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XXXVII.

Die Sonne war dem Untergang nahe, und Dans Mut sank. Die letzte Möglichkeit auf Erfolg schien verloren. Aber plötzlich schrie er triumphierend auf, denn er sah Joe Penmans Leichter, der in der Mitte der Bucht entlangfuhr. Man konnte das Schiff unmöglich verkennen.

Das Flugzeug setzte seinen Kurs weiter fort, bis man es von dem Schiff aus nicht mehr sehen konnte, und der Pilot stieg zu größerer Höhe hinauf, bevor er zurückflog. Kurz bevor es so dunkel wurde, daß man nichts mehr sehen konnte, beobachteten sie, daß der Leichter an einer einsamen Stelle Anker warf, in nicht allzu großer Entfernung von Lloyd's Neck. Von oben aus war kein Licht an Bord zu entdecken.

Dan kletterte in den Sitz neben den Piloten und schrie ihm ins Ohr: »Können Sie irgendwo innerhalb der Bucht auf dem Wasser landen? Wir müssen vor allem sehen, daß wir ein Boot bekommen.«

Der Flugzeugführer nickte. Ein paar Augenblicke später gingen sie im Gleitflug nieder, setzten aufs Wasser auf und fuhren noch einige Zeit an der Bucht entlang. An den Ufern lagen zu beiden Seiten Landhäuser, und viele hatten einen Landungssteg. Hier bot sich also Gelegenheit, ans Ufer zu kommen.

Kurz darauf hielt der Pilot an einer schwimmenden Brücke. Dan und Julia kletterten über den einen Flügel und erreichten die Anlegestelle. Das Flugzeug wurde mit Tauen befestigt; Dolan blieb vorläufig zurück.

Dan und Julia erreichten eine Straße und gingen auf das Dorf Huntington zu, das im tiefsten Winkel der Bucht lag. Die Sterne funkelten prächtig.

Unterwegs hatten sie beide zum erstenmal Gelegenheit, ausführlich miteinander zu sprechen. Julia hatte sich nun ganz auf Dans Seite gestellt, und er erklärte ihr ganz offen, in welcher Lage er sich befand.

Schließlich sagte er: »Whitey ist verhaftet, Bull ist tot. Immerhin ist es möglich, daß Joe Penman noch keine Nachricht von den Vorgängen in der Stadt erhalten hat. Die Tatsache, daß er zum Treffpunkt zurückgekehrt ist, läßt vermuten, daß er noch nicht argwöhnisch geworden ist.«

»Aber, wie soll er denn wissen, daß du nicht eine ganze Abteilung Polizisten hinter dir hast, wenn du dich ihm direkt näherst?«

»Das muß ich eben riskieren.«

»Wenn er deine Wunde sieht, wird er Verdacht schöpfen.«

»Ich werde die Schlinge abnehmen, während ich mit ihm rede.«

»Eigentlich solltest du jetzt im Bett liegen«, entgegnete Julia bitter.

Dan drückte ihr nur die Hand. »Wir werden ein schnelles Rennboot mieten müssen. Ein Motorboot macht zuviel Geräusch.«

»Nimm ein Kanu«, riet sie. »Damit kann man ruhig fahren.«

»Der Leichter liegt aber zwei Meilen von hier entfernt vor Anker, und du mußt bedenken, daß dir und Dolan das Rudern überlassen bleibt.«

»Ich werde meinen Teil schon leisten.«

Das hellerleuchtete Dorf mit seinen Läden machte einen traulichen Eindruck. Viele Autos parkten auf der Hauptstraße, und niemand schien hier an Entführung und an Mord zu denken.

Die beiden gingen zum Gasthaus, und nachdem sie schnell zu Abend gegessen hatten, machten sie sich auf den Weg zu einem Bootshaus. Es lagen viele Kanus am Ufer, denn die Bootsaison war eigentlich schon vorüber. Der Eigentümer betrachtete Dan eingehend und sah, daß der Mann verletzt war. Er wunderte sich, daß der junge Mann mit einer Dame eine Paddelpartie machen wollte, und noch dazu an einem kalten Oktoberabend. Aber Dan zahlte die verlangte Summe als Sicherheit, und damit gab sich der Besitzer zufrieden.

Julia wußte mit einem Kanu umzugehen, sie nahm den hinteren Sitz und paddelte, während Dan im Boot saß und im Augenblick nur als Ballast diente.

