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28. Kapitel

Nein, es war nicht möglich, ich träumte! Es war meine Frau, meine Liebe, mein Name, meine Ehre, welche auf diese Weise von mir schieden! Wie! Sie fand es ganz natürlich, daß sie unser Haus, ihr Kind und mich verließ, um uns nie mehr zu sehen. Die Tür hatte sich hinter ihr geschlossen, alles hatte nun ein Ende genommen, ihre Schwüre, ihre Pflichten, ihre Familie, die Liebe, die Vergangenheit und die Zukunft! Alles, was wir uns gesagt hatten, war also nicht mehr wahr. Sie nahm sich wieder zurück, sie war frei. Man konnte sie sehen, wie sie die Straßen entlang ging, sie bewundern, ihr folgen, sie lieben.

»Wohin geht sie?« schrie ich, als sie verschwunden war.

»Höre mal,« sagte Konstantin, indem er mich scharf ansah, »es hat noch keinen öffentlichen Skandal gegeben. Wenn du dir nicht die Kraft zutraust, ohne dieses Weib zu leben, so sage es gleich; ich werde sie dann zurückrufen, und das, was geschehen ist, wird zwischen uns dreien ein ewiges Geheimnis bleiben. Du wirst nicht der erste Mann sein, der seine Liebe über seine Würde gestellt hat. Aber dann keine Vorwürfe, keine Beschimpfungen, keine Demütigung und kein Bedauern! Und damit dies eben nicht der Fall ist und damit du weißt, mit wem du es zu tun hast, so höre: Deine Frau hatte meines Wissens fünf Liebhaber, eher mehr als weniger.«

»Was sagst du?«

»Ich sage dir, daß sie die lasterhafteste Person ist, die mir jemals vorgekommen ist. Bedenke, was das bei mir sagen will, der ich Soldat bin, und die Frauen kennen gelernt habe.«

Ich faßte mit beiden Händen nach meinem Kopfe, um bei Verstand zu bleiben.

»Fünf Liebhaber,« wiederholte ich, »fünf Liebhaber! Was hast du da gesagt? Die Namen dieser Männer!«

»Du wirst dich doch nicht mit allen schlagen wollen. Du würdest dich nur lächerlich machen. Alle Welt um dich her kannte das Betragen deiner Frau. Du warst der einzige, der nichts davon gewußt hat und auch keinen Verdacht schöpfte. Ein dutzendmal stand ich auf dem Sprunge, dich von allem in Kenntnis zu setzen. Aber man sagt solche Wahrheiten nicht gern, wenn einen die Ereignisse nicht dazu zwingen. Hier in demselben Zimmer, in welchem wir uns jetzt befinden, habe ich deine Frau wie eine Straßendirne behandelt. Mit vollgültigen Beweisen in der Hand habe ich ihr gedroht. Meine Liebe zu dir hatte mich zu diesem Schritte veranlaßt. Und weißt du, was sie mir mit unerhörter zynischer Frechheit geantwortet hatte: »Sie werden sehen, daß er Ihnen nicht glauben wird.« – »Aber warum betrügen Sie ihn; er ist jung, schon, berühmt, er macht Sie reich und glücklich.« – »Soll ich ihn vielleicht lieber mit Ihnen betrügen? Fällt mir nicht ein. Lassen Sie mich gefälligst leben, wie es mir beliebt, oder denunzieren Sie mich, wenn Sie dies für besser halten; vielleicht erweisen Sie mir sogar einen Dienst damit.«

»Von wann datiert denn diese Geschichte?«

»Seit Serge zurück ist. Er war der erste und er hat auch alle anderen überdauert; aber Serge, das ist nicht mehr eine Liebe oder Laune, es ist nicht einmal mehr eine Liederlichkeit, sondern Serge ist ein Geschäft.«

