Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Sie waren Zierden des französischen Richter- und Soldatenstandes. Der eine war der Marquis von Flamarens, der traurige Gegenstand der weinerlichen Elegien der Gräfin de la Suze, der andre der Präsident Tambonneau, der demütige, gehorsame Knecht und Schäfer der schönen Luynes. Zu gleicher Zeit taten sie ihr mögliches, um durch und miteinander zu glänzen. Ihre Gaben waren so verschieden wie ihr Äußeres. Ziemlich häßlich, stützte Tambonneau seine Hoffnungen auf sehr viel Geist, den man an ihm nicht entdecken konnte; und Flamarens forderte durch Gestalt und Miene eine Bewunderung, die man ihm kurzweg verweigerte.

Sie waren übereingekommen, sich gegenseitig zu unterstützen, um zum Ziel zu gelangen. Deswegen blieb bei den ersten Besuchen der eine stumm, während der andere das Wort führte. Aber sie fanden bei den englischen Damen nicht den Anklang, wie vor kurzem bei den Französinnen. Die Redekunst des einen erblich bei dem schönen Geschlecht und die hübsche Gestalt des anderen trat nur im Menuett hervor, das er in England einführte und mit ziemlichem Erfolg tanzte. An diesem Hofe war man zu sehr an den Geist eines Saint-Evremond und an die frische, originelle Anmut seines Helden gewöhnt, um sich durch künstlichen Schein gewinnen zu lassen. Da aber die Engländer im allgemeinen eine entschiedene Vorliebe für alles haben, was nur irgendwie nach Gladiatorenbravour schmeckt, so war man wegen eines Duells, das ihn aus seinem Vaterlande verbannt hatte und ihm hier als Empfehlungsbrief diente, etwas für Flamarens voreingenommen.

Zuerst hatte Miß Hamilton die Ehre, von Tambonneau ausgezeichnet zu werden, er meinte, sie besitze den nötigen Geist, um die Feinheit des seinigen zu entdecken; entzückt, daß von seiner Unterhaltung weder Redewendungen noch Ausdruck oder Gedankentiefe verloren gehe – erzeigte er ihr oft die Gnade, mit ihr zu plaudern, und wäre vielleicht nie gewahr worden, daß er sie eigentlich langweile, wenn er bei bloßer Entfaltung seiner Beredsamkeit stehengeblieben wäre. Aber er ließ es sich einfallen, ihr Herz zu belagern. Das hieß, von der Gefälligkeit Miß Hamiltons zu viel verlangen, sie meinte deshalb, sie habe schon seinen Redefloskeln allzu große Nachsicht bewiesen. Man bat ihn, den Versuch mit seinen verführerischen Phrasen anderwärts zu machen und das Verdienst einer bisher unverletzten Anhänglichkeit an die Damen Frankreichs nicht durch eine ganz vergebliche Untreue aufs Spiel zu setzen.

Als kluger und gelehriger Mann folgte er diesem Rat und kehrte bald zu seinen früheren Fesseln nach Frankreich zurück; dort sammelte er politischen Vorrat für jene wichtigen Staatsverhandlungen, an denen er seitdem teilgenommen hat.

Zu dieser Zeit verliebte sich der öfter erwähnte Talbot, später zum Herzog von Tyrconnel erhoben, in Miß Hamilton. Es gab am Hofe keinen stattlicheren Mann. Er war nur der jüngere Sohn aus einer allerdings sehr alten, aber durch Glanz und Reichtum nicht hervorragenden Familie. Allein, so ungebunden und locker er sonst auch schien, so war er doch auf sein Fortkommen sehr bedacht, stand hoch in der Gunst des Herzogs von York, hatte dessen Gnade gut benutzt und überdies im Spiel Glück gehabt. Mit allen diesen Mitteln war er zu einem Grundbesitz von vierzigtausend Livres jährlichen Einkommens gelangt. Diese, mit der sicheren Aussicht, zum Pair des Reiches ernannt zu werden, vereint, bot er Miß Hamilton bei der Bewerbung an; außerdem stellte er ihr so viel Briefe, Porträts und Haargeflechte von Lady Shrewsbury zur Verfügung, wie sie zu haben wünschte. Dergleichen Raritäten haben zwar für den Ehestand keinen Wert; aber sie belegten seine Leistungsfähigkeit im Punkt der Liebe.

