Gustav Freytag
Soll und Haben
Gustav Freytag

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7

Die Herberge des Löbel Pinkus wurde durchsucht, das geheime Magazin im Nebenhause mit Beschlag belegt; und da man die Beute zahlreicher und neuer Diebstähle darin angesammelt fand, wurde der Herbergsvater selbst ins Gefängnis gesetzt. Unter den gefundenen Gegenständen war auch die leere Kassette des Freiherrn; in einem verschlossenen Schrank der geheimen Höhle lagen zusammengepackt die Ehrenscheine des Freiherrn und die beiden Hypothekeninstrumente über die ersten und die letzten zwanzigtausend Taler der Gutsschulden. In der Wohnung des Agenten Itzig fand sich ein Dokument, in welchem Pinkus versicherte, daß Veitel Itzig Eigentümer der ersten Hypothek sei. Der harte Sinn des Pinkus wurde durch die Untersuchungshaft erweicht; er gestand, was zu leugnen für ihn nicht mehr von Nutzen war, daß er nur im Auftrage des Ertrunkenen dem Freiherrn das Geld gezahlt und daß dieser in der Tat von Itzig nicht mehr als zusammen ungefähr zehntausend Taler erhalten habe. So gewann der Freiherr auch sein Anrecht auf die Hälfte der ersten Hypothek zurück.

Pinkus wurde zu langer Gefängnisstrafe verurteilt. Die stille Herberge ging ein, und Tinkeles, der das zweite Hundert gleich nach Itzigs Tode von Anton gefordert hatte, trug fortan sein Bündel und seinen Kaftan in einen andern Schlupfwinkel. Sein Gefühl für die Handlung erhielt durch die letzten Ereignisse eine Wärme, welche die Handlung veranlaßte, ihm gegenüber ungewöhnliche Vorsicht zu beobachten und einige große Geschäfte zurückzuweisen, die er jetzt durchaus mit ihr unternehmen wollte. Die natürliche Folge dieser Kälte war, daß Tinkeles um so höhere Achtung vor der Klugheit des Geschäfts erhielt und fortfuhr, dem Kontor seine Besuche zu gönnen, ohne daß eine neue kühne Spekulation das gute Verhältnis unterbrach. Das Haus des Pinkus wurde verkauft, ein ehrlicher Färber zog hinein, und von der Galerie, an welcher einst die hagere Gestalt des jungen Veitel gelehnt hatte, hing jetzt blau und schwarz gefärbtes Garn hinunter bis in die trübe Flut.

Nach langen Verhandlungen mit dem Anwalt und der gedrückten Familie Ehrenthals empfing Anton im Wege des Vergleichs die Ehrenscheine und die letzte Hypothek gegen Zahlung der zwanzigtausend Taler zurück.

Unterdes kam der Versteigerungstermin des Familiengutes heran. Noch vor dem Tage suchte ein Kauflustiger Anton auf, und Anton traf mit ihm, unter Zuziehung seines Rechtsbeistandes und mit Einwilligung des Freiherrn, das Abkommen, daß der Käufer wenigstens eine Kaufsumme zu bieten habe, welche dem Freiherrn auch die letzte für Ehrenthal ausgestellte Hypothek rettete. Bei dem noch immer niedrigen Güterpreise war eine höhere Verkaufssumme für das Gut nicht zu hoffen, und im Termin, dessen Ende Anton in großer Spannung abwartete, erstand der neue Käufer in der Tat das Gut zu dem vorher besprochenen Preise.

Am Tage nach dem Verkauf schrieb Anton der Baronin, er übersandte ihr die Schuldscheine des Freiherrn und seine Vollmacht. Er siegelte den Brief mit dem frohen Gefühl, daß er aus all der Verwirrung für Lenore doch ein Erbteil von ungefähr dreißigtausend Talern gerettet hatte.