»Fahre fort, sage mir alles!«

»Jawohl, ich werde dir alles sagen, so wie ich wünschte, alles zu erfahren, falls ich ähnlichen Qualen ausgesetzt wäre. Denn wir sind Männer, vor allem Ehrenmänner und unsere Ehre, unsere Würde und unser Leben können nicht immer abhängig gemacht werden von den Launen dieser nichtsnutzigen Geschöpfe, ob diese nun unsere Frauen oder unsere Mätressen sind. Und deshalb ist es notwendig, daß ein anständiger Mensch gerade heraus ohne Tränen und ohne sich schämen zu müssen, sagen darf: »Ich habe meine Frau weggejagt, weil sie schamlos war, und ich muß sie meinen Namen durch den Kot schleifen lassen, weil das Gesetz so lückenhaft, so ungerecht und so töricht ist, ihr diesen Namen noch weiterhin zu belassen.« Lassen wir irgend einen Weisen aus dem Innern Afrikas kommen und sagen wir zu ihm: »Wir sind die Gebildeten der Welt, wir üben eine Religion aus, die der Sohn Gottes selbst begründet hat. Wir haben Revolutionen gemacht im Namen der Gerechtigkeit, der Moral und der Freiheit; wir haben den Gedanken durch den elektrischen Funken; wir haben Zeit und Raum überwunden; wir haben den besten der Könige, den Tugendhaftesten der Menschen geköpft, seine Frau und seine Schwester hingerichtet, weil wir glaubten, daß er der Kulturentwicklung des Jahrhunderts im Wege stehe. Ist das nicht alles recht schön und erhebend? Wenn wir aber unseren Namen einem Weibe gegeben haben und wenn dieses Weib uns betrügt, sich auf offener Straße ausbietet und preisgibt, so bleibt sie immer noch unser Weib. Weder sie noch ich können unsere früheren Rechte und unsere einstige Ehre wiedererlangen; die Kinder, die ein anderer mit ihr gezeugt, sind meine Kinder, wenn ich nicht zwischen uns den Ozean setzen kann. Die Kinder, die ich mit einer anderen Frau zeuge, sind jedoch nicht die meinigen. So bin ich verurteilt zur Verzweiflung, zur Einsamkeit, zur Unfruchtbarkeit, solange dieses Weib lebt, solange ich nicht den geistvollen Einfall habe, sie in flagranti zu erwischen und sie zu töten.« Was wird nun der Weise sagen? Er wird antworten: »Behaltet eure Wissenschaft und eure Fortschritte, euer Schafott und euren Gott. Ich will dahin zurückkehren, wo der Mann nicht der Sklave und das Spielzeug des Weibes ist.« Er hat recht, es ist so; wir werden aber daran nichts ändern.

