Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

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Die stille Gemeinde.

     

Der Muse folgt nach der Bretagne Strand:
    Altar und Thron sind umgestürzt, der Schrecken
    Herrscht über Blut und Trümmern rings im Land.
Doch Bilder nicht des Blutes aufzudecken,
    Lenkt sie nach jenen Dünen ihre Schritte,
    Dort wird aus Leid den Trost sie auferwecken
Seht dort die Bauern, treu der Väter Sitte,
    Einfält'gen Herzens beten, dulden, harren –
    Ein Mann des Schreckens droht in ihrer Mitte:
Die Kirchen steck' ich euch in Brand, ihr Starren,
    Die ihr noch hängt am alten Aberglauben
    Und bei verjährtem Unsinn wollt beharren.
Darauf ein Greis: Wirst nicht die Stern' uns rauben,
    Die werden Turm und Glocken überdauern,
    Uns mahnend, an den Schöpfer doch zu glauben.
Das Wort ward That: um die geschwärzten Mauern
    Sah man, die Blicke himmelwärts gewandt,
    Den frommen Landmann stillergeben trauern.
Ein frech Soldatenvolk ward hergesandt,
    Die widerspenstig starre Brut zu zwingen,
    Und lästernd ward der Heiland nur genannt.
Noch hört nicht auf allnächtlich zu vollbringen
    Die gottgewollte Bahn das Sternenheer,
    Dem Schöpfer mahnend Huld'gung darzubringen.
Was glimmt dort für ein Stern auf hohem Meer?
    Was regt sich in den Buchten leise, leise?
    Was schleicht zum Strande von den Dünen her?
Es fahren Boote, schwenken sich zum Kreise,
    Man hört die Welle nur, die brandend bricht,
    Still rudern Männer, Weiber, Kinder, Greise.
Dort fern auf hohem Meer das kleine Licht,
    Das ist der Stern, dem, unter Gottes Hut,
    Die Schar sich zugewandt mit Zuversicht.
Ein schwanker Nachen auf bewegter Flut,
    Das ist der Tempel, ist des Herrn Altar,
    Worüber ausgespannt der Himmel ruht,
Und am Altare steht im weißen Haar,
    Der fest geblieben in der Trübsal Stunde,
    Der Hirt, der alte, der bedrängten Schar.
Und der Geächtete, den in der Runde
    Die gläubige Gemeinde hat umgeben,
    Vollbringt das Opfer nach dem neuen Bunde;
Dann betet er: Herr über Tod und Leben,
    Erhör' uns du: vergieb uns unsre Schuld,
    Wie selber unsern Schuld'gern wir vergeben.
Wir beten: nimm von uns in deiner Huld
    Den bittern Kelch, den du uns ausersehen,
    Wenn nicht, gieb ihn zu leeren uns Geduld!
Denn dein, nicht unser Wille soll geschehen,
    Dein ist die Kraft, dein ist die Herrlichkeit,
    Und ewig wird allein dein Reich bestehen.
Wir Kinder Frankreichs beten allezeit:
    Nicht wende du im Zorn dein Angesicht
    Von unserm Land und unsrer Obrigkeit.
Geh' nicht, o Herr, mit ihnen ins Gericht,
    Die frevelnd sich aus deiner Hand gewunden;
    Was sie gethan, sie wissen's selber nicht.
Ihr aber, die den Herrn zu allen Stunden
    Einmütiglich bekannt und Trost hienieden
    In Lieb' und Glaub' und Hoffnung habt gefunden,
Kehrt heim versöhnten Herzens und im Frieden.

 


 


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