Auf dem Dach des Starostenhauses lag wieder der weiße Schnee, und die Krähen drückten die Spuren ihrer Füße hinein. Das glänzende Festkleid des Winters war über Flur und Wald ausgebreitet, in tiefem Schlaf lag die Erde, kein Schäferhund bellte auf den Feldern, das Ackergerät stand untätig in einem Schuppen des Hofes. Und doch war auf dem Gut ein heimliches Leben sichtbar, und über den weiten Hofraum eilten geschäftige Arbeiter mit Zollstab und Säge. Der Boden in dem Wirtschaftshof war uneben, denn der Grund für neue Gebäude wurde ausgegraben, und in den Stuben und sogar draußen im Sonnenschein arbeitete eine Schar Handwerker aus der Stadt, Zimmerleute, Tischler und Stellmacher. Lustig pfiff der Gesell sein Lied bei der Arbeit, und die gelben Späne flogen weit in den Hof hinein. Es war eine neue Kraft auf dem Gute sichtbar und ein neues Leben, und wenn das Frühjahr kommt, wird eine Schar Arbeiter sich über den polnischen Grund verbreiten und den ausgeruhten Boden zwingen, emsiger Arbeit Früchte zu tragen.

In seiner warmen Stube saß Vater Sturm auf der Schnitzbank unter Tonnenreifen und Faßdauben, und sein Eisen arbeitete mächtig in das Eichenholz hinein. Und ihm gegenüber auf dem einzigen Polsterstuhle der Stube lehnte der blinde Freiherr, den Krückstock in der Hand, sein Ohr auf den alten Sturm gerichtet.

«Sie müssen müde sein, Sturm», sagte der Freiherr.

«Ei», rief der Riese, «mit den Händen geht es noch wie sonst. Das hier wird eine kleine Tonne für das Regenwasser, es ist bloße Kinderarbeit.»

«Auch er hat einmal in einer kleinen Tonne gesteckt», sagte der Freiherr vor sich hin. «Er war ein schwaches Kind, die Amme hatte ihn zum Baden hineingesetzt, und er hatte seinen Rücken darin gebogen und vorn die Knie angestemmt, so konnte er nicht mehr heraus. Ich mußte die Reifen der Tonne abschlagen lassen, um den Knaben aus seinem Gefängnis zu erlösen.»

Der Riese räusperte sich. «Waren es eiserne Reifen?» fragte er teilnehmend.

«Es war mein Sohn», sagte der Freiherr mit zuckendem Antlitz.

«Ja», sagte Sturm leise, «er war stattlich, er war ein hübscher Mann, es war eine Freude, zu hören, wenn sein Säbel rasselte, und zu sehen, wie er seinen kleinen Bart drehte.» – Ach, er hatte dasselbe dem blinden Vater schon oft gesagt, alle Tage mußte er es wiederholen, wenn der Freiherr ihm gegenübersaß!

«Es war des Himmels Wille», sagte der Freiherr und faltete die Hände.

«So war es», wiederholte der alte Sturm, «unser Herrgott wollte ihn zu sich nehmen, gerade als er bei seiner besten Arbeit war. Das war ehrenvoll für ihn, und kein Mensch kann schöner die Erde verlassen. Für sein Vaterland und für seine Eltern zog er in seinem Schnurrock aus, und er war siegreich und jagte die Polacken in die Felder, als der Herr seinen Namen rief und ihn unter seine eigene Garde versetzte.»

«Ich aber mußte zurückbleiben», klagte der Freiherr.

«Und mich freut's, daß ich unsern jungen Herrn noch gesehen habe», fuhr Sturm mit großer Beredsamkeit fort, «denn wie Sie wissen, war er damals unser junger Herr. Sie vertrauten meinem Karl die ganze Wirtschaft an, und so war es für mich eine Ehre, auch Ihrem Herrn Sohn ein Vertrauen zu zeigen.»

«Es war unrecht, daß er zu Ihnen kam, Geld zu borgen», sagte der Freiherr kopfschüttelnd. Und er sagte so, weil er die trostvolle Antwort Sturms schon so oft gehört hatte und sie wieder hören wollte.