Dieser Nebenbuhler war nicht zu übersehen und der Chevalier Grammont fand ihn für seine Herzenssache umso gefährlicher, als Talbot wirklich leidenschaftlich verliebt und nicht der Mann dazu war, sich mit einem Korb gleich zurückzuziehen oder durch ungeschicktes Werben Verachtung und Kälte zu erwecken. Überdies fingen dessen Brüder an, das Haus der Hamilton zu besuchen. Von diesen war der eine Almosenier der Königin, ein ränkevoller Jesuit und großer Ehekuppler; der andere, ein sogenannter Weltgeistlicher, besaß nur die Ausschweifungen und den sohlechten Ruf seiner ganzen Klasse; im übrigen war er freimütig, ziemlich unterhaltend, hatte aber die Eigenschaft, verletzende Wahrheiten zu sagen und mitunter gute Dienste zu leisten.

Nach Ansicht des Chevaliers Grammont lag in all diesen Dingen viel Beunruhigendes. Miß Hamiltons Gleichgültigkeit gegen die Werbungen des Rivalen war nicht imstande, ihn einzulullen. Denn sie konnte nur für ihre persönliche Gesinnung in Anschlag kommen und hing sonst ganz von der ihrer Familie ab. Das Glück schien ihn jedoch in England unter seinen Schutz genommen zu haben und befreite ihn bald von dieser neuen Sorge.

Seit längerer Zeit hatte sich Talbot zum Beschützer der unterdrückten Irländer aufgeworfen. Dieser Eifer für das Wohl seines Volkes war anerkennungswert, doch nicht ganz uneigennützig. Er hatte von allen, denen sein Einfluß wieder zu ihrem Güterbesitz verholfen, sich kleine Vergütungen erpreßt; da aber beide Teile ihre Rechnung dabei fanden, so klagte niemand darüber.

Wenn aber Glück und Gunst alle Unternehmungen eines Menschen krönen, hält er selten Maß. Sein Benehmen war das eines Mannes, der sich unabhängig fühlt, und das verletzte das Ansehen des damaligen Vizekönigs von Irland, des Herzogs von Ormond. Dieser ließ ihm ziemlich stolz sagen, daß er das nicht dulden könne. Gewiß war ein Unterschied zwischen der Bedeutung und der Stellung beider. Für Talbot wäre Fügsamkeit und Unterwerfung die passendste Rolle gewesen. Da ihm das aber nicht ehrenvoll schien, spielte er den Stolzen und – befand sich nicht wohl dabei. Denn als er sich durch einige Äußerungen, die sich für ihn nicht schickten und die der Herzog von Ormond nicht überhören durfte, begangen hatte, steckte man ihn in den Tower. Hier sah er freilich keine andere Möglichkeit freizukommen, als durch volle Abbitte beim Herzog. So bot er denn den Einfluß seiner Freunde auf und tat alles, um sein Schicksal zu ändern. Durch dieses Zerwürfnis büßte er aber alle Hoffnung auf eine künftige Verbindung mit einer Familie ein, die sich seitdem wohl hütete, seine Werbungen zu beachten.

Er mußte sich etwas Gewalt antun, um sofort eine Leidenschaft zu besiegen, die in seinem Herzen größere Fortschritte gemacht, als das Zerwürfnis ihm in seiner Stellung geschadet hatte. Er hielt deshalb seine Rückkehr nach Irland für unumgänglich notwendig; auf Miß Hamiltons Hand war alle Aussicht geschwunden, wenn auch die Neigung zu ihr seine Ruhe noch immer störte. Die Abreise folgte seinem Entschluß auf dem Fuß.

