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II. Kapitel.
Der vollkommene Umschwung der Anschauungen.

Motto.

Die Lügen sind gleich den Schneebällen: je weiter man sie fortwälzt, desto größer werden sie, – und zergehen doch endlich wie Wasser.

Harsdörffer.

Niemals in der Weltgeschichte hat man einen vollkommeneren Umschwung der Anschauungen in der Welt erlebt, als ein solcher in der neuen Weltzeit jetzt, infolge der geschilderten großartigen Ereignisse, thatsächlich mit einem Male eingetreten ist.

›Umschwung der Anschauungen‹! – Wenn die Menschen wüßten, wie viel Wahn in der Welt schon regiert hat, sie müßten sich vor sich selber schämen! In großen und in kleinen Dingen war es oft in der That nur der Wahn, nur eine vorgefaßte Vorstellung und falsche Meinung von einer Sache, was die Menschen lange Zeit beeinflußte, regierte, ja durchaus gefangen hielt. Ganze Generationen konnten in dieser oder jener Beziehung Wahnvorstellungen verfallen, selbst ganze Völker konnten ja von einem Wahn getrieben, von einem Wahn gefangen und beherrscht, ja von einem Wahn verfolgt sein, und sie wußten es gar nicht! Es war ihnen dann auch nicht beizukommen, sie davon zu heilen; selbst ihren besten und edelsten Geistern konnte das nicht gelingen. Das Beste mußte sich deshalb von jeher in der Welt schwer durchkämpfen durch alle möglichen andersartigen Vorstellungen und falsche Meinungen, welche es oft belachten und verachteten, befeindeten und verfolgten, bis es endlich, endlich doch zum Siege kam, – und zwar vielleicht nicht einmal durch allmählige Überzeugung, sondern oft einzig nur durch einen plötzlichen, großartigen, überraschenden Erfolg!

Man konnte das auf jedem Gebiet des Lebens, aber gerade auch auf den Gebieten des geistigen Lebens so finden. Ja selbst auf dem Boden wissenschaftlicher Erkenntnisse herrschten oft lange Zeit Wahnvorstellungen und beherrschten alles, so daß sogar Menschen, welche die Wahrheit suchten, hievon beeinflußt waren und blieben, – den wahren Fortschritt bei sich und anderen hinderten und selber noch mitbekämpften, wogegen solche, welchen es gegeben war, das Vollkommenere zu bringen, vor allem ›Märtyrer der Wahrheit‹ werden mußten!

Was konnte man da aber vollends von der großen Menge verlangen, welche ja gerade in geistigen Dingen ihre Vorstellungsformen überhaupt fast immer nur von anderen entlehnte? Selbständigere Naturen ahnen es oft gar nicht, wie sehr die allermeisten Menschen in den früheren Jahrhunderten von anderen abhingen. Ihren ganzen Vorstellungskreis entnahmen sie dem, was bei der übrigen Menge auch galt. Ihre Meinungen, welche sie ›Überzeugungen‹ nannten, entnahmen sie der ›öffentlichen Meinung‹. Von ihr lebten sie, vor ihr beugten sie sich, mit ihr gingen sie meist durch dick und dünn.

So war es in früheren Zeiten immer und überall unter allen Völkern!

Und wenn dann die öffentliche Meinung einmal irre geführt war? wenn sich Millionen festgerannt hatten in ein falsches Weltideal? in unklare oder halbwahre Vorstellungen, ja in völlig irrige Meinungen über das Beste und Größte, über das Nötigste und Gewisseste?! Da konnte doch schließlich einzig nur ein großartiger Erfolg, ein für jedermann klar erkennbarer Erfolg, eine großartige geschichtliche Thatsache, wirksam für die ganze Weltgeschichte, helfen. Nur ein ganz .›durchschlagender‹ Erfolg, (wie man ganz bezeichnend sich ausdrückte,) konnte da ein völlig Neues bringen!

Und ein solcher war nun gekommen durch die großartige Offenbarung und Erscheinung des wahren Herrn der Menschheit um das Jahr 2000! –

Aber wie entwickelte sich nun näher die vollständige Veränderung in den Anschauungen der Menschen und der ganzen Völkerwelt?

