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X. Kapitel.
Flammende Herzen.

Motto:

Die hellsten Funken schlägt aus dir, o Menschenherz,
Wenn du im Glauben stehst, ein großer tiefer Schmerz!

Sturm.

Arthur war wieder für ein paar Tage auf Besuch angekommen.

Es war nicht mehr wie früher. Man sagte es einander ja wohl, als er sich ankündigte, aber man sprach nicht mehr so viel davon, wie das früher der Fall gewesen war. Man wollte es zwar vor einander nicht Wort haben, aber es war doch so: die Herzen hatten sich gegen ihn einigermaßen entfremdet. Der Vater war ohnedem schweigsam, wenn die Rede auf Arthur kam, und der beiden Schwestern stilles Empfinden für ihn war nicht ohne ein Schmerzgefühl.

Das Wort des Mohren: ›er lebt nicht, wie er soll‹, hatte Mirjam tief ins Herz getroffen und doch konnte sie sich jetzt nicht sagen, daß sie so treu das für ihn gethan hatte, was sie jenesmal, als der Schrecken in sie hineinfuhr, dem Mohren und sich selber versprochen hatte. Ein mehr zu Leid als zu Thatkraft geneigtes Gemüt kommt leichter dazu, über etwas zu trauern, als in die Arbeit für eine Sache einzutreten. Für jemand beten heißt wohl, seiner gedenken, aber Gebet ist in solchem Fall doch nicht nur Gedanke, auch nicht bloß Gedankenarbeit, sondern recht eigentlich Arbeit für den betreffenden Menschen, und das will etwas heißen.

Rahel dagegen war ein immer schaffender Geist mit wallendem Blut und wogendem Leben. Zwar kannte sie nicht die Unruhe der Zerfahrenheit, wohl aber offenbarte sich an ihr die Beweglichkeit einer stetigen Fortentwicklung und einer reichen Entfaltung des Geisteslebens. Die mächtigen Eindrücke, welche sie von den merkwürdigen Weltbewegungen der Zeit empfangen hatte, wirkten beständig in ihr fort, sie gaben ihr innerlich viel zu verarbeiten.

Da war es ihr denn tief schmerzlich, daß ihr der ältere Bruder nicht Führer, sondern Widerpart für ihre Gedankenwelt war; je mehr sie sich weiter entwickelte, umsomehr wurde ihr jetzt der, Zwiespalt zwischen ihren und ihres Bruders Anschauungen offenbar, ja er erschien ihr mehr und mehr unlösbar.

Zwar hatte sie so viel Energie in ihrem Geist, auch soviel reiche Liebe in ihrem Gemüt, daß sie niemals auf immer neue Anknüpfungsversuche dem Bruder gegenüber hätte verzichten mögen, – und sie hätte es in der That verdient, nicht immer nur neue schmerzliche Enttäuschungen erfahren zu müssen, aber es kam doch so und diesmal eigentlich auf einen einzigen Tag und eine einzige Stunde die bitterste von allen.

Sie war gerade den Tag vorher wieder bei Beatrice gewesen und ihr Herz war noch erfüllt von den Gedanken, welche die beiden Mädchen mit einander austauschten. Dennoch war es ihr eine Überraschung, als Arthur von seiner Sophaecke aus auf einmal anfing:

»Nun, Rahel, was macht Euer Messias? was schreiben Deine Altgläubigen von Jerusalem über ihren Messias?«

»Ich habe diese Woche noch keinen Brief bekommen,« antwortete sie kurz.

»Diese Woche noch keinen! was der Tausend! so häufig ist Euer Briefwechsel? das ist ja stark! Was schrieben sie denn dann in der letzten Woche? was macht die süße Lea dorten?« lachte er.

»Sie ist wohl.«

»Und ihr Messias?«

»Arthur, so rede ich nicht davon, so redet man nicht von diesen Dingen.«

»Gut, ich will lieb sein.«

»Ja, es ist auch hochnötig, Arthur! die Zeiten sind ernst, sehr ernst, da muß man nicht immer seine Späße machen über die wichtigsten Fragen!«

»Ach ja, so laß es nur gut sein. Also, ich will ganz ernsthaft reden.« – Und er schwieg.

»So rede doch!« suchte Rahel ihn jetzt ins Gespräch zu bringen.

»Ja, ich weiß im Augenblick nichts«, antwortete er gähnend.