Er spielte hoch und war ziemlich zerstreut. Am Vorabend seiner Einkerkerung hatte der Chevalier Grammont ihm drei- bis vierhundert Guineen abgewonnen. Durch die Gefangennehmung war ihm der Brauch, am nächsten Morgen zu zahlen, so sehr aus dem Gedächtnis entschwunden, daß er selbst nach der Freilassung nicht daran dachte. Da Grammont nun sah, er werde abreisen, ohne seine Schuld zu bezahlen, so meinte er, er müsse ihm eine glückliche Reise wünschen. Er traf ihn beim Herausgehen aus dem Zimmer des Königs, bei dem jener sich Verabschiedet hatte, und sagte: »Talbot, wenn Sie während Ihrer Abwesenheit meiner Dienste hier bedürfen sollten, brauchen Sie es nur zu sagen. Wie Ihnen bekannt, hat der alte Russell seinen Neffen William hier gelassen, um sein Interesse bei Miß Hamilton zu vertreten; wenn Sie es wünschen, will ich das Ihrige wahrnehmen. Adieu, glückliche Reise! Werden Sie unterwegs nicht etwa krank; sollte es aber der Fall sein, so denken Sie meiner in Ihrem Testament.« – Talbot, der erst durch diese Worte an seine Schuld erinnert wurde, brach in lautes Lachen aus, umarmte ihn und sagte: »Mein lieber Chevalier, ich bin Ihnen für Ihr Anerbieten so dankbar, daß ich Ihnen meine Geliebte lasse und Ihnen Ihr Geld schicken werde.«

Der Chevalier besaß von taktvollen Mitteln, das Gedächtnis Zahlungssäumiger ein wenig aufzufrischen, einen ganzen Vorrat. So benahm er sich zum Beispiel später einmal Lord Cornwallis gegenüber in folgender Weise: Dieser Lord hatte die Tochter des Schatzmeisters des königlichen Hauses, Fox, des reichsten und pünktlichsten Mannes in England geheiratet. Sein Schwiegersohn dagegen war ein verschwenderischer Patron, der so viel verspielte, als man nur wünschen konnte, dabei aber nicht nach Wunsch bezahlte. Weit entfernt, sein Betragen zu billigen, machte der Schwiegervater die Fehler des Lords durch Zahlung bald wieder gut. Grammont hatte ihm etwa tausend bis zwölfhundert Guineen abgewonnen. Aber sie gingen, obgleich er vor seiner Abreise von Lord Cornwallis vor allen andern Abschied genommen, nicht ein. Das veranlaßte ihn, folgendes, gewiß lakonisches Billett zu schreiben:

»Mylord!

Behalten Sie den Grafen Grammont in geneigtem Andenken und vergessen Sie nicht den Ritter Fox.«

Wir kehren zu Talbot zurück. Er schien bewegter als ein Mensch, der auf seine Geliebte verzichtet bat, eigentlich sein sollte. Der Aufenthalt in Irland und die Beschäftigung mit dem Ordnen seiner Angelegenheiten kurierte ihn nicht ganz; denn als er bei der Rückkunft von den Fesseln der Miß Hamilton frei war, verfiel er der Gewalt einer anderen. Der Personenwechsel an beiden Höfen schuf bei ihm diesen Wandel. Wir wollen sehen, wie.

Von den Fräulein der Königin haben wir bis jetzt nur Miß Stewart und Miß Warmestré näher erwähnt. Die anderen waren Miß Bellenden, Mademoiselle de la Garde und Mademoiselle Bardou, sämtlich, nach des Himmels Willen, Ehren-Fräulein. Miß Bellenden war keine Schönheit. Sie war ein gutmütiges Geschöpf; üppige Fülle und etwas Frische mußten bei ihr andere Mängel ersetzen, und da sie nicht den geschickten Takt einer regelrechten Kokette besaß, so tat sie ihr möglichstes, durch ihre Zuvorkommenheit alle zufriedenzustellen. Mademoiselle de la Garde und Mademoiselle Bardou, beide Französinnen, waren durch die Königinmutter angestellt worden. Die erste, eine kleine schwarzbraune Person, mischte sich in die Angelegenheiten ihrer Kolleginnen, die zweite wollte um jeden Preis in die Klasse der Hofdamen aufgenommen werden, obgleich sie eigentlich nur bei ihnen wohnte und ihr die Ansprüche auf eine Hoffunktion stets bestritten wurden.

