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Schlußwort.

Der bekannte Dichter Gottfried Keller singt einmal

Es wandelt eine schöne Sage
Wie Veilchenduft auf Erden um,
Wie sehnend eine Liebesklage,
Geht sie bei Tag und Nacht herum.

Das ist das Lied vom Völkerfrieden
Und von der Menschheit letztem Glück,
Von goldner Zeit, die einst hienieden, –
Der Traum als Wahrheit, – kehrt zurück,

Wo einig alle Völker beten
Zum Einen König, Gott und Hirt,
Von jenem Tag, wo den Propheten
Ihr leuchtend Recht gesprochen wird.

Dann wird's nur Eine Schmach noch geben,
Nur Eine Sünde in der Welt:
Des eignen Neides Widerstreben,
Der es für Traum und Wahnsinn hält.

Wer jene Hoffnung gab verloren
Und böslich sie verloren gab,
Der wäre besser ungeboren,
Denn lebend wohnt er schon im Grab.

Dieses Lied Gottfried Kellers ist noch nicht verklungen, es gilt noch etwas bei Unzähligen. Es ist übrigens bei weitem älter als sein Dichter selbst, ja es ist uralt. Seit Jahrtausenden schon lebt sein Gedanke in allerlei Form und Fassung, und zwar nicht nur als ein flüchtiger Traum von Dichtern, sondern als das tiefste Sehnen aller Völker, nicht etwa nur als stürmisches Begehren unruhiger Geister, vielmehr als sehnlichstes Gebet stiller Leute in allen Landen. Diese dem großen Haufen wohl verborgene, aber doch in irgend welcher Form allerwärts still gehegte Hoffnung ist überhaupt nicht bloß die Ausgeburt irdischen Wünschens und menschlichen Empfindens, sondern sie beruht auf uralten Prophetenworten und enthält in Wahrheit göttliche Ideen, sie birgt hochedle Ideale der Menschenbrust, ja sie bringt die allerhöchsten Menschheitsideale zum lebendigsten Ausdruck.

Das vorliegende Buch nun möchte für diese Gedanken das farbenreiche Bild einer lebensvollen Geschichte wählen und sie dem Leser in einem ergreifenden Schauspiel aus der Schlußentwicklung der Menschheitsgeschichte vor Augen malen. Das Buch möchte aber darum doch nicht nur als die spielende Phantasie eines träumenden Theoretikers angesehen sein, vielmehr vor allem als der Ausdruck innerster Überzeugung eines ganz in praktischer Arbeit stehenden Mannes verstanden werden, dessen Grundgedanken dabei die letzten Worte unserer heiligen Schriften sind, dessen Griffel die freudige Begeisterung seines innersten Herzens, dessen Pinsel die tägliche Sehnsucht seines ganzen Lebens ist, und dessen Wunsch es wäre, dass Tausende das Buch lesen und recht Viele seinen Inhalt wohl beherzigen möchten. –

Wer es wagen wollte, die einstige Schlußentwicklung der Weltgeschichte etwa auf Grund gegenwärtiger Zeitgeschichte zu skizzieren, der würde dem gerechten Vorwurf begegnen, dass er Phantasieen auf Phantasieen häufe; denn die Geschichte mit ihrem so vielgestaltigen Leben hat in der That immer tausenderlei Möglichkeiten der Weiterentwicklung vor sich, so dass es von jeher ein müßiges Unterfangen war, weltgeschichtliche oder kirchengeschichtliche Prophezeiungen für die nächste Zukunft aus der Geschichte der Gegenwart herauszulesen und sich dann einen beliebigen allgemeinen Schluß hinzuzudenken.

Aber es giebt andere, ganz andere grundlegende Gedanken, Richtung gebende Grundlinien, von welchen man auszugehen und welche man festzuhalten vollauf berechtigt ist. Das sind die geschichtsphilosophischen und religionsphilosophischen Grundgedanken, jene treibenden Mächte, jene göttlichen Ideen der Weltgeschichte, welche auch in dem Spiegel uralter Prophetenworte so merkwürdig hell wiederstrahlen! Diese festzuhalten, durchzudenken, nicht immer wieder in verblassende ganz allgemeine Ideen zu verflüchtigen, sondern zu einem plastischen Bilde zu sammeln und lebendig vorstellig zu machen, das ist ein durchaus berechtigtes Bemühen, welches gerade für die Hauptsachen eine ganz andere Gewähr der Sicherheit bietet, als die Konstruktion einer Endgeschichte unmittelbar aus der Zeitgeschichte heraus.

Ich bin nun gleichwohl weit entfernt zu glauben, daß ich mit diesem Buch, mit seinem Inhalt sowohl, als mit der Form für die Fassung seiner Gedanken, jedermanns Billigung finden könnte. Ich werde vielleicht nicht am wenigsten zu leiden haben von solchen, bei welchen es mir am meisten nahe geht. Aber ich hoffe jedenfalls auf die Anerkenntnis, daß ich mich völlig enthalten habe, auf irgend welche politische oder kirchliche Tagesfragen lärmenden oder heimlichen Bezug zu nehmen, und die religiösen Hoffnungen oder die christlichen Prinzipien etwa dazu zu benützen, hier leichthin einer politischen oder kirchlichen Richtung Lob zu spenden oder Tadel zu erteilen. Ist dies, wie sich jedermann überzeugen wird, durchs ganze hindurch und bis ins einzelne unterblieben, so geschah es übrigens nicht etwa aus feiger Vorsicht oder eitler Menschendienerei, sondern aus der innersten Überzeugung heraus, daß es sich bei der einstigen Schlußentwicklung nicht und in keiner Weise um den Bestand und die Tagesfragen der Jetztzeit als solche handeln kann.