Der Riese legte sein Schnitzeisen weg, fuhr sich in die Haare und bemühte sich, recht unternehmend auszusehen, als er in leichtsinnigem Tone begann: «Wissen Sie was, man muß mit einem jungen Herrn auch Nachsicht haben. Jugend will austoben. Es borgt sich mancher Geld in jungen Jahren, und vollends wenn einer einen so lustigen Rock hat mit Quasten und Silber. Wir waren auch keine Geizhälse, Herr Baron», fuhr er bittend fort und klopfte mit seinem Eisen leise an die Knie des Blinden. – «Und der Herr Offizier war sehr artig, und ich glaube, er war etwas verlegen. Und als ich ihm das Geld gab, sah ich ihm an, wie leid es ihm tat, daß er es brauchte. Ich gab's ihm um so lieber. Und als ich ihm in die Droschke half und er sich aus dem Wagen beugte, ich versichere Ihnen, da war er ganz bewegt, er griff mit beiden kleinen Händen heraus und suchte meine Faust, um sie noch einmal zu schütteln. Und wie er so dasaß, fiel das Licht der Straßenlaterne in sein Gesicht. Es war in diesem Augenblick ein freundliches liebes Gesicht, etwa wie das Ihrige und noch mehr wie das der Frau Baronin, soweit ich dies gesehen habe.»

Auch der Blinde streckte die Hände aus und suchte die Faust des Aufladers. Sturm schob die Schnitzbank fort, faßte mit seiner Rechten die Hände des Freiherrn und streichelte sie mit der Linken. So saßen beide stumm nebeneinander.

Endlich begann der Freiherr mit gebrochener Stimme: «Sie sind der letzte Mensch gewesen, der meinem Eugen Freundschaft bewiesen hat – ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von Herzen. Es ist ein unglücklicher, zerschmetterter Mann, der Ihnen das sagt. Aber solange ich noch auf dieser Erde lebe, werde ich den Segen des Höchsten für Sie erflehen. Es sollte nicht sein, daß mein Sohn mir in meinen alten Tagen den wankenden Schritt stützte, Ihnen aber hat der Himmel einen guten Sohn erhalten. Was ich von Friede und Glück für meinen armen Eugen wünschen würde, das, flehe ich zu Gott, soll Ihrem Sohne werden.»

Sturm fuhr sich über die Augen und umschloß gleich darauf wieder die Hände des Freiherrn. So saßen die Väter wieder stumm nebeneinander, bis der Freiherr sich mit einem Seufzer erhob. Behutsam faßte Sturm den Arm des Blinden und führte ihn über den Hof und Anger bis auf die Rampe des Schlosses. Jetzt ist ein Weg zu der Turmtür aufgeschüttet, er hat eine Vormauer von großen Quadersteinen, und man kann zu Fuß und zu Wagen die Turmtür erreichen. Und Sturm zieht den Draht einer Glocke, der Diener des Freiherrn eilt herzu und führt seinen Herrn die Schloßtreppe hinauf, denn das Treppensteigen wird dem Vater Sturm noch sauer.

In den Wirtschaftshof fuhr unterdes ein Wagen, Karl eilte respektvoll aus seiner Stube, der neue Gutsherr sprang herab.

«Guten Tag, Sergeant!» rief Fink. «Wie steht's im Schlosse und in der Wirtschaft? Was macht das Fräulein und die Frau Baronin?»

«Alles in Ordnung», meldete Karl, «nur mit der Frau Baronin geht's schwach. Wir erwarten Sie schon seit vierzehn Tagen. Die Herrschaften im Schloß haben alle Tage gefragt, ob keine Nachricht von Ihnen gekommen sei.»

«Ich wurde aufgehalten», sagte Fink, «und ich wäre vielleicht noch nicht zurück, aber seit dem Schneefall ist nicht mehr viel von den Gütern zu sehen. Ich habe Dobrowice gekauft.»

«Alle Wetter!» rief Karl erfreut.