Kurz, um auf die Sache zurückzukommen: Die Gräfin Dobronowska war tatsächlich an einen reichen und vornehmen, aber stumpfsinnigen Mann von Adel verheiratet. Sie hatte ihn im Handumdrehen ruiniert, ist ihm dann durchgegangen und er ist später komplett blöde in einer Irrenanstalt gestorben. Ein russischer General war der Nachfolger des Grafen. Eines schönen Tages überraschte er diese Dame in den Armen seines Kutschers. Er schlug sie erst braun und blau und warf sie dann vor die Tür. Das ist deine Schwiegermama. Wenn die Frauen einmal zu sinken anfangen, dann gibt es keinen Halt mehr und sie fallen von Stufe zu Stufe bis in den tiefsten Kot. Der Schwiegersohn der Gräfin, derselbe, von dem sie immer als dem »Manne ihrer Tochter«, ihrer anderen Tochter, spricht, ist ein sehr anständiger Mensch. Er hatte mit der ältesten Tochter, in die er verliebt war, etwas angebandelt, sie aber dennoch geheiratet; allerdings jedoch sofort mit der Schwiegermutter jede Beziehung abgebrochen. Er gab derselben eine größere Abfindungssumme, die sie, wie alles übrige, rasch durchgebracht hat. Er wollte Iza zu sich nehmen, um sie zu retten, obwohl er wußte, daß sie Minatis Tochter sei, dessen Charakter ihnen beiden anhaftete und dem, wie du siehst, ganz reizende Geschöpfe das Leben zu verdanken haben. Der Schwiegersohn wollte Iza ausstatten und mit einem seiner Bekannten verheiraten. Die Mutter hat das Anerbieten ganz entschieden abgelehnt, sie rechnete auf ihre Tochter, um von neuem ihr Glück erstehen zu sehen. Als sie sich von Paris nach Petersburg begab, hoffte sie, das Mädchen an den Großfürsten Thronfolger verkuppeln zu können. Dieser ließ sie aber vor die Tür setzen. In Warschau haben sie sich elend genug durchgeschlagen, bis sie endlich auf Serge stießen, einen harmlosen Menschen, wie du es bist, welcher Iza sicherlich geheiratet hätte, wenn seine Familie nicht solche starke Mittel angewendet hätte, die in Rußland nie ihre Wirkung versagen. Es lebe das absolute Regiment in solchen Fällen! Ob Iza Mitschuldige ihrer Mutter war, weiß ich nicht, aber ich glaube es. Ob zwischen diesen beiden jungen Leuten noch sonst etwas vorgefallen ist, kann ich dir nicht sagen. Du mußt es besser wissen, so unschuldig du auch warst, falls man dir auch da nicht Sand in die Augen gestreut hat wie in anderen Fällen. Der kleine Dummkopf hat alles Geld hergegeben, worüber er verfügen konnte, er hat seine Pferde, seine Wagen, seine Schmucksachen und seine Möbel verkauft, um zu Geld zu kommen; er hat Wucherern unterschrieben; er hat versprochen, geschworen, wiederzukommen; aber ich weiß nicht, was nun weiter geschehen ist, er ist nicht gekommen und hat auch kein Geld geschickt. Den Rest kennst du.

Du hast geschrieben, du wärest verliebt. Hat das Mädchen vielleicht eine edle Regung verspürt? Hatte sie sich, beschämt und ermüdet von all den fehlgeschlagenen Hoffnungen und kompromittierenden Schritten, entschlossen, dich zu heiraten und eine anständige Frau zu werden, wie ihre Schwester geworden, und ihre Mutter zu verlassen? Es ist möglich. Du siehst, ich bin unparteiisch und will auch ihr gerecht werden. Jawohl, sie war aufrichtig, als sie deine Hilfe so heiß anrief. Die Frauen sind zu allem fähig, selbst zum Guten. Wenn du ihr, anstatt sie mit so unbegrenztem Vertrauen zu lieben, jene Liebe entgegengebracht hättest, wie sie ein so junges, so schönes und so schlecht erzogenes Mädchen braucht, d. h. wenn du sie auch nicht einen Schritt Weges allein gelassen hättest, dann hättest du vielleicht ihre schlechten Instinkte besiegt, da du doch alle Eigenschaften besaßest, um sie zu befriedigen. Es ist indessen zweifelhaft. Denn das Blut der Minati rollt in ihren Adern. Mit ihr allein wärst du vielleicht noch fertig geworden, aber sie und die Mutter, das war zu viel für einen Mann von Herz.

Als Serge majorenn wurde und in den Besitz seines Vermögens gelangte, kehrte er nach Warschau zurück, um Nachforschungen über seine Ex-Braut einzuziehen. Er erhielt Kenntnis von deren Verheiratung, machte der Gräfin Vorwürfe, daß sie in ihrer Ungeduld auf ihn nicht gewartet habe und sagte, daß er ihre Tochter immer noch liebe. Die Gräfin sah nun ein, wie viel sie verloren; sie setzte sich nun in den Kopf, einen Teil davon dennoch in ihre Hände zu bekommen und durch Ehebruch das zu erlangen, was sie nunmehr durch die Ehe selbst zu erreichen nicht mehr vermochte. Sie war nicht die Frau danach, um sich eine solche schöne Gelegenheit entgehen zu lassen und auf die Dauer sich damit zufrieden zu geben, was du ihr schicktest. Sie nahm nun die Korrespondenz mit Iza wieder auf und schrieb ihr polnische Briefe, die du nicht gelesen hast und die du auch gar nicht verstanden hättest. So wurde, man könnte sagen unter deinen Augen, die Intrige angeknüpft, die du heute früh entdeckt hast, deren Einzelheiten deine arme Mutter erfahren und mir wiederholt erzählt hat, und die ihr das Herz gebrochen haben. Die Gräfin machte sich in Paris seßhaft. In ihrer Wohnung fanden die ersten Zusammenkünfte ihrer Tochter mit Serge statt, bis dieser, angewidert von dieser schändlichen Kuppelei, in der Rue du Marché d'Aguesseau selbst Appartements mietete und dieselben prachtvoll möblierte.