Kaum ließ sich bei einem so reizenden Wuchs ein häßlicheres Gesicht denken. Dieser Kontrast wurde noch durch alle mögliche Kunst gehoben. Sie mußte häufig mit Flamarens tanzen und führte mitunter zu Ende eines Balles, mit Kastagnetten und Keckheit ausgerüstet, eine kunstvolle Sarabande auf, die den Hof zum Lachen brachte. Sehen wir, was aus alledem wurde.

Da Miß Stewart bei der Königin nur selten Dienst tat, wurde nicht mehr auf sie gerechnet. Die anderen verschwanden fast zur selben Zeit infolge verschiedener Abenteuer. Wir geben das der Miß Warmestré, die bereits im Zusammenhang mit Grammont erwähnt wurde.

Der älteste Sohn des Earl von Carlingfort, Lord Taafe, hatte sich eingebildet, er sei in sie verliebt und Miß Warmestré hielt es nicht nur für wahr, sondern zweifelte nicht daran, daß er sie bei erster Gelegenheit heiraten werde; vorläufig hielt sie es aber für ihre Pflicht, ihm bestens entgegenzukommen. Der Lord hatte dem Herzog von Richmond seine Sache anvertraut. Beide waren sehr einander, noch mehr aber dem Wein zugetan. Trotz seiner Geburt spielte der Herzog von Richmond bei Hofe keine sonderliche Rolle und der König hielt von ihm noch weniger als die Höflinge. Wahrscheinlich, um sich mehr in des Fürsten Gunst zu setzen, verfiel er darauf, sich in Miß Stewart zu verlieben. Zwischen dem Herzog und Lord Taafe wurden denn auch die neuen Herzensangelegenheiten verhandelt. Sie entwarfen folgenden Plan.

Die kleine de la Garde wurde angewiesen, Miß Stewart zu sagen, der Herzog von Richmond vergehe vor Liebe zu ihr, und jedesmal, wenn er sie in Gesellschaft mit Blicken verfolge, wolle er damit sagen, er sei bereit, sie zu heiraten, sobald sie dazu aufgelegt wäre.

Lord Taafe hatte der kleinen Gesandtin von sich keine Botschaft anzuvertrauen; zwischen ihm und Miß Warmestré war alles in bester Ordnung; doch sollte sie sich gewisse Erleichterungen für die Freiheit ihres Verkehrs schaffen, zum Beispiel, daß er sie zu allen Stunden des Tages und der Nacht besuchen könne. Das schien etwas schwierig, aber man kam zum Ziel.

Um nichts in der Welt hätte die Gouvernante der Fräulein ihre Aufseherrolle anders als in Zucht und Ehren gespielt; doch gestattete sie, daß bei Miß Warmestré nach Belieben soupiert wurde, versteht sich: in ihrem Beisein und ehrbaren Absichten. Die gute Dame liebte frische Austern und verachtete auch spanische Weine nicht. Sie fand also regelmäßig bei jeder Mahlzeit zwei Fäßchen Austern, das eine zum gemeinsamen Mahl, das andere zum Mitnehmen. Wenn sie ihr gehöriges Quantum Wein genossen hatte, empfahl sie sich.

Ungefähr um die Zeit, da der Chevalier Grammont die Augen auf Miß Warmestré geworfen hatte, führte man ein heiteres Leben auf ihrem Zimmer. Der Himmel weiß, wie viele Schinkenpasteten, Flaschen Wein und andere Dinge auf seine Kosten dort vertilgt wurden.

