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27. Kapitel

Die Tür öffnete sich. Es war hoch an der Zeit. Konstantin erschien. Bei seinem Eintritte erbleichte Iza noch mehr. Was war zwischen diesen beiden vorgefallen?!

»Ich bin für niemand zu sprechen,« sagte ich zu dem Diener.

Als wir drei nun allein waren, verschloß ich die Türe des Ateliers, wo diese Szene sich abspielte, und steckte den Schlüssel in meine Tasche.

»Was ist geschehen?« fragte Konstantin.

»Madame hat einen Geliebten; weißt du das?«

Konstantin schwieg. Ich zeigte ihm den Brief von Iza.

»Ich weiß es,« sagte er, nachdem er ihn gelesen.

»Du kennst seinen Namen?«

»Ja.«

»Und deswegen hast du uns nicht mehr besucht?«

Er nickte mit dem Kopfe.

»Ich bitte dich um Entschuldigung; ich hatte dich in einem falschen Verdachte. Madame bildete sich ein, daß du ihr den Hof machest.«

»Madame hat sich getäuscht.«

»Warum hast du mich nicht früher von alledem in Kenntnis gesetzt?«

»Weil deine Mutter mich beschworen hat, dir nichts davon zu sagen, und weil ich dein Glück respektierte, wenn es auch nur ein eingebildetes war. Ich habe deine Mutter von allem, was sie wissen mußte, in Kenntnis gesetzt.«

»Und was rätst du mir nun, zu tun?«

»Ich rate dir, dich von Madame so rasch als möglich zu trennen.«

»Und der Geliebte?«

»Den überlasse mir.«

»Dir?«

»Jawohl, mir.«

Das alles wurde mit lauter Stimme verhandelt. Iza stand stumm und unbeweglich und schaute ihre Nägel an, als ob es sich nicht um sie handelte.

»Also, ich brauche wohl nicht mehr hier zu bleiben?« sagte sie, indem sie sich erhob und eine große Gleichgültigkeit zur Schau trug. »Ich kann wohl gehen?«

»Wohin Sie wollen!«

Sie ging auf ihr Zimmer und schloß sich dort ein. Konstantin drückte mir die Hand und wir umarmten uns.

»Sie soll nicht weggehen, bevor ich zurückkehre,« sagte er, »ich bleibe nicht lange weg, ich muß dich noch sprechen. Ich gehe zu Serge; wo wohnt er?«

»Ganz in der Nähe, Rue de Penthiévre.«

»Was dich anbelangt, keine Schwachheiten! Keine Gnade! Auf baldiges Wiedersehen!«

Ich blieb allein. Ich hatte diese Ereignisse so wenig vorausgesehen, sie waren so rasch auf einander gefolgt, und standen so wenig im Einklang mit meinem wirklichen und mit meinem erträumten Leben, der Schlag war ein so heftiger, daß ich tatsächlich ganz betäubt war. Ich begriff, daß es unter diesen Umständen nichts Besseres gäbe, als das zu tun, was mir Konstantin soeben klipp und klar vorgeschlagen hatte.

Wie gut kommt einem doch bei solchen Schicksalsschlägen die Anwesenheit und die Entschiedenheit eines Freundes. Man hat den Ehrgeiz, sich seiner würdig zu zeigen und läßt sich von dem Unglück nicht beugen. Man stellt sich dem Ungemach entgegen so heroisch wie die jungen Rekruten, welche gestern noch vor dem Gedanken an den Krieg zitterten und heute bei dem Klange der Trompeten und unter dem Wirbel der Trommeln mit Begeisterung gegen den Feind ziehen. Ich war sogar stolz darauf, daß ich den Kampf so mutig bestanden hatte. Seit langem hatte ich mich von den Wonnen des Ruhmes und der Liebe einlullen lassen. Nun war ich fertig; da ich den Pfeil, der mich verwundet, nicht hatte aufhalten können, riß ich ihn entschlossen aus der blutenden Wunde. Ich berauschte mich an meinen Schmerzen, ich war fast stolz auf mein Mißgeschick. Ich begriff die Wonnen des Schmerzes, die Leidenschaft des Martyriums und die Standhaftigkeit, mit der man das Schafott besteigt.

Mich von Iza zu trennen, sie zu verachten und sie zu vergessen, nur meiner Arbeit und meinem Kinde zu leben: das schienen mir Entschlüsse zu sein, die zu fassen und auszuführen ein leichtes wäre.

Konstantin kam zurück.

»Nichts Neues?« fragte er mich.

»Nein.«

Ohne Zweifel hatte Iza ihn durch das Fenster kommen sehen, denn kurz darauf erschien auch sie. Sie war niemals so schön gewesen. In einem rohseidenen Kleide, um die Schultern ein helles Mantelet, auf dem Kopf einen Strohhut mit Veilchen, elegante Halbstiefel aus Goldleder an ihren kleinen Füßchen, in den feinen behandschuhten Händen ein kleines Sammettäschchen haltend, in welchem unzweifelhaft alle ihre Schmucksachen waren, konnte sie den Eindruck eines jungen Mädchens machen, welches spazieren geht. Wie oft hatte ich sie selbst angezogen, wenn sie allein ausging und ihr selbst die Kleider ausgewählt, die ihr am besten standen, damit die ganze Welt sie auch schön finde.

»Ich werde noch heute alles abholen lassen, was mir gehört,« sagte sie, »es ist alles in meinem Zimmer gepackt.«

Mit diesen Worten ging sie zur Türe, öffnete dieselbe und schloß sie hinter sich zu, wie wenn sie etwas gesagt hätte, was sich ganz von selbst versteht.


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