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VI. Kapitel.
Strahlende Herrlichkeit.

Motto:

Sie werden kommen sehen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.

Matth. 24, 30.

So ging noch ein Tag hin und wieder einer, – – was wird das Ende sein?

Und was ging wohl jetzt in dem Weltregenten selber vor? Ein stolzer Menschengeist ist unerforschlicher als der Erde Tiefen, dieser Mensch des Abgrunds war unergründlicher als des Meeres Grund. Wer erkannte jetzt in seinem unsteten Auge, in seinem stechenden Blick, was obenan sei, – der Geist der Rache über sein eigenes Volk drinnen in Jerusalem, oder der Geist des Hasses gegen die Christenheit, zerstreut in aller Welt, – der verachtende Stolz gegenüber der erniedrigten Menschheit, welche ihm ja doch noch immer zu Füßen lag, oder der dämonische Trotz gegen Gott, den Allerhöchsten, und seinen Gesalbten, den Heiland der Welt?

Rüste dich, Tyrann, es kommt ein Mächtigerer über dich! Eile, Bluthund, wenn dich noch nach einem Raub gelüstet! – Ja, er gedachte noch einen Schlag zu thun! Sollte er fallen und das Wort an ihm sich erfüllen: ›und einer fällt, – ein Herrscher ohne gleichen!‹ Psalm 110, 6. so wollte er doch mit einem Raub von Millionen Menschen dahingehen, Gott seine Ehre nehmen und dem kommenden Messias seine Freude und seine Krone, – sein Eigentumsvolk vernichtet, seine Christenschar verstreut, wie Spreu, in alle Winde verweht, die Menschheit aber abgefallen und unwiederbringlich verloren, weil völlig abgewendet dem treuen und wahrhaftigen Gott, förmlich abgeschworen ihrem Messias, dem Heiland der Welt! – Der heutige Tag sollte sein Tag sein, dieser letzte Weltentag der Tag des Weltregenten, des Antichrists! Die Lästerung sollte vollendet, der Fluch der Menschheit besiegelt werden durch den feierlichsten Herrschaftsakt, der sich je in der Weltgeschichte vollzogen, durch eine noch einmal neu entfesselte allgemeine Begeisterung dieser Völkerscharen für ihn, und durch die so im Sturm wieder zurückeroberte anbetende Huldigung der ganzen, ganzen Menschheit!

Aber wie sollte das jetzt noch möglich sein? – – Wie? Stand ihm nicht der Zauber lügenhafter Kräfte zu Gebot? konnte er nicht diesen letzten Betrug noch ärger als den ersten machen? Konnte er nicht darauf hinweisen, daß das Zeichen am Himmel ein Zeichen für ihn, sein Zeichen sei, – ein Zeichen dafür, daß er, der Herr der Welt, wie längst der Erkorene aller Nationen, so jetzt, am heutigen Festtag aller Völker, der Erkorene Gottes des Allerhöchsten sei, der wahre Messias der Menschheit und ›der Gesalbte Gottes‹ selbst? – Und dann auf!! zurück nach Jerusalem! Auf, zum Berge, Zion!! in den Tempel Gottes und ...

Halt, Halt! – ›Warum toben die Heiden und die Völker reden so vergeblich? Die Könige auf Erden lehnen sich auf, und die Herren ratschlagen mit einander wider den Herrn und seinen Gesalbten! Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer und der Herr spottet ihrer; er wird mit ihnen reden in seinem Zorn, und in seinem Grimm wird er sie schrecken! »Ich habe schon meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berge Zion«!‹

Aber ›eile, eile, Herr, dein Volk zu erretten! Stehe auf, Herr! Gott, erhebe deine Hand, vergiß die Elenden nicht! Warum soll der Gottlose Gott lästern und in seinem Herzen sprechen: du fragest nicht darnach? Du stehest ja, du schauest das Elend und den Jammer! Es steht in deinen Händen, – die Armen befehlen es dir! Zerbrich den Arm des Gottlosen! Herr, mache dich auf, überwältige ihn!‹

Siehe da! Siehe da! Was ist das in des Himmels Wolken? Wer ist der Hochherrliche dort? seine Augen wie Feuerflammen, unverwandt jetzt auf den einen gerichtet, seinen Feind hier unten! – Wer ist dieser König, der da kommt? ein König, dem kein König gleicht, voll überirdischer Majestät, voll strahlender Herrlichkeit rings um ihn her! – Ja wahrhaftig! mit Augen zu schauen! er ist es, er ist es, der Gekreuzigte, der Auferstandene, der Herr und Heiland der Welt! Er kommt in des Himmels Wolken, und strahlende Herrlichkeit um ihn her, die Menge der himmlischen Heerscharen! Das ist eine Majestät an ihm! das eine Macht um ihn, die alles zittern und beben macht!

Da unten aber lagern die Völkerscharen auf weitem Plan, eine Welt in Waffen starrend, und mitten inne noch das stolzeste Heerlager, der Weltregent mit allen seinen Großen, mit einem glänzenden Gefolge aus allen Nationen, mit einer ausgesuchten Prachtentfaltung für diesen heutigen, von ihm erwählten festlichsten Tag.

Und er schaut auch empor; er sieht ihn, den wahrhaftigen Messias, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, – ihn sieht auch er, – und aus ist es mit ihm!!

Wohl stellt er sich, stolz zu Roß, majestätisch auf, – trotzen will er bis in den Tod hinein! Trotzend will er sterben, wenn er nicht triumphieren kann; das Schwert will er noch zücken, mit dem Schwert in der Hand ihm begegnen, dem Hocherhabenen, – aber gebannt steht der Mann des Bannes, der Feind Gottes, der Widersacher Christi und der Christen, der Fluch der Menschheit und der Mensch der Sünde! Auge in Auge, so hat er es gewollt; bis an die Grenze des Möglichen treibt er seine Lästerung, – aber ein mächtiges ›Halt‹ ist ihm geboten! Sein Wille war ein stürmisches Meer, doch ›bis hieher und nicht weiter‹! ›hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!‹ so heißt es jetzt!


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