Inmitten dieser nächtlichen Gelage und gerade während dieses harmlosen Verkehrs kam ein Verwandter von Killegrew eines Prozesses wegen nach London. Er gewann ihn, hätte aber dabei fast den Verstand verloren.

Es war ein Landedelmann, seit sechs Monaten Witwer und Herr von fünfzehn- bis sechzehntausend Livres jährlichen Einkommens. Der arme Mann, der eigentlich bei Hofe nichts zu tun hatte, besuchte dort seinen Vetter Killegrew, der mit seiner Visite eigentlich auch nichts anzufangen wußte. Dort traf der Angekommene Miß Warmestré und verliebte sich in sie auf den ersten Blick. Das Übel nahm so sehr zu, daß er weder Tag noch Nacht Ruhe hatte und zum äußersten Mittel greifen mußte, das heißt, eines Morgens besuchte er seinen Vetter Killegrew, entdeckte ihm seine Lage und bat ihn dringend, in seinem Namen um Miß Warmestré anzuhalten.

Killegrew glaubte aus den Wolken zu fallen, als er die Absicht vernahm. Er konnte sich vom Erstaunen gar nicht erholen, daß der Cousin unter allen Londoner Schönen gerade dies Mädchen zu seiner Frau zu machen beschloß. Eine Zeitlang wollte er es gar nicht glauben; als er aber sah, es sei sein voller Ernst, zählte er ihm die Bedenklichkeiten und Gefahren auf, die mit einem so gewagten Unternehmen verknüpft wären. Er stellte ihm vor, ein am Hofe gebildetes Mädchen sei für das Land ein schreckliches Unding. Es hieße seine idyllische Ruhe durch den Lärm der Hölle stören, wenn er sie gegen ihre Einwilligung aufs Land führen wolle; wenn er aber schwach genug sei, sie in der Stadt zu lassen, so brauche er nur einen kleinen Überschlag zu machen, wie viel ihrer Laune nach für Equipage, Tafel, Kleider und Spiel draufgehen würde; er habe nur zu überlegen, wie weit seine fünfzehntausend Livres dann reichen könnten.

All das hatte sein Vetter schon in Betracht gezogen; aber seine Leidenschaft war stärker als sein Verstand und er beharrte bei seinem Entschluß. Auf seinen Wunsch ging Killegrew, ihn an Haupt und Füßen gebunden der siegreichen Warmestré anbieten. Weil er nichts so sehr fürchtete, wie ihre Einwilligung, so setzte ihn die Verachtung, mit der sie den Vorschlag aufnahm, in größtes Erstaunen. Ihr Stolz bei der Zurückweisung ließ ihn glauben, sie halte ihre Verbindung mit Lord Taafe für vollkommen gesichert, und er wunderte sich von neuem, daß ein solches Dämchen zwei Männer zu ernster Bewerbung verleitet habe. Er beeilte sich, den Korb in verletzendster Form zu überbringen, weil er glaubte, dies sei die heilsamste Kur für seinen schmachtenden, unglücklichen Vetter.

Aber der Cousin war damit nicht zufrieden. Er dachte, Killigrew verberge die Wahrheit aus den angeführten Gründen, und beschloß, weil er mit ihm nicht mehr darüber zu sprechen wagte, selbst zu ihr zu gehen. Für diesen Schritt raffte er all seinen Mut zusammen und studierte seine Anrede; doch kaum hatte er den Mund geöffnet, als sie ihm sagte, er hätte sich die Mühe sparen können, auf ihr Zimmer zu kommen, um von einer albernen Sache zu reden, über die sie Herrn Killegrew schon ihre Meinung gesagt; sie hätte ihm lebenslänglich keine andere Antwort zu erteilen. Dies wurde mit aller Härte, wie man sie Zudringlichen zeigt, gesprochen.

Seine Betrübnis war noch größer, als seine Überraschung. Ganz London wurde ihm verhaßt, er sich selbst am meisten. Er reiste ab, ohne seinen Vetter zu sehen, gelangte auf seinen Landsitz, und weil er ohne die Grausame nicht leben zu können glaubte, beschloß er, sein möglichstes zu tun, um zu sterben.