«Mächtiger Boden», fuhr Fink fort, «fünfhundert Morgen Laubwald, in dem die Baumasche fast einen Fuß hoch liegt. In dem polnischen Loch daneben, das sie dort Kreisstadt nennen, fuhr das Schachervolk wie Ameisen durcheinander, als es erfuhr, daß von jetzt unser Sporn täglich über ihren Markt klirren soll. Sie aber, Amtmann, werden sich freuen, wenn Sie das neue Gut sehen. Ich habe Lust, Sie im ersten Frühjahr hinzuschicken. – Was halten Sie in der Hand? Ein Schreiben von Anton? Geben Sie her.»

Er brach den Brief hastig auf. «Ist das Fräulein im Schloß?» – «Ja, Herr von Fink.» – «Gut. Heut abend geht ein Bote zum Pastor nach Neudorf.» Mit schnellen Schritten ging er nach dem Schloß.

Lenore saß in ihrem Zimmer, um sie herum lag zerschnittene Leinwand, sie nähte. Emsig stach sie mit der Nadel in den harten Stoff, legte zuweilen die Naht auf das Knie, glättete mit dem Fingerhut und betrachtete dann mißtrauisch die einzelnen Stiche, ob sie auch klein und regelmäßig waren. Da klang auf dem Korridor der schnelle Schritt, sie sprang auf, und krampfhaft preßte ihre Hand die Leinwand zusammen. Aber sie faßte sich mit kräftigem Entschluß und setzte sich wieder zu ihrer Arbeit. Es klopfte an ihre Tür. Ein tiefes Rot stieg ihr langsam über Hals und Wange, und ihr «Herein!» gelangte kaum bis an das Ohr des Gastes. Der eintretende Fink sah sich neugierig in dem schmucklosen Raume um, an der Wand einige Kreidezeichnungen Lenorens, sonst nur der unentbehrlichste Hausrat. Das kleine Sofa aus Pantherfellen stand nicht mehr darin.

Als Fink sich vor Lenore verneigte, fragte sie in gleichgültigem Ton: «Hat was Unangenehmes Sie aufgehalten? Wir alle machten uns Sorge.»

«Ein Gut, das ich gekauft habe, verzögerte die Rückkehr. Jetzt komme ich in Eile, mich bei meiner Herrin zu melden, zugleich bringe ich Ihnen ein Paket, welches Anton für die Frau Baronin gesandt hat. Wenn das Befinden der gnädigen Frau mir erlaubt, sie zu begrüßen, wünsche ich, ihr meine Aufwartung zu machen.»

Lenore nahm den Brief. «Ich gehe sogleich zur Mutter, verzeihen Sie!» Mit einer Verbeugung suchte sie bei ihm vorbeizukommen.

Fink hielt sie durch eine Handbewegung zurück und sagte scherzend: «Ich sehe Sie hausmütterlich mit Schere und Nadel beschäftigt. Wer ist der Glückliche, für den Sie diese keilförmigen Stücke zusammennähen?»

Lenore errötete wieder. «Das ist Frauenarbeit, und ein Herr darf danach nicht fragen.»

«Ich weiß doch, der Fingerhut steht sonst nicht in Ihrer Gunst», sagte Fink gutmütig. «Ist es denn nötig, liebes Fräulein, daß Sie sich die Augen verderben?»

«Ja, Herr von Fink», erwiderte Lenore in festem Tone, «es ist nötig, und es wird nötig sein.»

«Ei, ei!» rief Fink kopfschüttelnd und setzte sich gemächlich auf eine Stuhllehne. «Glauben Sie denn, daß ich Ihre geheimen Feldzüge mit Nadel und Schere nicht schon längst gemerkt habe? Und dazu Ihr ernstes Gesicht und die wahrhaft glorreiche Haltung, mit der Sie mich dreisten Knaben behandeln. Wo ist das Katzensofa? Wo ist die brüderliche Offenheit; die ich nach unserm Vertrage erwarten durfte? Sie haben unser Abkommen schlecht gehalten. Ich sehe deutlich, mein guter Freund ist geneigt, mich aufzugeben, und zieht sich mit bestem Anstande zurück. Aber gestatten Sie auch mir die Bemerkung, daß Ihnen das schwerlich etwas nützen wird. Sie werden mich nicht los.»

