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XXVII.

Christie Lauderdale fuhr zum Pennsylvania-Bahnhof und traf in der belebten Halle Joe Penman, der dort in Begleitung dreier verwegener junger Männer auf sie wartete. Sie trugen die schmucke weiße Uniform der Jachtmatrosen.

Joe betrachtete Christie scharf und sah die leidenschaftliche Erregung und die Enttäuschung in ihren Zügen. Genugtuung zeigte sich in seinen Blicken, und er rieb seine Oberlippe, um ein Grinsen zu verbergen.

»Sie kommen ein wenig spät«, sagte er. »Ich fürchtete schon –«

»Ich sagte Ihnen doch, daß ich kommen würde – und hier bin ich.«

»Dies sind die Leute, von denen ich Ihnen erzählte – Tom, Dick und Harry.«

Die Matrosen lachten über die witzige Art, wie Joe sie vorstellte, aber Christie warf ihnen kaum einen Blick zu, so sehr war sie von ihren Rachegedanken beherrscht.

»Gut, dann wollen wir gehen«, sagte Joe liebenswürdig.

»Ja, wir wollen gehen«, stimmte sie zu.

»Ich möchte sie in meinem Auto hinbringen«, bemerkte er gleichgültig. »Dann brauchen Sie nicht allein zurückzukehren. Ich werde im Wagen auf Sie warten.«

Christie erwiderte nichts darauf.

Alle fünf stiegen in ein Taxi, das vor dem Bahnhof hielt, und Joe nannte dem Chauffeur eine Adresse am East-River.

Ihr Ziel war ein kleiner Jachthafen, der zu einer Werft gehörte. Joe ließ den Chauffeur in den Hof fahren und an einer Stelle halten, von wo aus er die Ereignisse, die folgten, beobachten konnte.

Christie und die drei Matrosen stiegen aus. Sie lächelte jetzt freundlich und ließ nichts von ihrer düsteren Stimmung merken.

Ein schmucker Kreuzer lag vor ihnen. Der Name »Charmian« war in Goldbronze-Buchstaben am Bug zu sehen. Der Führer, der zu gleicher Zeit auch den Posten eines Maschinisten versah, saß auf dem hinteren Teil des Schiffes und rauchte eine Pfeife, während er eine Zeitung las. Christie ging auf ihn zu.

»Guten Tag, Kapitän Hudgins. Können Sie sich auf mich besinnen?«

Der Mann sprang auf und riß die Kappe ab. Er war noch jung, sein ehrliches, offenes Gesicht war von Wind und Sonne dunkel gebräunt, und seine Augen strahlten, als er die schöne Christie sah.

»Selbstverständlich, Miß! Das müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich mich nicht auf Sie besinnen könnte. Ich habe Sie ja so häufig mit Mr. Waters ausgefahren.«

»Ich komme von Mr. Waters und soll Ihnen bestellen, daß er die »Charmian« gekauft hat und jetzt dauernd Ihr Chef ist.«

»Einen besseren gibt es nicht, Miß.«

»Hier ist die Kauf Urkunde«, fuhr Christie fort und zeigte ihm ein Schriftstück.

»Ich glaube Ihnen schon, Sie brauchen es mir nur zu sagen«, entgegnete der Kapitän, während er einen Blick auf das Papier warf.

»Sie sollten sich nur davon überzeugen, daß alles in Ordnung ist. Mr. Waters will Sie natürlich als Führer und Maschinist behalten, aber er schickt Ihnen seine eigenen Leute. Ich habe sie gleich mitgebracht.«

Ein Schatten glitt über das Gesicht des Mannes. »Es tut mir leid, daß ich die anderen gehen lassen muß; wir waren nun schon so lange zusammen.«

»Ja, das ist schade, aber Mr. Waters will natürlich seine eigenen Leute an Bord haben. Er sagte, daß er jedem der anderen noch eine Woche Extralohn zahlen wollte, damit sie nicht allzu enttäuscht wären.«

Christie nannte dem Führer die Summe und reichte ihm das Geld. Die drei neuen Matrosen stellten sich dann dem Kapitän vor, der ihnen die Hand gab und zeigte, wo sie ihr Gepäck unterbringen konnten.

»Sie werden wahrscheinlich auf Mr. Waters an der gewöhnlichen Stelle warten«, sagte Christie.

»Jawohl, um sechs Uhr dreißig.«

»Heute fahre ich nicht mit, ich habe eine andere Verabredung.«

»Das ist aber schade.«

»Wir werden uns in Zukunft noch recht oft sehen. Also, leben Sie wohl.«

»Auf Wiedersehen.«

Sie warf ihm noch einen verführerischen Blick zu, bevor sie ging.

Als sie wieder in das Taxi stieg, lobte Joe sie. »Das haben Sie fein gemacht, wirklich großartig!«

Sie preßte die Lippen zusammen. Joe gab dem Chauffeur Anweisung, nach Christies Hotel zu fahren.

Als sie die Werft verließen, fuhr Christie plötzlich auf. »Ach, was habe ich getan!« rief sie, dann begann sie zu weinen.

Joes Gesichtszüge wurden hart. »Was einmal getan ist, kann man nicht rückgängig machen«, sagte er leise.

Christie schluchzte heftiger. »Lassen Sie mich zurück – ich wußte nicht, was ich tat! Ich muß –«

»Ruhe!« befahl Joe und warf dem Chauffeur einen Blick zu.

»Nein, ich will nicht ruhig sein! Lassen Sie mich aussteigen. Ich will telephonieren! Sie können mich nicht gegen meinen Willen festhalten. Ich muß alles sagen …«

Joe faßte mit der rechten Hand in die Tasche und zog eine häßliche Waffe heraus. Blitzschnell schlug er zu und traf Christie am Hinterkopf. Mit einem Seufzer sank sie gegen ihn.

Der Chauffeur sah sich erschreckt um.

»Die junge Dame ist ohnmächtig geworden«, erklärte Joe ruhig. »Wir müssen sie so schnell wie möglich nach Haus bringen.«

Im Hotel gab er sich als Arzt aus, trug Christie in ihre Wohnung und ließ sich von der Zofe ein Glas Wasser bringen. Dann nahm er eine kleine Flasche aus der Tasche, die eine farblose Flüssigkeit enthielt, und goß wenige Tropfen davon in ein Glas. Als Christie stöhnte und sich rührte, hielt er ihr das Glas an die Lippen, und sie schluckte. Er wartete noch, bis das Betäubungsmittel wirkte. Dann drehte er sich lächelnd um.

»Jetzt ist alles in Ordnung – lassen Sie sie schlafen, solange sie mag«, sagte er zu Mrs. Blackie.


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