Die Rückerstattung der gräflichen Güter – Geschenk von Serge; die Diamanten und Smaragden von der Schwester – Geschenk von Serge; der anonyme Brief, von dem du mir einmal erzähltest und in welchem dir der Rat erteilt wurde, Iza nachzuspüren – Erfindung der Gräfin, welche ganz gut wußte, daß nach diesem angeblich falschen Verdachte dein blindes Vertrauen um so gefestigter sein würde. Ein Grab als Kuppler! Das ist in der Tat eine verteufelt geistvolle Idee. Woher ich alle diese Details weiß? Von Serge, welcher mir sie soeben, wenn auch widerstrebend, mitgeteilt hat; die anderen habe ich von meinem Schwager erfahren, der sie wiederum von seinem Kollegen auf der russischen Botschaft weiß.

Dies alles wird dir die Zurückhaltung meines Vaters und meiner Schwester deiner Frau gegenüber erklären. Allerdings, mein lieber Freund, trägst auch du an vielem, was dir zugestoßen ist, die Mitschuld. Die Enthaltsamkeit und Keuschheit haben sicherlich ihre guten Seiten; aber für deine Ruhe und dein Glück wäre es wohl ersprießlicher gewesen, wenn du gleich mir dich ein wenig auch an minder tugendhaften Orten umgesehen hättest. Das sind die offenen Schauplätze der Liebe. Du hättest hier Erfahrungen gesammelt in anima vili und du wärst bewahrt geblieben vor dem Zauber goldener Haare, blauer Augen, alabastener Nacken und aller körperlicher Vollkommenheiten des Weibes. Du hättest begriffen, daß man, wenn man schon diese erste Torheit begeht, sich zu verheiraten, nicht auch in die zweite verfallen darf, ein Mädchen von so ausnehmender Schönheit zu wählen. Diese Sorte von Frauen taugt nicht für die anständigen Reize und Schönheiten des Familienlebens. Man läßt sie singen, malt oder modelliert sie, man liebt sie, aber man heiratet sie niemals. Die Würde und Schamhaftigkeit, das Gewissen und das Gefühl für das Rechte, die Pflicht und die Anhänglichkeit an Mann und Kind, ja sogar die Liebe selbst sind für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Das alles findet sich nur bei den gewöhnlichen Frauen vor. Jedem das Seine. Diese Damen aber sind nur für das Vergnügen geboren und sie kennen nichts anderes als ihre Laune. Sie weilen unter uns, um zu entzücken, aber nicht, um mitzuempfinden. Sie halten sich ängstlich fern von allem, was ihre Schönheit vermindern oder zerstören könnte. Die Ehe ist für sie nur das Sprungbrett, von welchem aus sie sich kopfüber in das galante Leben stürzen. Der Mann hat für sie gar keinen Wert, außer den, daß seine Stellung ihrer Schönheit zur Folie dient; der Liebhaber bedeutet für sie noch weniger, sie fragen größtenteils weder nach dem Stande, noch nach dem Alter, noch nach dem Geiste ihres Verehrers. Herrschen und auffallen, das ist ihr Beruf; sie gleichen jenen Souveränen, denen alle Hurrarufe, aus welchem Munde immer sie auch kommen mögen, angenehm sind, und die für alle gleich freundlich danken. Je tiefer die Stelle, von welcher der Weihrauch kommt, desto angenehmer ist er ihnen. Und wenn niemand anderes als ein Lakai oder ein Taglöhner zur Hand ist, nehmen sie auch mit der Anbetung des Lakaien und des Taglöhners vorlieb. Man könnte Namen nennen, welche deutlich die Wahrheit dessen beweisen.

