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XXXVIII.

Joes Leute hörten, daß ein Fahrzeug näherkam, und senkten die Ruder.

»Wer ist da?« rief einer der beiden mißtrauisch.

»Gut Freund«, entgegnete Dan vergnügt. »Donnerwetter, haben wir Glück, daß wir hier draußen ein Boot treffen! Wir haben nämlich keine Streichhölzer bei uns. Können Sie uns eine Schachtel überlassen?«

»Nein, ich habe keine«, brummte einer der Leute.

»Ach, tun Sie doch nicht so«, sagte Dolan. »Wir möchten gern eine Zigarette rauchen.«

Inzwischen steuerte Julia das Kanu näher an das Boot heran. Dan war der einzige, den sie hätten wiedererkennen können; er schlug deshalb den Kragen seines Rockes hoch und zog den Hutrand tiefer. Er hatte den Revolver gezogen, hielt ihn aber fast auf dem Boden des Kanus.

»Bleiben Sie von uns fort, wir kennen Sie nicht!«

Dan lachte herzlich auf. »Aber seien Sie doch vernünftig. Sie sehen doch, daß ich eine Dame bei mir habe. Ich suche keine Händel.«

Der zweite der beiden Leute zog eine Taschenlampe heraus, drehte sie an und leuchtete das Kanu ab. Dan hielt die Waffe schußbereit, jedoch so, daß man sie vom anderen Boot aus nicht sehen konnte. Aber der gefährliche Augenblick ging vorüber, denn hauptsächlich lenkte Julia, die im hinteren Teil des Kanus saß, die Aufmerksamkeit der Leute auf sich. Mit einem seitlichen Ruderschlag trieb sie das Kanu näher zu dem Boot. Verwundert beobachteten die beiden, wie gewandt Julia das Paddel handhabte.

Die zwei Fahrzeuge lagen nun Seite an Seite nebeneinander. Dolan legte das Paddel einen Augenblick neben sich. Als Kanu und Ruderboot einander berührten, packte er mit der linken Hand den Rand des anderen Bootes, mit der Rechten drückte er blitzschnell dem Mann, der in seiner Nähe war, die Mündung seines Revolvers gegen die Rippen. »Nehmen sie die Hände hoch«, sagte er freundlich.

Im selben Augenblick sah der Mann, der das Kanu mit der Taschenlampe ableuchtete, daß zwei Brownings auf ihn gerichtet waren.

»Hände hoch!«

Er ließ die Taschenlampe fallen, und nun herrschte wieder Dunkelheit. Beide Männer hoben die Hände über den Kopf.

»Sie irren sich«, sagte der eine. »Wir sind arme Kerle, wir haben nichts getan!«

Das Kanu und das Ruderboot stießen zusammen. Während Dolan das Ruderboot hielt, sprang Julia, die leichteste und gewandteste der drei, hinüber. Sie wußte genau, was sie zu tun hatte. In wenigen Sekunden hatte sie den Leuten die Pistolen aus den Taschen gezogen und warf sie in das Kanu hinüber. Dann reichte sie Dolan die Ruder, der sie in dem Kanu unterbrachte.

Die beiden verstanden nicht, was vorging.

»Was soll denn das heißen?« fragten sie. »Was wollen Sie denn eigentlich von uns?«

Geübte Seeleute waren sie nicht, denn als Julia in das Kanu zurückstieg und sie erkannten, daß man sie im Wasser treiben lassen wollte, begannen sie zu jammern wie Kinder. »Sie dürfen uns doch so nicht hier zurücklassen! Wir können uns nicht helfen! Wir ertrinken!«

»Der Wind wird Sie zur Küste treiben!« erklärte Dan.

»Paddeln Sie doch mit den Händen«, schlug Dolan grinsend vor.

In ihrer Verzweiflung hielten die beiden das Kanu mit den Händen fest, aber ein paar scharfe Schläge mit den Rudern auf die Knöchel zwangen sie, es loszulassen. Julia und Dolan paddelten schnell davon. Als das Ruderboot in der Dunkelheit zurückblieb, schrien die beiden Leute um Hilfe, und die anderen hörte ihre Rufe noch lange Zeit über das Wasser hinschallen.

»Wir hätten ihnen eigentlich eins über den Kopf geben sollen«, meinte Dan. »Aber ich hasse das.«

»Ach, lassen Sie die nur«, entgegnete Dolan ruhig. »Auf dem Leichter kann man sie nicht hören, denn die Windrichtung ist anders.«

Sie warfen die Ruder ins Wasser, als sie aus der Bucht von Lloyd's Neck fuhren.

Bald konnten sie die Umrisse des Leichters erkennen, der mit dem Bug zur Bucht Anker geworfen hatte. Bordlichter brannten nicht, aber ein schwacher Schimmer kam aus der Deckenluke des Salons. Die Paddler ruhten einen Augenblick aus.

»Was willst du jetzt tun?« fragte Julia gespannt.

»Es bleibt mir nur eins übrig – ich muß an Bord gehen und mit Joe Penman verhandeln.«

»Willst du das Geld mitnehmen?«

»Nein, erst will ich sehen, ob sie Lawrence nichts getan haben.«

»Und wir?«

»Haltet euch unter dem Heck, dort seid ihr geschützt, und sie können euch mit ihrem Scheinwerfer nicht entdecken. Wenn sie mich erledigen sollten«, fuhr Dan kühl fort, »paddelt ihr am besten direkt ans Ufer zurück. Sie können euch nicht angreifen, ehe ihr aus Reichweite seid. Sie haben zwar noch ein Boot oben, aber es dauert einige Zeit, bis sie das herunterlassen können. Wenn ihr Zeit habt, könnt ihr das Kanu in den Wald bringen und dort verstecken. Aber wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt, ist es sicher ihr erster Gedanke, von hier fortzukommen.«

Julia, die hinter ihm saß, lehnte sich vor und berührte seine Wangen mit zitternden Fingern. Er nahm ihre Hand und drückte sie. Kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt.

