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19. Kapitel

Ich habe Ihnen diese Szene mit allen Details geschildert. weil sie in nuce die drei Laster zeigt, welche dieses Weib vernichten und mich in den Abgrund mit hineinziehen mußten: die Schamlosigkeit, die Undankbarkeit und die Sinnlichkeit.

Bei mir hat diese Szene, ausgenommen die bereits erwähnten rüden Worte wegen der silbernen Schale, auf die Dauer keinen anderen Eindruck hinterlassen als den der Liebe, der Unschuld und der Ausgelassenheit. Iza wiederholte oft derartige Auftritte oder richtiger gesagt, wir beide taten es, weil ich an allen ihren bizarren Einfällen Anteil hatte. Sie nannte mich Daphnis, ich sie Cloë und schließlich kam es so weit, daß ich derartige extravagante mythologische Badereminiszenzen, welche schon seit langem aus unseren zivilisierten Sitten verschwunden sind, ganz natürlich fand.

Diese Uebungen und Kämpfe mit den Elementen waren auch ganz nach meinem Geschmacke. Es hätte übrigens nichts an diesen Streichen gelegen, wenn es dabei geblieben wäre. Iza war aber eine durchaus sinnliche Natur und faßte fast ausschließlich von diesem Gesichtspunkte aus die Ehe auf.

Ich muß hier eine Bemerkung einschalten und bin gezwungen, eine delikate Angelegenheit zu berühren.

Nach dem Anklageakt wird man unzweifelhaft glauben müssen, daß ich meine Frau – sie hat ja seit unserer Trennung, um sich zu entschuldigen, es selbst stets gesagt – als Modell benutzt habe. Man macht mir daraus den Vorwurf, daß ich dadurch das junge Mädchen, welches mir das Gesetz ganz in mein Eigentum überliefert hatte, und dessen Unschuld und unbegrenztes Vertrauen ich hätte respektieren müssen, demoralisiert habe.

Die erste Behauptung ist wahr, die zweite falsch. Die Demoralisation war ihr angeboren, das Lasterhafte lag in dem Blute dieses Mädchens. Wenn einer von uns durch den andern seines sittlichen Haltes beraubt, demoralisiert wurde, so war diesmal der Mann durch das Kind verdorben worden. Jawohl! Mir war die Sehnsucht nach Liebe angeboren; vor meiner Ehe hatte ich sie bekämpft, mich vor ihr zu meiner Arbeit gerettet, durch meine ideale Liebe mich vor ihren Genüssen und Verirrungen geschützt; aber als ich in die Ehe getreten war, brauchte ich alle diese Gefühle und Begierden nicht mehr zu unterdrücken, dies um so weniger, als sie von meiner Frau geteilt wurden. Damals waren wir – weder sie noch ich – schuldig. Ich zählte 26 Jahre, Iza war kaum 18 Jahre alt, sie war die Schönheit, ich war die Kraft – und wir liebten uns.

Ich will Ihnen aufrichtig sagen, da Sie meine Beichte entgegennehmen, welches mein erstes Gefühl war, als ich das Recht erlangt hatte, dieses himmlische Wesen ganz und gar mein zu nennen. Es war mehr dasjenige der Bewunderung und des Entzückens, als das des Wunsches und der Begierde. Das ist eben die bezwingende Macht der höchsten und vollkommensten Schönheit. Sie entflammt die Begeisterung, sie trägt Entzücken in die Seele, bevor sie zu den Sinnen spricht. In seinem wunderbaren Gemälde »Venus und Adonis« hat Proudhon diesen Eindruck mit der Zartheit eines wirklichen Poeten und des wahrhaft Liebenden veranschaulicht. Die Herrlichste der Huldinnen des Olymps gibt sich ganz unbekleidet und ganz Weib den Umarmungen und Küssen des herrlichsten Erdensohnes preis. Dieser betrachtet sie ganz in Verzückung, aber er wagt es nicht, mit seinen Fingern oder Lippen dieses himmlische Wesen zu berühren, in der Furcht, daß dadurch dieser rosige Leib welken würde. Diese Bewegung habe ich wie der Meister verstanden, ich habe sie gefühlt wie Adonis. Sie wich allerdings allmählich bei mir, wie bei dem Sohne des Kinyras, einem menschlicheren Gefühle. Auf Schamhaftigkeit sollte meine Ehe aufgebaut sein, und sie war es auch anfangs. Sie wäre es wohl auch geblieben, wenn ich nur meinen Gefühlen und Anschauungen Folge geleistet hätte. Leider war Iza, zurückhaltend und dezent vor Fremden, vor mir ohne jede Schamhaftigkeit. In ihrem Stolze auf ihre Schönheit zeigte sie mir dieselbe bei der erstbesten Gelegenheit, und die Badeszene war nur eine unter den tausenden, die sie mir bot.

Aber das war nicht alles. Seit ihren Worten, welche sie beim Trinken der Milch gesagt: »Das gäbe eine schöne Statue,« kam sie immer auf dies Thema zurück, das sie während unserer Ehe schon dutzendmal berührt hatte; es war eine fixe Idee von ihr, daß ihr Körper, dessen Vornehmheit und Reinheit mich als Gatten wie als Bildhauer entzückte, in Marmor der Nachwelt erhalten bleibe. Sie brauchte keine großen Anstrengungen zu machen, um mich zu überreden. Ein stärkerer Mann als ich wäre unterlegen.

Seine Kunst zu lieben, eine Frau zu besitzen, welche die herrlichste Verkörperung dieser Kunst ist, und aus diesen beiden Neigungen des Herzens eine machen zu können, wer hätte da widerstanden, besonders wenn man darum nicht zu bitten, sondern dazu nur zuzustimmen brauchte. Ich rufe alle Frauen zu Zeuginnen: Welche von ihnen, falls sie so schön und so verliebt wie Iza und an deren Stelle sich befänden, wäre nicht von demselben Wunsche und derselben Leidenschaft befallen worden!

Sie sagte zu mir: »Weil ich dich liebe, weil ich eifersüchtig bin auf alle Frauen und weil du mich für die Schönste von allen hältst, und weil du glücklicherweise eine Kunst ausübst, bei welcher meine Schönheit dir nützlich sein kann, verfüge über dieselbe zu deinem Ruhm und zu deinem Vergnügen. Auf diese Weise werde ich überall in deinem Leben sein und du wirst mich in allen deinen Gedanken wiederfinden. Ich bin eifersüchtig; ich will nicht, daß du dich mit fremden Weibern einschließest. Ich will nicht, daß du ohne mich glücklich sein könntest, und ich will nicht, daß dich eine andere begeistere als ich. Ich werde alt werden. Du wirst dann des Beweises bedürfen, daß ich schön gewesen. Und wenn ich morgen sterben sollte, was bleibt dir dann von deiner Iza! Die Erinnerung ist vergänglich, der Marmor ist von Dauer. Wer soll es übrigens erfahren können, daß ich dein Modell bin! Und selbst, wenn man es später wissen wird, dann hast du mich unsterblich gemacht. Weiter nichts! Willst du nicht, daß wir gemeinschaftlich in der Zukunft leben, wie es in der Gegenwart der Fall ist? Glaube mir, nicht der Zufall hat dir, dem Künstler, als Lebengefährtin, als Freundin ein schönes Mädchen zugeführt, das Schicksal hat es getan. Und schließlich macht mir die Sache Spaß, und das ist wohl der stichhaltigste Grund.«

Was hätte ich auf diese Argumentationen erwidern sollen?


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