Die Fabel von Diana und dem Schäfer, die man den olympischen Gottheiten nacherzählt, ist schließlich auch nichts anderes. Sie ist nichts mehr als eine von den kühnen Schamlosigkeiten und skandalösen Liebeleien, wie sie von der Mehrzahl der berühmten Schönheiten erzählt wird; Liebschaften, über die die Nachwelt noch bis heute staunt. Diese Anomalien entbehren nicht der Logik. Die Schönheit verlangt wie jede Macht nach Untertanen; für eine Frau von auffallender Schönheit ist ein hervorragend schöner Mann weder als Verehrer, noch als Geliebter denkbar. Er ist ein Gleichberechtigter und daher ein Feind. Ein berühmter Mann paßt ihnen eigentlich gar nicht, weil sie von seinem Ruhm in Schatten gestellt zu werden fürchten. Sie ziehen den Durchschnittsmenschen vor, der leicht zu beherrschen und leicht zu leiten ist. Sie wollen mit niemand die Bewunderung, welche sie erregen, teilen, noch weniger jedoch an einer Bewunderung Teil haben, die ein anderer hervorgerufen. Sie lieben nicht, um zu lieben, sondern um geliebt zu werden. Ihr ganzes Streben geht dahin, Bewunderung zu erregen und durch stete Abwechslung ihr korrumpiertes Nervensystem zu reizen.

Dieser Art war, mein armer Freund, das Weib, das du geheiratet hast. Du hast in deiner Harmlosigkeit die ihr angeborene Sinnlichkeit in ihr erweckt. Du hast unglücklicherweise den öffentlichen Blicken ihre Schönheit preisgegeben, welche sie nie hätte ahnen dürfen. Du hast sie unsterblich gemacht, um sie kurze Zeit darauf für immer zu verlieren. Denn die Bewunderung allein hat ihr bald nicht mehr genügt. Nachdem sie in Marmor und Bronze durch alle Hände gegangen war, hat sie die Lust angewandelt, sich den Zweiflern an ihrer Schönheit zu enthüllen, die Ungläubigen zu überzeugen. Eine feile Galatee, hat sie sich dem ersten besten an den Hals geworfen; aber sie begnügte sich nicht mit Blumenspenden und Liebesschwüren, sondern sie verlangte Diamanten und Gold. Das hat die ganze Welt von deiner Frau gewußt. Diejenigen, welche dich nicht für den Mitschuldigen hielten, haben dich keinesfalls von jeder Verantwortlichkeit freigesprochen. Man glaubt nicht, daß ein Mann von deinem Werte so schmählich und so offenkundig betrogen werden kann, ohne es zu wissen, oder ohne daraus Nutzen zu ziehen. Wenn man deinen Schmerz sehen wird, wird man sagen, daß es dir recht geschehen ist. Das Leben, das du nunmehr beginnen mußt, wird aber beweisen, daß du nur unglücklich gewesen bist.

Was nun den Namen dieser Männer betrifft, so hat es keinen Zweck, dir sie zu nennen. Sie hatten keine Verpflichtung gegen dich und sie verachten deine Frau ebenso wie du. Du bist das Opfer einer Tatsache geworden, die Persönlichkeiten kommen hier nicht in Betracht. Wäre es nicht dieser, so wäre es ein anderer gewesen.

