebt. Sehen wir, was daraus werden kann. Ich meine nicht, daß Sie zunächst daran denken, sie zu verführen. Durch Geburt und eigenen Wert steht sie so da, daß, wenn Sie im Besitz der Würden und Güter Ihres Hauses wären, Sie ihr ohne weiteres mit ernsten Absichten nahen dürften, so lächerlich der Ehestand auch sein mag; wenn Sie nur Geist, Tugend und Schönheit suchen, können Sie nicht zugleich besser und schlimmer wählen; weil Ihr Bruder von Toulongeon, wie ich ihn kenne, Euch nicht den Gefallen tun wird, zu sterben, um Eure Absichten zu fördern.

Aber setzen wir den Fall, Sie hätten das nötige Vermögen für euch beide; – und das will viel sagen, – kennen Sie denn die hochgespannten, um nicht zu sagen, die überspannten Erwartungen dieses Fräuleins? Wissen Sie, daß sie die ersten Partien Englands ausgeschlagen hat? Der Herzog von Richmond hielt zuerst um ihre Hand an; so verliebt er aber war, zeigte er sich doch nicht uneigennützig. Als der König sah, daß ihm nur an dem Vermögen lag, wollte er dieses Manko ersetzen, und zwar aus Rücksicht auf den Herzog von Ormond und die Familie der Hamilton, deren Vater ihm bedeutende Dienste geleistet. Aber die junge Dame, über das Feilschen des angeblich Verliebten und seinen Ruf als brutaler Wüstling entrüstet, hielt es nicht der Mühe wert, Herzogin von Richmond zu werden. Ist nicht auch der kleine Jermyn, trotz der Aussichten auf das kolossale Vermögen seines Onkels und ungeachtet seines glänzenden Rufes, ebenfalls durchgefallen? Hat Henry Howard, der erster Herzog in England sein wird und sämtliche Güter des Hauses Norfolk besitzt, nur einen Blick von ihr gewinnen können? Sie werden sagen, daß er ein Dummkopf ist; ich gebe das zu; aber welches andere Mädchen nähme seine Borniertheit und sein uninteressantes Gesicht nicht in Kauf, wenn es sich darum handelt, mit 300+000 Francs Einkommen erste Herzogin des Reiches zu werden?

Zum Schluß endlich hat Lord Falmouth mir selbst gesagt, er würde ihre Hand als höchstes Glück ansehen, aber trotz seiner glänzenden Stellung habe er nicht gewagt, ihr seine Gefühle zu erklären; er besitze zu viel Stolz oder zu viel Schwäche, sie nur der Einwilligung ihrer Familie zu verdanken, und wenn auch die erste Zurückhaltung bei schönen Frauen nicht viel bedeute, wisse er doch recht gut, wie sie Unwillkommene empfange.

Nach alledem, Chevalier, sehen Sie zu, was Sie jetzt anfangen wollen; denn Sie sind verliebt, werden es immer mehr und je stärker Sie es sind, desto weniger werden Sie imstande sein, Erwägungen anzustellen, für die Sie jetzt noch empfänglich sind.«

»Mein armer Philosoph,« erwiderte Grammont, »du kannst Lateinisch, machst Verse und kennst den Lauf und die Natur der Sterne am Himmel, – von den irdischen Gestirnen verstehst du aber so gut wie gar nichts. Über Miß Hamilton hast du mir gar nichts mitgeteilt, was mir der König nicht schon vor zwei oder drei Tagen gesagt hätte. Desto besser, wenn sie die Lümmel, von denen du sprichst, zurückgewiesen hat. Hätte sie jene Barbaren gemocht, so wollte ich von ihr nichts wissen, so sehr ich sie auch liebe. Höre mich an. Ich habe mir vorgenommen, sie zu besitzen und ich bestehe darauf, daß mein Mentor Saint-Evremond selbst mir zuerst dazu Glück wünsche. Was unsere künftige Existenz anbelangt, so werde ich mich mit dem König wieder aussöhnen und ich bitte ihn dann um die Stellung einer Palastdame für meine Frau. Er wird sie mir gewähren. Toulongeon mag leben oder sterben, ohne daß es mich kümmert, und Miß Hamilton wird mit dem Chevalier Grammont Séméat besitzen, zur Entschädigung für die Herzöge von Norfolk und Richmond. Nun, hast du etwas gegen den Plan einzuwenden? Denn ich wette hundert Louisdor, es wird geschehen, wie ich sage.«


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