Schon im ganzen Kulturleben der letzten Jahrhunderte war eine Macht herangewachsen, welche einzig in ihrer Art dastand, deren Einfluß oft alles zu regieren schien, – das war die ›Presse‹, besonders die Tages -und Wochenzeitungen. Man hat sie schon damals oft die einzige wirkliche ›Großmacht‹ in der Welt geheißen. Ist sie das auch nie gewesen, so war sie doch jedenfalls eine große Macht; man mochte sie geringer achten oder gar verachten, sie war es darum doch. Man mochte ihren Einfluß für schädlich halten, vorhanden war er dennoch, und bei weitem größer, als viele ahnten! War sie doch so recht eigentlich die Mutter der ›öffentlichen Meinung‹, oder jedenfalls deren Pflegeamme. Denn wenn sie auch nicht die einzig treibende Macht des öffentlichen Lebens war, sicherlich war sie für die treibenden Mächte das Schwungrad, welches die wichtigste, bald hemmende, bald fördernde Ausgleichung in den Bewegungen des öffentlichen Lebens herstellte. In verkommenden Staaten konnte sie ja wohl feig nach oben oder feig nach unten, feil für Geld und feil für Ehren werden, und damit sich selber auf's tiefste entwürdigen; auch dem Antichrist hatte sie so schließlich die wichtigsten Dienste gethan und ihm immer mehr beigeholfen für alle seine Pläne. Aber auch in gesunden Staatenbildungen war sie nie gering zu schätzen, es konnten ihre Dienste auch kräftigen Staatsmännern wirklich erwünscht und unzweifelhaft wichtig, förderlich oder schädlich werden, – was immer nur unreife Meinungen oder überhebende Urteile ganz verkennen konnten.

Ebenso wächst sie, die Presse, nun auch in der neuen Weltzeit wieder mächtig heran für den öffentlichen Dienst. Wer das nicht ganz natürlich, erfreulich und wichtig finden würde, den müßte man zurückverweisen ins Mittelalter; das hieße ja doch fast, die Buchdruck -Erfindung wieder verdammen, diese hohe Kunst wieder eine ›schwarze Kunst‹ nennen.

Auch für die Presse, diese große Macht, gab es immer nur eines, wovor selbst sie sich jederzeit mehr oder weniger gebeugt hatte, – das war der Erfolg, ein auch ins äußere Leben eintretender großartiger, ›durchschlagender‹ Erfolg! Wie oft im Leben war es die That eines einzigen Mannes, wenn es nur überhaupt wirkliche That war, vielleicht mit tausend Opfern erkauft, – wie oft im Völkerleben war es z. B. ein großer Krieg oder ein herrlicher Sieg, (und dann mit wie viel tausend. ›Opfern‹ im eigentlichen Sinn des Wortes erkauft!) – was einen solch plötzlichen Umschwung in den Anschauungen der ›Presse‹ und dadurch der ›öffentlichen Meinung‹ hervorgebracht hat, und so dann mit einem Male dauernd von unberechenbarem und nie geahntem Einfluß auf das Geistesleben und die Gedankenwelt der Menschheit oder eines einzelnen Volks geworden ist! Ganz begreiflich auch! was wahrer ›Fortschritt‹ sein will, muß immer auch ein wirklicher Schritt in der Geschichte sein, also eine Thal, eine erfolgreiche That; nur ein solcher wirklicher Schritt in der Geschichte giebt in Wahrheit einen Fortschritt.

Dem vergleichbar und doch noch bei weitem großartiger war nun derjenige Erfolg, welchen die erzählten ganz einzigartigen Ereignisse bei und nach dem Sturz des Antichrists auch auf die Presse hatten und haben mußten.

Jetzt war mit einemmal, – ja wie mit einem Schlag, – die ganze Weltanschauung der Menschheit verändert; mit den hunderterlei irrigen Vorstellungen, trügerischen Meinungen, ungläubigen Auffassungen war aufgeräumt. Wie Schuppen fiel es den Menschen jetzt von den Augen! War bisher Jahrhunderte lang das innere Wesen des Christentums von der Masse nie recht erkannt oder gewürdigt, vielfach gehöhnt, verachtet, ohnmächtig dargestellt, jetzt wurde mit Ehrerbietung davon geredet und offen heraus das Christentum als die einzig richtige Lebensanschauung bezeichnet, um die es sich noch handeln könne. Von dem Herrn, dem Heiland der Welt, der die große Erlösung gebracht hatte, wurde jetzt in der Presse nicht mehr geredet wie von einer Sache oder etwa einem ›Prinzip‹, welches nur theoretisch erörtert werden könne, ohne daß es sich um persönliche Stellung zu dieser Person, ja dieser eminentesten Persönlichkeit, handeln müßte, – nein! jetzt wurde mit einer Ehrerbietung, mit einer solch dankbaren Ehrerbietung von ihm geredet, wie niemalen zuvor in öffentlichen Blättern! Es wurde eine Begeisterung für ihn wachgerufen, als für den Herrn und König der Völker, für das Haupt der ganzen Menschheit, – eine Begeisterung, welche ganz neu zu neunen gewesen wäre, wenn sie nicht in dem Taumel für den Weltregenten vorher schon ein wirklich merkwürdiges Vorspiel, freilich zugleich ein höchst beschämendes Widerspiel, gehabt hätte. Auf die Anschauungen aller Menschen aber mußte das naturgemäß den stärksten Einfluß ausüben.