Weißt du aber, warum sie so rasch, so ruhig sich entschlossen hat, wegzugehen? Weil sie sofort eingesehen hat, daß sie aus der Situation Nutzen ziehen kann. Sie war doch zweifellos dir gegenüber so höflich, wenigstens den Versuch zu machen, sich zu entschuldigen. Die erste Regung einer schuldigen Frau ist instinktiv die, ihre Schuld zu leugnen. Aber sie wollte unter den gegenwärtigen Umständen gar nicht, daß du ihr verzeihest. Wegen Serge wird sie von dir weggejagt, Serge trägt nun alle Schuld – und Serge ist vielfacher Millionär. Du begreifst wohl! Das ist die Schande, die Entehrung und die Käuflichkeit, aber es ist zugleich auch der Luxus. Denn der Wohlstand und der Reichtum, mit dem du sie umgeben konntest, schien ihr für ihre Schönheit nicht der ganz würdige Rahmen zu sein. Sie träumt in diesem Augenblick von der Berühmtheit einer Aspasia, einer Marion de Lorme und einer Ninon de Lenclos. Aber sie wird nicht straflos ausgehen, ich habe die Strafe für sie gefunden.

Anstatt Serge in deinem Namen zu fordern und dein Leben und das seinige aufs Spiel zu sehen, habe ich ihm alles mitgeteilt, was vorgefallen ist, und ihm ebenso wie jetzt dir gesagt, mit was für einem Geschöpf er es zu tun hat. Ich habe ihm mein Wort gegeben, daß wir die Sache auf sich beruhen lassen, wenn er mir schwört, daß er Iza niemals mehr sehen wolle, und daß er ihr niemals eine Unterstützung zuteil werden lasse. Es war sehr leicht, ihm zu beweisen, wie lächerlich es wäre, wenn er für ein derartiges Weib sein Leben in die Schanze schlüge, und welche Vorwürfe er sich machen müßte, wenn er das Unglück hätte, dich zu töten. Er hat geschworen und wird Wort halten, denn er ist ein Ehrenmann. Mit der Ehrenhaftigkeit ist es nun eine eigene Sache. Man kann einem Manne, den man nicht kennt, oder auch den man kennt, sein Weib stehlen, diesen Mann zur höchsten Verzweiflung bringen, und man kann dennoch unfähig sein, auch nur einen Sou zu entwenden oder sein Wort zu brechen. Es ist nun mal so und ich kann es nicht ändern. Dein reizendes kleines Weibchen wird nun gezwungen sein, mit ihrer Mama zu leben, welcher Serge im selben Moment jede Unterstützung entzieht. Wenn sie nun alle ihre Schmucksachen verkauft haben werden, wozu es wohl nicht lange brauchen wird, dann werden sie zurücksinken in die Armut, welche die Schande, die Verzweiflung und die Strafe der Dirnen ist. Dixi!«

»Und ich?«

»Du wirst dein Kind zu meiner Schwester bringen, welche es mit den ihrigen erziehen wird bis zu jenem Alter, in welchem es dich wird trösten können. Du wirst nach Florenz reisen, oder nach Rom und wirst dich mit großen Arbeiten beschäftigen, wie es alle großen Künstler tun müssen, die einen ungeheuren Schmerz erlitten. Ich werde dich begleiten, damit du dir nicht in irgend einem Winkel aus schlecht angebrachter Sentimentalität eine Kugel durch den Kopf schießest. Und wenn du ein Weib brauchen wirst, dann machst du es wie ich. Du bezahlst sie nach ihrem Werte. Das wird dich nicht zu Grunde richten. Du wirst geheilt werden, wirst dann geheilt zu uns zurückkehren und mit jenen leben, die dich in der Tat lieben. Bist du einverstanden?«

»Ich tue, was du willst.«

»Du schläfst nun heute bei mir; die Nacht wird dir wohl etwas schwer ankommen, aber ich bleibe bei dir. Wir reisen morgen in den ersten Stunden ab; Rom, Florenz und Venedig – es gibt nichts Schöneres im Monat September. Und dann wollen wir versuchen, an diese ganze Geschichte nicht mehr zu denken. Packen wir die Koffer.«


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