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XXII.

Als Mr. Lawrence mit Christie, Mrs. Blackie und der Zofe aus der Garderobe herauskam, sah er sich vergeblich nach Dan um. Als er ihn nirgends entdecken konnte, stieg er ärgerlich in den kleinen schwarzen Wagen, der auf sie wartete, und sie fuhren zu Christies Wohnung. Die Diva hatte ihren kleinen Schoßhund bei sich und war in bester Stimmung.

Sie traten in das Speisezimmer, wo Maud, die Haushälterin, den Tisch deckte. Niemand bemerkte, daß sie verstohlene Blicke nach allen Seiten warf und aufgeregt war. Geräuschlos bewegte sie sich in dem Zimmer, wenn sie kam und ging.

Man setzte sich zu Tisch. Christie saß zur Rechten von Lawrence, Mrs. Blackie zu seiner Linken. Ein vierter Platz war für Dan gedeckt. Christie hielt noch den kleinen Hund auf den Schoß. Er schmiegte sich an die Herrin und hob den kleinen Kopf mit der roten Zunge, die nicht größer war als ein Daumennagel.

»Der kleine Kerl hat einen sehr verwöhnten Geschmack«, meinte sie. »Am liebsten frißt er Kaviar.«

»Hm«, entgegnete Lawrence.

»Ich habe auch noch eine Überraschung für dich«, sagte sie.

»Nun, was ist es denn?«

»Ich habe einmal gehört, daß du irischen Whisky besonders schätzt, und daß Gahagan die beste Marke wäre. Deshalb ließ ich mir eine besondere Flasche von meinem Alkoholschmuggler besorgen. Niemand soll davon trinken außer dir.«

Maud kam wieder ins Zimmer und brachte die Whiskyflasche. Ihre Hände waren ruhig, aber ihr Herz schlug wild.

Ohne das Mädchen eines Blickes zu würdigen, winkte Lawrence ab.

»Ich sehe, daß du sehr an mich gedacht hast«, sagte er lachend zu Christie, »aber ich habe stets meinen eigenen Whisky bei mir. Der ist echt. Die Flasche da drüben hat nichts mit Gahagan zu tun, wenn auch der Name auf dem Etikett steht.« Er zog eine flache Flasche aus der Brusttasche.

Christie verzog den Mund und zuckte die Schulter. »Du hättest ihn wenigstens einmal versuchen können.«

Maud stand noch immer mit dem Tablett und dem Glas hinter dem Stuhl des Millionärs.

»Geben Sie ihn Stella«, wandte Christie sich an sie. »Der kleine Kerl säuft auch Whisky … Nun, wird es bald?« fügte sie ein wenig scharf hinzu, als das Mädchen sich nicht rührte.

Maud ging hinter Christies Stuhl vorbei. Nur mit größter Willensanstrengung zwang sie sich zur Ruhe. Dann warf sie Mrs. Blackie einen verzweifelten Blick zu und hielt das Tablett absichtlich schief, so daß das Glas abkippte und zu Boden stürzte. Etwas von dem Inhalt floß auf den Boden, ein Teil war noch auf dem Tablett.

»Was ist denn mit Ihnen?« fragte Christie. »Wie können Sie denn so unvorsichtig sein? … Na, dann bekommst du nichts zu trinken, kleine Stella.«

Aber der kleine Hund war schon hingelaufen und leckte den Whisky mit seiner kleinen Zunge auf.

»Sieh doch nur den kleinen Kerl an«, sagte Christie belustigt.

In dem Augenblick erschien Dan in der Tür. Er hatte sich, so gut es ging, in dem Taxi abgebürstet und zurechtgemacht. Als er J. M. Lawrence lachend am Tisch sitzen sah, entspannten sich seine Züge, und die Farbe kehrte wieder in seine Wangen zurück. Der Millionär bemerkte ihn zuerst.

»Zum Teufel, wo haben Sie denn gesteckt?«

»Ich habe ein paar Freunde getroffen, die mich aufgehalten haben.«

Christie nickte ihm zu. »Setzen Sie sich bitte«, sagte sie kurz.

»Wohin sehen Sie denn alle?« fragte Dan.

»Auf den kleinen Schoßhund«, erwiderte Lawrence lachend. »Der betrinkt sich.«

»Er hat jetzt genug«, entschied Christie. »Maud!« rief sie laut, aber es kam niemand. Das Mädchen hatte das Tablett hingestellt und war hinausgegangen. »Nun, dann wollen wir anfangen zu essen«, meinte Christie und klingelte, daß Maud servieren sollte.

Dann maß sie Dan mit einem merkwürdigen Blick. »Sie haben eine Beule an der Stirn.«

»Ich habe mich gestoßen, als ich ins Taxi einstieg.«

»Ihr Anzug ist auch nicht sehr sauber!«

»Nun, es hat einen kleinen Streit gegeben.«

»Sie scheinen ja mit netten Freunden zusammengekommen zu sein«, sagte Lawrence belustigt.

»Wahrscheinlich waren sie betrunken«, sagte Christie und klingelte heftig. »Wo bleibt denn nur die Person?«

»Was hat denn der Hund?« fragte Dan plötzlich.

Die anderen drei sahen sich nach dem Tier um. Der Pekinese war zum Fenster gelaufen, taumelte nun und fiel um. Er versuchte, sich aufzurichten, es gelang ihm aber nicht. Gleich darauf wand er sich in furchtbaren Krämpfen, sah seine Herrin stumm und verzweifelt an, als ob er sie anflehte, ihm zu helfen, gab aber keinen Laut von sich.

Einen Augenblick sprach niemand, dann sagte Dan kurz: »Der Whisky Soda!«

Lawrence erhob sich plötzlich. »Das Glas war für mich bestimmt!« sagte er heiser.

Ein allgemeines Durcheinander folgte. Christie lief weinend und schreiend zu ihrem Schoßhund. Dans erster Gedanke war, das Mädchen zu verhaften, denn es war verdächtig, daß sie auf das Klingeln nicht gekommen war. Er sprang auf und eilte durch das Vorzimmer in die Küche. Eine schnelle Durchsuchung der Wohnung ergab, daß sie sich aus dem Staub gemacht hatte. Das andere Mädchen saß in der Küche, schüttelte nur den Kopf und konnte kaum sprechen.

»Maud hat schnell ihren Hut genommen und ist davongelaufen!«

Als Dan ins Speisezimmer zurückkehrte, schluchzte Christie. »Stella!« schrie sie. »Jemand soll telephonieren … Ein Arzt! Schnell, einen Hundearzt, sonst stirbt das kleine Geschöpf!«

Lawrence stand am Tisch und sah grimmig zu ihr hin. Der Vorfall hatte ihn sehr ernüchtert. »Kommen Sie mit«, sagte er zu Dan. »Wir wollen gehen!«

»Soll ich nach der Polizei schicken?«

»Nein«, entgegnete Lawrence heftig. »Die Öffentlichkeit soll nicht darauf aufmerksam werden, kommen Sie schnell mit.«

Dan war verpflichtet, erst für seinen Chef zu sorgen. Er goß schnell die übrige Flüssigkeit von dem Tablett in ein Wasserglas und folgte dann dem Millionär, während er das Glas unter dem Rock trug.

»Wozu nehmen Sie denn das mit?« fragte Lawrence düster.

»Das müssen wir analysieren lassen.«


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