Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Szekler Landtag.

           

Ich will mich für das Faktum nicht verbürgen,
    Ich trag' es vor, wie ich's geschrieben fand,
    Schlagt die Geschichte nach von Siebenbürgen.
Als einst der Sichel reif der Weizen stand
    In der Gespannschaft Szekl, da kam ein Regen,
    Wovor des Landmanns schönste Hoffnung schwand.
Es wollte nicht der böse West sich legen,
    Es regnete der Regen alle Tage,
    Und auf dem Feld verdarb der Gottessegen.
Gehört des Volkes laut erhob'ne Klage,
    Gefiel es, einen Landtag auszuschreiben,
    Um Rat zu halten über diese Plage.
Die Landesboten ließen nicht sich treiben,
    Sie kamen gern, entschlossen gut zu tagen,
    Und Satzungen und Bräuchen treu zu bleiben.
Da wurde denn, nach bräuchlichen Gelagen,
    Der Tag eröffnet, und mit Ernst und Kraft
    Der Fall vom Landesmarschall vorgetragen:
Und nun, hochmögende Genossenschaft,
    Weiß Einer Rat? Wer ist es, der zur Stunde
    Die Ernte trocken in die Scheune schafft?
Es herrschte tiefes Schweigen in der Runde,
    Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'ger Greise
    Und sprach gewichtig mit beredtem Munde:
Der Fall ist ernst, mit nichten wär' es weise,
    Mit übereiltem Ratschluß einzugreifen;
    Wir handeln nicht unüberlegterweise.
Drum ist mein Antrag, ohne weit zu schweifen:
    Laßt uns auf nächsten Samstag uns vertagen;
    Die Zeit bringt Rat, sie wird die Sache reifen.
Beschlossen ward, worauf er angetragen.
    Die Frist verstrich bei ew'gen Regenschauern,
    Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen;
Der Samstag kam und sah dieselben Mauern
    Umfassen noch des Landes Rat und Hort,
    Und sah den leid'gen Regen ewig dauern.
Der Landesmarschall sprach ein ernstes Wort:
    Hochmögende, nun thut nach eurer Pflicht,
    Ihr seht, der Regen regnet ewig fort.
Wer ist es, der das Wort der Weisheit spricht?
    Wer bringt in uns'res Sinnens düst're Nacht
    Das lang erwartete, begehrte Licht?
Zur That! ihr habt erwogen und bedacht.
    Ich wende mich zuerst an diesen Alten,
    Deß Scharfsinn einmal schon uns Trost gebracht:
Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten.
    Der stand und sprach: ich bin ein alter Mann,
    Ich will euch meinen Rat nicht vorenthalten.
Wir seh'n es vierzehn Tage noch mit an,
    Und hat der Regen dann nicht aufgehört,
    Gut! regn' es denn, so lang es will und kann.
Er schwieg, es schwiegen, die das Wort gehört,
    Noch eine Weile staunend, dann erscholl
    Des Beifalls Jubel-Nachklang ungestört.
Einstimmig, heißt es in dem Protokoll,
    Einstimmig ward der Ratschluß angenommen,
    Der nun Gesetzeskraft behalten soll.
So schloß ein Szekler Landtag, der zum Frommen
    Des Landes Weiseres vielleicht geraten,
    Als mancher, dessen Preis auf uns gekommen.
So wie die Väter stolz auf ihre Thaten
    Nach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt,
    Erschien die Sonne, trockneten die Saaten,
Und schwankten heim die Wagen goldbeschwert.

 


 


 << zurück weiter >>