«Seien Sie edelmütig, Herr von Fink», unterbrach ihn Lenore in heftiger Bewegung. «Machen Sie mir nicht noch schwerer, was ich tun muß. Ja, ich bereite mich vor, von hier zu scheiden, zu scheiden auch von Ihnen.»

«Sie weigern sich also, hier bei mir auszuhalten?» sagte Fink mit gefurchter Stirn. – «Wohlan, ich werde wiederkommen und so lange bitten, bis Sie mich erhören. Wenn Sie mir entlaufen, reise ich Ihnen nach, und wenn Sie Ihr schönes Haar abschneiden und in ein Kloster fliehen, ich sprenge die Mauern und hole Sie heraus. Habe ich nicht um Sie geworben wie der Taugenichts im Märchen um die Königstochter? Um Sie zu gewinnen, stolze Lenore, habe ich Sand in Gras verwandelt und mich selber in einen ehrbaren Hauswirt. Diese Wundertaten haben Sie verschuldet. Darum, geliebte Herrin, seien Sie gescheit und quälen Sie uns nicht durch mädchenhafte Launen.»

«Oh, ehren Sie diese Launen!» rief Lenore, in Tränen ausbrechend. «In der Einsamkeit dieser Wochen habe ich jede Stunde mit meinem Schmerz gerungen. Ich bin ein armes Mädchen, das jetzt die Pflicht hat, für ihre leidenden Eltern zu leben. Die Mitgift, welche ich in Ihre Zukunft bringen würde, heißt Krankheit, Trübsinn und Hilflosigkeit.»

«Sie irren», unterbrach sie Fink ernst. «Unser Freund hat für Sie gesorgt Er hat zwei Schurken ins Wasser gejagt und die Schulden Ihres Vaters bezahlt; dem Freiherrn bleibt ein hübsches kleines Vermögen, alle Not ist zu Ende, und Sie selbst, Trotzkopf, sind gar keine schlechte Partie, wenn Ihnen daran etwas liegt. Der Brief, den Sie in der Hand halten, vernichtet Ihre Philosophie.»

Lenore starrte auf den Umschlag und warf den Brief von sich weg. «Nein!» rief sie außer sich. «Als ich von Jammer zerrissen an Ihrem Herzen lag, damals riefen Sie mir zu, ich sollte Kraft gewinnen auch Ihnen gegenüber. Und jeden Tag fühle ich, daß ich Ihnen gegenüber keine Kraft habe, keine Überzeugung und keinen Willen. Was Sie sagen, erscheint mir wahr, und ich vergesse, was ich selbst anders gedacht; was Sie von mir fordern, das muß ich tun, widerstandslos, wie eine Sklavin. Die Frau, welche neben Ihnen durch das Leben geht, soll Ihnen ebenbürtig sein an Geist und Kraft, und sicher soll sie sich fühlen in dem eigenen Kreis. Ich bin ein ungebildetes, hilfloses Mädchen. In törichter Leidenschaft habe ich Ihnen verraten, daß ich um Ihretwillen wagen kann, was ein Weib nie wagen sollte. Sie finden in mir nichts, was Sie ehren können. Sie werden mich küssen und – werden mich ertragen.» – Lenorens Hand ballte sich, und ihre Augen flammten. So stand sie vor ihm, und ihre Gestalt erbebte in dem Kampfe von Stolz und Liebe.

«Reut Sie so sehr, daß Sie für mich eine Kugel in die Schulter des Mordgesellen sandten?» fragte Fink finster. «Was ich sehe, sieht nicht aus wie Liebe, eher wie Haß.»

«Ich Sie hassen!» rief das Mädchen und schlug die Hände vor das Gesicht.

Er nahm ihr die Hände vom Antlitz, zog sie an sich und drückte einen Kuß auf ihre Lippen. «Vertraue mir, Lenore.»

«Laß mich, laß mich!» rief Lenore sic[*]h sträubend, aber ihr Mund hing wieder heiß an dem seinen, sie umschlang ihn fest, und zu ihm aufsehend mit einem leidenschaftlichen Ausdruck von Liebe und Furcht, glitt sie zu seinen Füßen nieder.


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