Aber gern fing sie nun selber an; wenn diese Dinge nun einmal berührt waren, – zum bloßen Spaß sollten sie nicht berührt sein. »Und ich will es Dir nun erst noch sagen, Arthur, Du magst denken, was Du willst, – unsere Freunde in Jerusalem reden viel, sogar sehr viel vom Messias.«

»Darum kommt Euer Herr Messias doch noch lange nicht«, sagte er langweilig.

»Weißt Du das?« fragte sie.

»Weißt Du es?« gab er zurück. »Ich habe es ja auch nicht behauptet, Ihr aber wollt Eure Sachen immer ganz genau wissen!«

»Arthur, es giebt Dinge, die drängen sich heran, sie sind nicht sichtbar und nicht greifbar, aber sie drängen sich heran.«

»Was soll das heißen?« fragte er mißächtlich gähnend.

»Nun, man kann nicht alles mit Händen greifen und mit Augen sehen, aber man spürt und empfindet es doch, daß es Wahrheit ist und daß es so kommt, wie es verheißen ist,« sagte Rahel.

»Ach, mit Deinen Verheißungen!« wehrte er ab.

»Und die ganze Welt ist voll davon! Die Zeichen der Zeit drängen darauf hin!«

»Was? wo?«

»Auch unter den Christen, überall wird viel davon geredet,« sagte Rahel.

»Auch noch gar! Ich gehe auch mit Christen um, mit vielen,« lachte er, »ich habe aber noch nicht viel davon gehört.«

»Du nicht, Arthur,« sagte sie schmerzlich, »aber ich, ich weiß davon.«

»So, so! Du gehst mit Christen um, Du fromme Jüdin, du stolze Jüdin!« spöttelte er.

Sie hatte das Gefühl, bis jetzt wieder nicht glücklich gewesen zu sein, vielleicht auch nicht alles ganz richtig gesagt zu haben. Darum begann sie, ohne mehr auf die Spöttelei zu antworten, und ohne sich ferner zu scheuen, ganz rund heraus:

»Arthur, wie unter unserem Volk es gährt und sich scheidet, das sieht man doch deutlich, besonders allerdings an den Vorgängen in Jerusalem, – und gerade so gährt und scheidet es sich auch unter den Christen. Sieh, da ist die große Welt, die will nichts davon, – das ist ja wahr, – aber es giebt bei den Christen viele Leute, die um ihres Glaubens willen leiden müssen und müssen sich hassen lassen von jedermann und müssen sich plagen lassen mit Gesetz und Gesetzesstrafen, zum Teil quälerisch, Mitleid erregend, sage ich Dir! ...«

Arthur unterbrach sie: »Das ist mir bekannt, so gut wie Dir; das sind besondere Leute, Starrköpfe, die sich um alle Welt nicht in die Ordnung geben wollen, um keinen Preis! Sie sollen der Obrigkeit unterthan sein, dann wird ihnen kein Haar gekrümmt! – Warum thun sie das nicht?« rief er ärgerlich. »Warum thun sie es nicht, diese Querköpfe? Da braucht es kein Mitleid! denen ist auch nicht zu helfen, – sie sollen sich selber helfen, wenn es sie gelüstet. Sie sollen sich in die Ordnung geben, welche jetzt die ganze Welt regiert! Weiter wird gar nichts von ihnen verlangt; nach ihren Religionsmeinungen fragt kein Mensch, – kein Mensch, sage ich Dir! das spielt rein gar keine Rolle ...«

»Im Gegenteil, Arthur, das spielt die Hauptrolle! Um ihres Glaubens willen werden sie verfolgt, um ihres Messiasglaubens willen.«

»Nein! das ist nicht wahr, sondern einfach um deswillen, weil sie den Weltregenten nicht anerkennen, – nicht um der Religion willen, – das ist nicht wahr! Ich sage noch einmal: die Religion spielt hier gar keine Rolle!«

»Und ich versichere Dich, das ist die Hauptsache daran! – um ihres Messiasglaubens willen geht es ihnen so.«

Arthur schlug mit beiden Händen auf seine Kniee und sagte, sich vorwärtsbeugend, erregt: »Rahel! was gehen Dich die Religionsmeinungen der Christen an? Die Christen schimpfen auf einander und hadern mit einander, das ist das Ganze. Der eine sagt in Religionssachen so, der andere sagt anders, das ist das Ganze. Was geht das uns an? Was geht Dich aber gar der Christen Messias an? – Auch noch gar der Christenmessias! – was geht der Dich an? Was geht der uns Juden an, Rahel? Kümmere Dich nicht um diese Sachen, das geht uns Juden rein gar nichts an!«

