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7. Kapitel

Sie können sich leicht vorstellen, daß die Ereignisse dieses Tages in meinem Gedächtnis mit allen Einzelheiten haften geblieben sind. Ich habe Ihnen alles ausführlich erzählt, weil mit diesem Tage mein Eintritt in die Künstlerwelt begann. Ich beschloß denselben mit meiner Mutter, welche sich vollständig über meine Zukunft beruhigt hatte.

Abends kehrte ich von ihr wieder heim, festen Schrittes und erhobenen Hauptes. Ich fühlte in mir die Kraft, für alles Edle und Gute einzutreten. Nachdem ich in mein kleines Zimmer getreten, öffnete ich das Fenster und schaute nach dem klaren ruhigen Himmel. Ueber eine Stunde weinte ich dann, und ohne es zu merken, schlief ich darauf ruhig wie ein Kind ein.

Von diesem Tage an behandelten mich Herr Ritz und seine Freunde als ihresgleichen. Die berühmtesten Künstler interessierten sich für mich, und ich verkehrte in ihren Familien. Ich konnte bei dieser Gelegenheit sehen, wie wahr die Worte des Herrn Ritz gewesen. Unter den berühmten Meistern dieser Zeit gab es fast nicht einen, dessen Privatleben das volle Tageslicht hätte scheuen müssen. Also nicht in dem Verkehr, den ich gepflegt, nicht in der Umgebung, in welcher ich aufgewachsen, dürfen Sie mildernde Gründe für mein Verbrechen suchen. Man hat mir nie ein böses Beispiel gegeben, und auch ich glaube ein solches vermieden zu haben; jenen schamlosen, korrumpierten und faulen Individuen, welche sich Künstler nennen, weil dies in den Augen der großen Menge zu nichts verpflichtet und alles entschuldigt, verdanken wir diese allgemeine Ansicht von unserer Sittenlosigkeit. Ich habe viele dieser Art kennen gelernt, welche sich den Morgen über in den Ateliers, des Abends in den Kneipen und bei Nacht wo immer herumtrieben – sie haben stets ein großes Werk vor, zu dessen Ausführung sie nie kommen. Sie kritisieren alles, was andere geschaffen, und wenn sie endlich aus diesem Leben scheiden, hinterlassen sie keine andere Spur ihres Erdenwallens als die Asche in ihrer Pfeife. Solche Leute sind ebenso wenig Künstler, wie die Bankbrüchigen Kaufleute und wie die Deserteure Soldaten sind. Jeder Stand hat seinen Auswurf! Diese Sorte »Künstler« ist der des unsrigen.

*

Ich habe diesen ersten Teil meines Memoires oder richtiger gesagt, meiner Memoiren, noch einmal durchgelesen – welche Umwege, bevor ich an den Kern der Sache herantrete! Wie deutlich sieht man, daß mir vor dieser Rückerinnerung bangt. Aber es muß sein. Mut, trachten wir zu vergessen, daß es sich um mich handelt.


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