Während er sich aber, um seinem Schmerz nachzuhängen, der Gesellschaft seiner Pferde und Hunde, das heißt den liebsten Genüssen eines Landedelmannes entzog, nahm die stolze Warmestré, offenbar in der Zeitrechnung getäuscht, sich die Freiheit, mitten am Hofe niederzukommen.

Ein so öffentlicher Vorfall machte, wie man sich denken kann, nicht geringes Aufsehen. Die ganze prüde Sippschaft des Hofes entfesselte ihre bösen Zungen; am lautesten schrien die nach Genugtuung, die weder durch Jugend noch Reize imstande waren, solchen Anstoß zu geben. Die Gouvernante der Fräulein jedoch, die zunächst zur Rechenschaft gezogen werden sollte, versicherte, es sei nichts; sie besitze Mittel, den bösen Zungen Schweigen zu gebieten. Die Königin wurde um eine Audienz ersucht, um die Erklärung für dieses sonderbare Geheimnis anzuhören, und die Duenna setzte auseinander, wie die Sache sich mit ihrer Einwilligung zugetragen, das heißt, in allen Züchten und Ehren.

Die Königin ließ Lord Taafe fragen, ob er Miß Warmestré als seine Frau anerkenne. Er entgegnete hochachtungsvoll, er anerkenne weder Miß Warmestré noch ihr Kind, er wundere sich, wie man ihm eher als einem anderen diese Ehre zuweise. Mehr über diese Antwort entrüstet, als über den Verlust eines solchen Liebhabers betrübt, verließ die unglückliche Warmestré schleunig den Hof mit dem Entschluß, der Welt bei erster Gelegenheit Lebewohl zu sagen.

Im Begriff, eine Reise anzutreten, als das Ereignis stattfand, glaubte Killigrew, es wäre nicht übel, wenn er einen Abstecher nach dem Landsitz seines trostlosen Vetters mache, um ihm diese Nachricht mitzuteilen. Ohne dessen zärtliche Gefühle zu berücksichtigen, meldete er ihm, sobald er ihn erblickt hatte, kurz und bündig die Neuigkeit. Dabei wurden keine Farben gespart, um ihn zu Scham und Entrüstung zu reizen.

Man kennt die Sage, wie der Ritter Toggenburg bei dem Bericht vom Tode seiner Holden sanft erblaßte und starb. Killegrews zärtlicher Vetter hingegen warf sich fromm auf die Knie, hob die Augen zum Himmel und sprach:

»Der Herr sei gelobt für das kleine Unheil, das vielleicht das Glück meines Lebens machen wird! Wer weiß, ob die schöne Warmestré mich jetzt nicht nimmt und ob ich nicht am Ende die Freude haben werde, meine Tage mit einer angebeteten Frau zuzubringen, von der ich Erben hoffen kann?« – »Gewiß!« rief Killigrew, weit mehr überrascht, als er den anderen zu finden erwartete. »Ihr könnt auf beides rechnen. Ich zweifle nicht, daß sie Euch die Hand reichen wird, sobald sie wieder auf den Beinen ist, und es wäre schändlich von ihr, da sie so gut Kinder zu bekommen versteht, wenn sie Euch daran mangeln ließe. Vorläufig rate ich Euch, ehe andere kommen, das Neugeborene zu adoptieren.«

Wie gesagt, so geschah's, trotz dem Spott. Der treue Anbeter trachtete nach ihr, wie er nur nach der keuschen Lukretia oder schönen Helena hätte streben können. Nach der Hochzeit wuchs seine Liebe immer mehr; anfangs war die Frau durch seine Großmut gerührt, dann gewann sie ihn aufrichtig lieb. Sie gebar ihm nicht ein einziges Kind, dessen Vater er nicht gewesen wäre; nie gab es in England eine glücklichere, friedlichere Ehe.


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