»Ich habe das tiefste Mitleid mit jenen Leuten.«

»Das sind sie gar nicht wert, diese Rebellen der öffentlichen Ordnung!«

»Es sind keine Rebellen, ich versichere Dich.«

»Ja, das sind sie! das verstehe ich, ein Mann, der dazu noch in der großen Welt lebt, besser als Du, ein Mädchen, in diesem Winkel da! – Und weißt Du, Rahel, – wenn Du fromm sein willst und mitleidig, so denke an Dein eigenes Volk, an das Volk Israel, an seine Armen und an das, was dieses Volk von jeher durchgemacht hat!«

»Das thue ich auch, Arthur, treulich thue ich das! Du machst ja nicht die Gänge zu den Armen mit mir, die ich fast täglich mache. Aber das andere ist auch da und dabei handelt es sich nicht einmal bloß um's Mitleid, sondern es ist eine große, wichtige Frage, die schließlich alle Welt angeht. Und wenn ich schon nicht in der großen Welt lebe wie Du, so überschaue ich doch auch die Bewegungen der Zeit und kann darüber urteilen, so gut wie Du.«

»Aber man braucht sich nicht in die Religionsstreitigkeiten der Christen zu mischen; das ist nicht unsere Sache!« sagte er unwillig. Und jetzt wandte er sich wieder in jenem Ton einer aufgeregten Erklärungsweise an sie und sagte noch: »Wenn die Christen sich zanken, Rahel, dann lassen gescheite Juden die Hand davon. Die sollen sich nur zanken, soviel sie wollen und solang sie wollen, – immerzu! Da blüht unser Weizen! Jedenfalls brauchen wir sie nicht auseinanderzubringen!«

»Arthur,« sagte sie, »diese Gesinnung kann ich nicht teilen! Aber ...«

»Gesinnung?!« rief er zornig, sie unterbrechend.

»Ja, Arthur!« sagte sie bestimmt. »Aber das ist es ja gar nicht allein, sondern ich wiederhole es, es ist eine Sache, welche schließlich die ganze Welt angeht.«

»Warum denn um's Himmels willen? Nun ja, meinetwegen darum, weil es Rebellion gegen den Weltregenten ist, ja! – aber als Religionssache doch nicht!«

»Doch, gerade als Religionssache geht es alle Welt an, denn es ist eine Gewaltthätigkeit des Staats gegen religiöse Überzeugungen und ...«

»Halt einmal! das geht mir zu weit, Rahel! Und noch einmal sage ich, – selbst wenn es so wäre, was geht das uns Juden an?!« rief er.

»Arthur, – so gewiß, als Staat und Völkerleben uns auch wichtig sind und sein müssen!« sagte sie. »Sogar um des Judenvolks selber willen kann es uns nicht gleichgiltig sein. Denn den altgläubigen Juden geht es bald auch nicht anders, Du wirst es sehen. Sie werden auch noch bedrängt und gequält von diesem Tyrannen.«

Jetzt stand Arthur auf und schrie: »Was ist er? ein Tyrann sei er? das verbitte ich mir! der Weltregent ist er! Hörst Du? Oder weißt Du nicht, was das bedeutet? Vor meinen Ohren wird nicht mehr so von ihm geredet! Zu regieren weiß er, das ist wahr; es ist gut, daß er das weiß und thut – mit fester Hand, mit starkem Arm!« schrie er zornig und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Und das soll er nur thun und nur immer mehr thun! Es ist gut, daß ihm gegeben ist alle Gewalt auf Erden; er kann sie brauchen; und er wird sie noch ausnützen, ha! Sie sollen alle zu Schanden werden, seine Feinde und Widersacher!!«

Rahel war auf's Tiefste verletzt, und im Innersten empört rief sie aus, – sie schrie es fast: »Dann ist er also doch ein Tyrann, wie ich sage, ein Tyrann, von dem uns niemand mehr wird erlösen können, als allein nur ein Messias, sei es nun der Christen, oder der Juden Messias!«

Das Letztere dachte sie nicht recht klar, aber sie stieß es heraus wie den Schrei einer gequälten Seele, welche nach rechts und links um Hilfe ausschaut, woher sie auch komme, wenn sie nur käme!«

Sie war in innerster Erregung.