Sie paddelten weiter.

»Wir nähern uns am besten von hinten«, flüsterte Dan.

»Wenn sie eine Bordwache haben, ist sie vermutlich vorn.«

»Legen Sie Ihr Ruder hin, Dolan«, sagte Julia leise. »Ich kann das Kanu herumbringen, ohne daß es Lärm macht.«

Geräuschlos näherten sie sich dem Heck des Leichters. Niemand war an Deck zu sehen.

Dan hatte die Schlinge von seinem Arm abgenommen, und als das Kanu unter dem überragenden Heck des Leichters Schutz suchte, stand er auf und zog sich nach oben, ohne auf die Schmerzen zu achten, die ihm diese Anstrengung verursachte.

Er nahm zwei Pistolen mit sich. Eine legte er an der hinteren Reling des Leichters nieder, wo er sie finden konnte, falls er entwaffnet werden sollte; die andere trug er in der Hand. Er kam zum vorderen Deck, ohne jemand zu begegnen, und lauschte an der Salontür, konnte aber keinen Laut von innen hören. Als er klopfte, rief Joe Penman mit lauter Stimme »Herein!«

Dan öffnete die Tür. Das strahlende Licht blendete ihn. Der Millionär und Joe Penman saßen sich gegenüber am Spieltisch. J. M. strich sein Kinn, überlegte die Möglichkeiten, die ihm seine Karten gaben, und schaute gar nicht auf. Dan folgte einer plötzlichen Eingebung, reichte über seinen Kopf und legte die Pistole auf das Kabinendach. Unbewaffnet trat er ein.

Joe fluchte und sprang so schnell auf, daß sein Stuhl umfiel. »Zum Teufel, was soll denn das bedeuten?«

Lawrence sah jetzt auf.

»Dan! Gut, daß Sie zurückgekommen sind«, sagte er mit Genugtuung.

Joe zog den Revolver.

»Erzählen Sie rasch!« befahl er und schaute hinter Dan durch die offene Tür. »Sind Sie allein?«

Dans Gesicht wurde hart, aber er zeigte auf seine leeren Hände. »Ich bin allein hier«, erklärte er. »Ich kam mit zwei Freunden, die in der Nähe warten.«

»Wieso kommen Sie hierher?« fragte Joe und fluchte wild.

»Das ist sehr einfach. Whitey und Bull hielten die Verabredung nicht ein, die wir für den Nachmittag getroffen hatten. Ich wartete eine halbe Stunde auf sie, wußte nicht, was ich machen sollte, und entschloß mich dann, selbst hierher zu kommen.«

»Woher kannten Sie diesen Platz?«

»Nun, ich wußte, daß er irgendwo in der Nähe von Long Island liegen mußte. Jeder Narr hätte das sagen können. Ich nahm also eine Maschine, stieg vom Roosevelt-Flughafen auf und suchte die Gegend von oben ab, bis ich Ihr Schiff fand.«

Joe sah plötzlich niedergeschlagen und bitter enttäuscht aus. Er war so stolz darauf gewesen, daß niemand auf seine Spur kommen konnte, und nun mußte er diese Entdeckung machen!

»Hände hoch!« knurrte er.

Dan gehorchte. Joe durchsuchte ihn, und es schien ihm verdächtig zu sein, daß der junge Mann unbewaffnet war.

»Haben Sie das Geld mitgebracht?«

»Meine Freunde haben es.«

»Wenn Sie es aufrichtig meinen, warum haben Sie es dann nicht an Bord gebracht?«

»Ich wollte mich erst vergewissern, daß Mr. Lawrence nichts geschehen war«, erwiderte Dan gelassen. »Ich mußte damit rechnen, daß Sie mich einfach niederschießen würden, und in dem Fall sollten Sie es nicht haben.«

»Kommen Sie herein!« befahl Joe.

Dan trat näher, während Joe, ohne den Blick von ihm zu wenden, um ihn herumging. Dann verschwand er nach draußen.

»Dreht den Scheinwerfer an und sucht das Wasser ab, bis ihr ein kleines Boot seht!«

Er kehrte zur Kabine zurück.

»Wenn Sie sich einen Trick erlaubt haben, soll es Ihnen noch leid tun, daß Sie mir in den Weg gekommen sind! Ich werde Sie langsam zu Tode foltern!«

»Würde ich wohl allein ohne Waffen an Bord kommen, wenn ich einen Trick vorhätte?«

»Warum rufen Sie Ihre Freunde nicht her?«

»Lassen Sie Mr. Lawrence gehen, wenn Sie das Geld haben?«

»Natürlich!« entgegnete Joe schnell.

Dan zögerte, denn er fühlte, daß der Mann nicht die Absicht hatte, sein Wort zu halten.

»Nun, was gibt es noch?« fragte Joe.

»Sie haben immer noch Verdacht«, sagte Dan. »Ich glaube, Sie nehmen an, ich habe eine Armee von Polizisten in den Wäldern verborgen oder im Boot warten lassen, damit sie über Sie herfallen, sobald Mr. Lawrence frei ist.«

»Sie haben meine Gedanken richtig erraten!« erwiderte Joe mit einem häßlichen Grinsen, dann ging er wieder hinaus.

»Habt ihr etwas gefunden?« fragte er.

»Nein.«

Joe kam zurück und maß Dan mit einem harten Blick. »Bringen Sie das Geld an Bord.«

»Ich weiß noch nicht, ob ich das tun soll.«

Sie waren an einem toten Punkt angekommen.


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