Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

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Der Gemsen-Jäger und die Sennerin.

       

Nimm mich verirrten Jäger,
    Du gute Sennerin, auf;
Es lockte mich über die Gletscher
    Die Gemse mit flüchtigem Lauf.

Bin fremd auf dieser Alpe,
    Verlassen für und für;
In rauher Nacht verschließe
    Nicht hart mir deine Thür. –

Muß, Jäger, wohl sie verschließen,
    Ich bin ja ganz allein,
Gar eng ist meine Hütte,
    Für dich kein Lager darein. –

Nur Schutz an deinem Herde,
    Ein Lager begehr' ich nicht;
Ich scheide, sobald die Gletscher
    Sich färben mit rötlichem Licht. –

Und wenn ich ein dich ließe. . .
    O Jäger, laß mich in Ruh',
Nachrede gäb's und Geschichten;
    Was sagte der Hirt dazu? –

Der Hirt soll mich nicht hören,
    Das, Gute, versprech' ich dir:
Ich halte mich friedlich und stille,
    Befürchte doch nichts von mir. –

Und willst du dich halten, o Jäger,
    Ein stiller und friedlicher Gast,
So werd' ich herein dich lassen;
    Die Nacht ist zu grausig doch fast.

Sie öffnete leise die Thüre
    Und ließ den Jäger herein;
Es loderte gastlich vom Herde
    Die Flamme mit freundlichem Schein.

Und bei dem Scheine sahen
    Die Beiden sich staunend an –
Die Nacht ist ihnen vergangen,
    Der Morgen zu dämmern begann.

Wie ließ ich dich ein, o Jäger,
    Ich weiß nicht, wie es kam;
Nun rötet der Morgen die Gletscher
    Und meine Wangen die Scham.

O lieber, lieber Jäger,
    So schnell vergangen die Nacht!
Auf, auf! du mußt nun scheiden,
    Bevor der Hirt noch erwacht. –

Und muß für heut' ich scheiden,
    So bleibe, du Gute, mir hold;
Hast keinen Grund zu weinen,
    Nimm diesen Ring von Gold.

Ein Haus, das mir gehöret,
    Dort drüben im anderen Thal,
Mein Stutzen, auf Gletscher und Felsen
    Die flüchtigen Gemsen zumal:

Ich kann dich ehrlich ernähren,
    Du liebe Sennerin mein;
Und steiget zu Thal der Winter,
    Soll unsere Hochzeit sein.

 


 


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