Während man zu jeder Zeit nur gar zu leicht geneigt ist, »brennende« und »weltbewegende« Tagesfragen als das zu betrachten, was noch einen allgemeinen Weltbrand oder gar den nahen Weltuntergang herbeiführen könnte, so ist es ja vielmehr möglich, daß bei der einstigen Schlußentwicklung der Weltgeschichte die jetzt beängstigendsten Tagesfragen der Gegenwart alle von der Tagesordnung verschwunden sein werden, sei es auch, daß sie dann schon gelöst, oder aber, daß sie in völlig neue Frageformen und in ganz andere Darstellungsformen umgewandelt sein werden, als dies in der Gegenwart der Fall ist. Dagegen wäre es nur natürlich, der Idee des Menschen nur entsprechend, wenn am Ende der gegenwärtigen Weltzeit die Menschheit, selbst ohne daß sie es will, vielleicht gerade indem sie es nicht will, mit der Lösung der religiösen Fragen und vor allem mit jener im Neuen Testament aufgeworfenen religiösen Grundfrage so zu thun bekäme, daß daran die Menschheit für sich allein zu Grunde gehen würde, – wenn nicht, wieder der Natur der Sache und der innersten Idee entsprechend, von Gott selbst die Lösung dieser Frage eingeleitet und großartig durchgeführt würde! – In diesem Sinn schaue ich auch die gegenwärtig brennendste, gefährlichste und meistumstrittene Frage, die Eigentumsfrage, (I, 6.) an. Ich werde gerade damit freilich vielleicht am meisten Kopfschütteln, mißächtliches Lächeln oder ärgerliche Entrüstung hervorrufen. Wer diese Frage, abgezogen von den gegenwärtigen Kämpfen und derzeitigen Rechtsbegriffen, im Licht einer idealen Weltanschauung zu betrachten wagt, wird heutigen Tages vielfach sofort grundstürzender Irrtümer berüchtigt, mit Parteischlagworten angegriffen, mit Parteinamen verunglimpft, und mit Steinigung von rechts und von links in Kirche und Staat von oben und von unten bedroht. So weit sind wir im Kampf und Streit des Tages gekommen! Thut es da nicht nur um so mehr not, auch einmal ganz und gar abzusehen von Tagesfrage und Kampf der Parteien, und die Sache rein nur im Licht einer idealeren Weltanschauung für sich selber zu betrachten? Wie vieles, was Weltmacht und Weltweisheit für göttliche Weltordnung erklärt, ist wohl geschichtlich Gewordenes, vielleicht uralt und augenblicklich unentbehrlich, von göttlicher Weltordnung aber in Wahrheit so weit weg als vom Himmel die Erde!

Wir Menschen sind Kinder unserer Zeit, eingeengt in zeitlich begrenzte Verhältnisse, und in den uns persönlich näher berührenden Dingen in der That oft fast wie die Kinder, welchen die Mutter ihr Spielzeug jetzt abzuräumen anweist; die Kinder aber wollen auf Rat und auf Warnung nicht hören, lieber bequem fortmachen und jedenfalls nicht zeitig genug mit der Sache vorwärts gehen, bis schließlich die Mutter selbst eingreift, schnell alles wegzunehmen droht, zuletzt auch die Sachen alle zusammenrafft und den ganzen Platz abräumt; die Kinder jammern und schreien, als wäre ihnen alles genommen und alles verdorben, ihr Eigenthum geraubt und ihre Lebensfreude verleidet, – und merken es gar nicht, daß treue und weise Mutterliebe ihnen an derselben Stelle ja nur einen um so reicheren Tisch decken will, allen mit einander zur neuen und viel größeren Freude! –

Manche Schilderung von Personen und Verhältnissen wird dem beliebten Vorwurf falscher und unerfahrener Idealität, unpraktischer Idealisirung der thatsächlich ganz andersartigen Verhältnisse, Personen und Völkergegensätze, begegnen. Ist es denn aber in so schroffen Zeiten nicht hochnötig, gerade entgegen der Spannung der Gegensätze jetziger Zeit sich auf die idealen, höheren Lebensformen ernstlich zu besinnen?! Das für unwahr, unpraktisch oder gar unpassend zu erklären, hieße in der That eine vielleicht mannigfach spaßhafte, schließlich aber doch mehr traurige Parodie mit einem wirklichen Gedicht zu verwechseln! Religiöse Gründe aber gar sollten uns am allerwenigsten abhalten, vielmehr gerade dazu hinführen, trotz des etwa nötig erachteten Kampfes der Tagesinteressen dennoch die idealen höheren Lebensformen unentwegt im Auge zu behalten, ja in allem Ernste wie ein Panier hoch emporzuhalten.

Ich schrieb, wie ich nochmals versichere, nicht aus Haß irgend welcher Richtung und so auch nicht um Dank, – keiner Partei, gleichviel religiös oder politisch, zu lieb und keiner zu leid. Die geschilderten Verhältnisse wären dafür ja wohl auch noch viel zu weit entfernt, und die Ideale, um die es sich hier handelt, stehen mir dafür viel zu hoch. Ich möchte mit diesem Buche womöglich recht vielen Menschen eine Freude machen und eine große selige Hoffnung ins Herz geben, am liebsten keinem einzigen Menschen auch nur eine ärgerliche Stimmung verursachen. Die aber vielleicht anders denken, mögen mir glauben, wem ich eigentlich dieses Buch übergebe. Es ist der, der mich glücklich macht, wenn ich damit nur seines Kleides Saum berühren darf. Jesu von Nazareth, dem Messias Gottes, unserem hochgelobten Herrn, dem Heiland aller Völker, ihm widmet dieses Buch in inniger Liebe, in tiefster Dankbarkeit und unterthäniger Anbetung

der Verfasser.


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