Sie hatte es nicht berechnet, – es war gar nichts Berechnetes in ihrer Rede, vollends jetzt nicht, – am allerwenigsten aber konnte sie ahnen, welche Wut ihren Bruder erfassen werde, als sie so sprach und in solcher Weise den Christenmessias und den Judenmessias neben einander stellte oder fast miteinander zu vereinigen schien.

»Rahel, Du bist's! Du, – Du schändest den Glauben unserer Väter! Du nennst in einem Atem den Christenmessias und den Judenmessias! Du stellst den Gekreuzigten, den Gehenkten, neben den Gottverheißenen des auserwählten Volks! – Hörst Du mich, Rahel! jetzt bin ich der Verteidiger des Glaubens unserer Väter und Du mit Deinen Sentimentalitäten wirst die Abtrünnige! – Ha, die Welt dreht sich! Was ist jetzt Glaube, was ist Unglaube?! siehst Du jetzt, wo die Wahrheit ist? Wo Vernunft ist, da ist Wahrheit; wo aber diese religiösen Träumereien sind, da wird alles zum Unsinn und erst recht zum Abfall von den Ideen unserer Väter! – ›Christenmessias – Judenmessias!‹ ha! ich hasse diese Vergleichung, ich hasse sie! Du weißt, wie ich über den Messias denke und über alles, was dazu gehört, aber das sage ich Dir:« – und jetzt erhob er Hand und Stimme gleich schauerlich: – »Wenn es einen Messias giebt, dann ist es der Weltregent! das ist mein Messias, wenn es einen persönlichen Messias giebt! – da hast Du mein Innerstes! Darauf will ich leben und sterben!« –

Ganz erregt, mit glühenden Augen und zugleich fahlen Angesichts schaute er sie an, – zürnend, grollend.

Rahel war auf's Tiefste gekränkt. Sie war empört gewesen schon über den Anfang dieser Szene, über diesen Geist der rohen Gewaltthätigkeit, des unheimlichen Fanatismus und kalten Hasses gegen freie Glaubensüberzeugung. Es wallte ihr das Blut, es wogte und stürmte in ihrem Innern. Jetzt aber schauderte ihr vor dem Abgrund, der sie, von ihrem Bruder trennte. So groß und so tief hatte sie ihn sich doch nicht gedacht. Sie hätte nicht sogleich sprechen mögen, sie zürnte dem Bruder und zugleich seufzte sie im tiefsten Schmerz innerlich auf.

Aber es war jetzt auch, als flüchteten ihre heiligsten Gedanken gleich aufgescheuchten Tauben in die tiefsten Spalten eines felsenfesten Glaubens, oder als erhüben sie sich hoch in die Lüfte, weit über alle menschlichen und irdischen Rücksichten empor. Ihr Messiasglaube schied sich ihr gerade jetzt erst recht deutlich ab von menschlichen Meinungen oder willkürlichen Ansichten. Er ward ihr nun erst recht zum teuerwerten Heiligtum ihres Herzens. Sie trug ihn wie ein heiliges Opfer betend vor sich her und brachte ihn vor Gott, vor den Gott ihrer Väter, den Gott der alten Verheißungen. Sie bemitleidete die leidenden Christen, die messiasgläubigen, und sie gedachte zugleich des sich sammelnden Volks der altgläubigen Juden im gelobten Lande. Sie verglich den Christenmessias, auf welchen jene die Hoffnung setzten, – und den Messias des Volkes Israel, welcher gewiß und vielleicht bald kommen werde.

Sie fragte sich unwillkürlich, wer wohl unglücklicher sei, die bedrängten Christen, welche jetzt, – oder die altgläubigen Juden, wenn diese wohl auch bald werden bedrängt werden; wer wohl mehr von dem Weltregenten werde zu fürchten haben, diese oder jene? und wer wohl mehr Hoffnung im Herzen habe oder einen festeren Glauben an einen Messias, diese oder jene? – und endlich, wer wohl herrlicher erretten werde, der Christenmessias oder der Messias, auf welchen die Juden hoffen?