Als sie vom Ufer abstießen, tauchte ein schnelles, schlankes Ruderboot mit Auslegern aus der Dunkelheit auf. Es wurde aber nicht gerudert, sondern durch einen Außenbordmotor angetrieben. Auf der Landungsbrücke brannten verschiedene helle Laternen, und als das Ruderboot in den Lichtkreis tauchte, unterdrückte Dan einen Ausruf.

»Warte noch eine Minute«, flüsterte er Julia zu.

In dem Boot saßen zwei Männer. Sie stiegen an dem Landesteg aus und fragten den Eigentümer, ob sie ihr Fahrzeug ein paar Minuten liegenlassen dürften. Gleich darauf gingen sie an Land. Der Bootsmann folgte ihnen.

»Das sind Leute von Joe Penmans Mannschaft«, erklärte Dan. »Am besten folgst du ihnen und siehst, was sie machen. Ich warte hier. Aber richte es unter allen Umständen so ein, daß du vor ihnen zurückkehrst.«

Sie steuerten das Kanu wieder an den Landungssteg zurück, und Julia folgte den anderen, während Dan in der Dunkelheit allein blieb. Er kletterte in das fremde Boot, das eben angekommen war, und hatte bald einen Schraubenzieher gefunden, mit dem er die Befestigung des Außenbordmotors lockerte.

Während er noch damit beschäftigt war, eilte Julia den Landungssteg vom Bootshaus entlang. »Schnell!« rief sie Dan zu. »Sie sind dicht hinter mir!«

Dan konnte den Außenbordmotor nicht mit einem Arm abnehmen, mußte ihn also zurücklassen. Julia und er kletterten schnell wieder in das Kanu. Bald verschwanden sie in der Dunkelheit. Gleich darauf traten die beiden Leute aus dem Bootshaus heraus.

»Sie sind an Land gegangen, um Zeitungen zu kaufen«, flüsterte Julia ihm zu. »Sobald sie die großen Überschriften sahen, eilten sie zurück.«

»Das dachte ich mir«, erwiderte Dan.

Die beiden Männer sprangen in ihr Fahrzeug und stießen ab. Der eine bediente den Außenbordmotor, und das Boot fuhr mit lautem Geräusch davon.

Dan fühlte sich hilflos. »Sobald die beiden erst an Bord des Leichters sind, ist es um Lawrence geschehen«, stöhnte er.

Obwohl ihre Lage verzweifelt erschien, gab sich Julia die größte Mühe, vorwärtszukommen. Plötzlich verstummte das laute Geräusch des Motors.

»Wir haben Glück«, sagte Julia atemlos und begann wieder zu hoffen. »Ihr Motor setzt aus!«

Sie hörten, wie die beiden Männer fluchten; der Wind trug den Schall zu ihnen herüber.

»Es ist noch viel besser«, entgegnete Dan und grinste in der Dunkelheit. »Der Motor ist ins Wasser gefallen!«

»Ach, du hast ihn losgeschraubt?« rief Julia außer sich vor Freude.

»Meinst du vielleicht, ich hätte ihn ausgebessert?«

Sie paddelte weiter, und kurz darauf sahen sie das Boot vor sich. Aber es war nur ein dunkler Schatten auf dem noch dunkleren Wasser. Die Leute hatten inzwischen die Ruder in die Gabeln gelegt; Dan und Julia hörten das gleichmäßige Aufklatschen. Bald fuhr das schlanke, schmale Fahrzeug an ihnen vorüber und verlor sich in der Dunkelheit.

»Gib die Hoffnung nicht auf«, sagte Dan. »Wenn wir Dolan an Bord nehmen, können wir sie einholen.« Bald darauf hatten sie das Fahrzeug erreicht, und Dolan stieg mit dem Lederkoffer in das Kanu.

Der Mann war als Paddler gut zu gebrauchen. Das Kanu schoß schnell dahin, aber bald kamen sie in offenes Fahrwasser und mußten gegen die Wellen rudern.

Julia hielt auf ein Licht in der Gegend von Lloyd's Neck zu. Es dauerte nicht lange, so hörten sie im Winde das Geräusch von Ruderschlägen, und gleich darauf sahen sie auch in ungewissen Umrißlinien das Ruderboot vor sich. Diesmal fuhren sie direkt darauf zu, und Dan gab seiner Mannschaft mit leiser Stimme neue Befehle.


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