Das sittliche und sittlich-religiöse Leben wurde jetzt mit solch starker Macht betont, ja gefordert, übrigens nicht etwa in äußerlichen Satzungen nur gefordert, sondern zugleich mit der tiefsten Seele innerlich erfaßt, daß ein allgemeiner Aufschwung der sittlichen und sittlich-religiösen Ideen gar nicht ausbleiben konnte.

Die Ineinsbildung der schönsten Ideale des Menschentums mit den Christentumsidealen wurde so ungezwungen als Ziel hingestellt, so gar nicht mehr im Sinn einer Auflösung oder Abschwächung der Christentumsideale zu Gunsten bloßer Menschentumsideale, vielmehr so ganz im Sinn einer Vollendung des Menschentums im Christentum, – wie man das im weltlichen und öffentlichen Leben bisher nie und nirgends angetroffen hatte.

So half die ganze Presse mit, die öffentliche Meinung umzubilden, – wenn das überhaupt noch nötig war. Jetzt erschollen auch neue Lieder voll Kraft und Begeisterung für die neue Zeit und für den Herrn und König der Menschheit, – dem vergleichbar, wie seinerzeit in den alten Freiheitskriegen der Deutschen eine Fülle begeisterter frommer Vaterlandslieder emporblühte, oder ähnlich wie fast jedes Volk schon eine Zeit besonderen Aufschwungs in seiner Liederdichtung gehabt hat. So wuchs nun eine hochsinnige Liebe, eine in Sang und Klang sich kundthuende Begeisterung für den hochgelobten Heiland der Welt, für seinen großen Sieg, für seine herrliche Erlösung empor, welche ihresgleichen bis jetzt nie im allgemeinen Völkerleben gehabt hat, wenn man auch z. B. aus der Zeit der Kreuzzüge derlei je und je erwähnen mag. ›Singet dem Herrn ein neues Lied!‹ schien nun der Aufruf der sangesfrohen, aus vielem Druck erlösten Menschenseele allüberall zu lauten.

Und so schuf sich in der That das ganze öffentliche Leben um! Was je und je in Zeiten besonderer Bewegung über ein einzelnes Volk gekommen ist, z. B. Zeiten eines nationalen Aufschwungs im Zusammenhang mit einer allgemeinen Erregung und Erhebung der Volksseele, – das ist alles nur ein Bild, nur ein ganz schwaches Abbild von dieser nun allgemein gewordenen Erhebung und Bewegung, Vertiefung und Erwärmung des religiösen Bewußtseins im Sinn einer frohen, dankbaren, heiligen, innigen Begeisterung!

Es trat nun auch das gute Beispiel allenthalben mächtig hervor. Das Gute war nicht mehr nur in den bescheidenen Winkel verbannt, sondern es trat nun die Herrschaft an in der öffentlichen Meinung, und zwar wieder durchaus nicht etwa durch äußerliche Gesetzesgewalt oder in leerer Satzung, vielmehr im Übergewicht innerer Kraft und in der Macht wirklich guter Sitte. Weder böser Wille noch feiger Weltsinn waren jetzt mehr seine Feinde und Lästerer oder seine schwachen Freunde und seine beschämenden Begleiter; – nein! die heilige Macht der Begeisterung riß auch darin alles, alles mit, und ließ etwas anderes gar nicht mehr aufkommen. –

Wir haben wiederholt das Wort ›Begeisterung‹ gebraucht, – Begeisterung für den Herrn und sein Reich, für das Christentum und für alles Gute, – und wir wissen wohl, was es um eine ›Begeisterung‹ ist, wenn sie nicht auf einem besseren Grund ruht, als dem einer mächtigen Erstbewegung. Sie verfliegt dann nur gar zu schnell und macht oft einem traurigen Rückfall Platz. Aber wir hatten hier vorerst auch nur die Aufgabe, die Äußerung des neuen Lebens in der Presse, in der öffentlichen Meinung und im öffentlichen Leben überhaupt zu schildern, und es wird noch an anderem Ort Gelegenheit sein, wahrzunehmen, auf welcher tieferen, und wirklich tiefen Grundlage das neue Gebäude ruht, und wie diese herrliche Erhebung keineswegs nur oberflächlicher Art war, sondern aus einer tiefen Verinnerlichung, ja aus einer ganz merkwürdigen, innerlichen Befreiung des Seelenlebens emporwuchs, derart, daß sie für alle Zukunft das Beste hoffen ließ. Hier aber wollten wir absichtlich zunächst nur das erzählen, wie sehr das ganze öffentliche Leben ein durchaus anderes Gesicht zeigte als in früheren Zeiten, – so mächtig hatten die ungewöhnlich großartigen Ereignisse das ganze Volk, die ganze Menschheit angefaßt


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