Sonderbar diese Frage! sonderbar dieser ganze Gedankengang, diese Vergleichung! Zu jeder andern Zeit hätte sie es weit weggeworfen, überhaupt von dem Christenmessias etwas zu halten, überhaupt an ihn zu denken oder doch anders als mit Geringschätzung und angeborenem Stolz von ihm zu reden, wie alle andern Juden auch. Aber jetzt, da ihr Mitleid mit den gequälten Christen nur immer mehr wuchs, jetzt, da sie im Gegensatz zu dem eigenen Bruder ein tiefes, nur immer tieferes Mitleid mit den armen Christen empfand, jetzt war ihr auf einmal auch der Christenmessias viel näher gerückt in ihrem Vorstellungskreis. Sie wandte sich nicht mehr von ihm ab, sie schaute ihn im Geist an, sie wünschte ihn eigentlich fast für die Christen herbei, weil diese Armen selber ihn so sehnlich wünschten. Sie hätte ihnen alle seine Gewalt und alle seine erlösende Liebe so herzlich gern gegönnt. Sie wäre so froh gewesen, wenn sie in die ganze Welt hätte hinausrufen können: ›O Ihr Christen! hebet Eure Häupter auf, darum daß sich Eure Erlösung naht!‹ oder so etwas dergleichen. – – Aber ach, den Juden bangte ja auch; sie hatten ja wohl auch bald Hilfe nötig, sie zitterten vor demselben Tyrannen, – ja wohl Tyrannen! – diesem unheimlichen Menschen, diesem allgewaltigen, diesem finsteren, unerforschlichen, undurchschaubaren Menschen, – diesem Ungeheuer! Sie hätte sich an ihm vergreifen mögen in ihrer fürchterlichen Aufregung. Sie lästerte ihn fast in ihrem Innern, sie fluchte ihm! Es wogte und kämpfte immerfort in ihr. – Sie sah nicht von ihrer Arbeit empor. Arthur war hinausgegangen. Er hatte es selber gescheut, weiter zu reden. Er war aber auch zu wutentbrannt. Es hatte sich bei beiden einmal so recht die orientalische Glut entfacht.

Was dachte er nur selber, daß er so tobte! Aber sein Herz war offenbar geworden, nachdem er so lang immer nur mit dem Verstand zu reden und zu denken gemeint und vorgegeben hatte. Er fühlte wohl selbst, welch' ein Riß geschehen war, – welch ein Abgrund sich zwischen beiden aufgethan hatte. Doch es war ihm nicht einmal leid! – War er wohl selbst ein Mensch des Abgrundes? – –

Als er schon lange hinausgegangen war, saß sie immer noch da, still, ganz allein, das Blut starrte ihr jetzt fast, wenn sie dran dachte, was geschehen war; jawohl geschehen, nicht bloß geredet. Denn solche Worte sind Thaten, leider Thaten, ob Übelthaten oder nicht, – jedenfalls Thaten, und keinesfalls Wohlthaten! Lange lange saß sie noch da; sie senkte den Kopf mit der heißen Stirn auf ihren Arm, der auf dem Tisch lag, sie zitterte, – sie weinte laut und weinte bitterlich.

Dann wurde sie ruhiger und überdachte sich vieles. Nach langer Zeit streckte sie dann die Hand nach ihrem Psalter aus und las darin. Was sie aber las, das war der 37. Psalm, in welchem geschrieben steht: ›Es ist noch um ein Kleines, so ist der Gottlose nimmer, und wenn Du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein. Aber die Elenden werden das Land erben und Lust haben in großem Frieden. Der Gottlose drohet dem Gerechten und beißt seine Zähne zusammen über ihn. Aber der Herr lachet seiner, denn er siehet, daß sein Tag kommt. Die Gottlosen ziehen das Schwert aus und spannen ihren Bogen, daß sie fällen den Elenden und Armen und schlachten die Frommen. Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen und ihr Bogen wird zerbrechen. Der Gottlosen Arm wird zerbrechen, aber der Herr erhält die Gerechten. Der Herr kennt die Tage der Frommen und ihr Gut wird ewiglich bleiben Sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit und in der Teuerung werden sie genug haben. Denn die Gottlosen werden umkommen und die Feinde des Herrn; wenn sie gleich sind wie eine köstliche Aue, werden sie doch vergehen wie der Rauch vergehet. Der Gerechte ist barmherzig und mild und die Gesegneten des Herrn erben das Land, aber seine Verfluchten werden ausgerottet?‹


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