Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

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Der arme Heinrich.

Aus dem Mittelhochdeutschen.

Zueignung an die Brüder Grimm.

       

Ihr, die den Garten mir erschlossen,
    Den Hort der Sagen mir enthüllt,
Mein trunk'nes Ohr mit Zauberklängen
    Aus jener Märchenwelt erfüllt;

Ich schuld' es euch, daß, wie im Traume
    Berührt, mein Saitenspiel erklang,
Und sich dem übervollen Busen
    In Schmerz und Lust das Lied entrang.

Da wollt' ich euch zum Kranze winden
    Die schönsten Blumen, die ich fand,
Doch abgelöst von ihrer Wurzel
    Verdorrten sie in meiner Hand.

Und immer sprach zu meinem Herzen
    Ich zögernd: also soll's nicht sein;
Unwürdig wirst den wackern Meistern
    So nicht'ge Gabe du nicht weih'n.

Und immer hofft' ich: morgen, morgen! –
    Ich ward indessen schwach und alt:
Nehmt heute denn des Greisen Gabe,
    Bevor sein letztes Lied verhallt.

 

*

 

                       

Wessen ist die Burg, die dort verödet
Mitten in dem schönen Schwaben trauert?
Gras und Farrenkraut bewächst die Stiegen
Und die Eule nistet in den Türmen.

Guter Ritter Heinrich von der Aue,
Blume du der Jugend und der Schöne,
Klarer Spiegel aller Rittertugend,
Schwert der Kraft und Rosenhag der Milde,
Mund der Wahrheit, Fels der echten Treue,
Der Bedrängten Schirm und Hort, der Freunde
Ehrenschild und Banner, heller Stern du,
O wie bist du, heller Stern, gefallen!

Seine Geißel hat der Herr geschwungen
Über den Weltseligen, ergriffen
Hat ihn schmählich Leid, ihn hat der Aussatz
Heimgesucht, und ekelnd abgewendet
Haben schnell sich, die an ihm gehangen.

Seht das Vorwerk dort am Waldesrande;
Weltverlassen hat der arme Heinrich
Dort beim Meier ein Asyl gefunden.
Und der Alte dienet ihm in Treuen,
Und die greise Mutter pfleget seiner,
Und das Töchterlein, das er im Scherz oft
Seine kleine Frau nennt, weiß gefällig,
Spielend, kosend, ihm des bittern Grames
Wolken von der Stirne zu verscheuchen.

Also war das dritte Jahr dem Dulder
Schon verstrichen, und er saß in Unmut
Düster brütend, als der gute Meier
Ihm zuredend sprach die flücht'gen Worte:

Herr, ihr müsset dessen nicht verzagen;
Giebt's zu Montpellier und zu Salerno
Ja der kunsterfahr'nen weisen Meister
Viele noch, da sollt ihr Hilfe suchen.

Drauf der arme Heinrich bitter lächelnd:
Bin zu Montpellier und zu Salerno
Hilfe suchend früher wohl gewesen;
Von den weisen Meistern nicht der eine,
Nicht der andre mochte Trost mir geben,
Schlechten Trost nur Einer zu Salerno,
Der mich lehrte, wie ich zwar zu heilen,
Aber ungeheilt doch müsse bleiben.

Drauf der Meier: Herr, ihr sprecht in Rätseln.
Und der Kranke: Wohl, das Rätsel lös' ich:
Schafft mir, sprach der Meister, eine Jungfrau,
Die aus freiem Mut für euch zu sterben
Sich entschließt, und aus der Brust das Herz sich
Schneiden läßt, so will ich wohl euch heilen.

Es verstummten Beide, Stille ward es.
Lauschend saß die Maid, wie sie gewohnt war,
Unbemerket ihrem Herrn zu Füßen,
Und ein leises Wimmern ward vernommen.

Als darauf zu Nacht die beiden Alten
Sich gelegt, das Kind zu ihren Füßen,
Konnte sie vor Herzeleid nicht schlafen.
Ihres Herrn gedenkend, troff der Regen
Ihrer Augen auf der Eltern Füße,
Die verstöret aus dem Schlaf erwachten.

Um ihr Weh befragte sie der Vater
Jetzt mit sanften, jetzt mit strengen Worten,
Bis sie's länger nicht verhehlen konnte:
Denk' ich uns'res güt'gen Herrn und seines
Bittern Elends, muß ich immer weinen,
Ach, es giebt den Bessern nicht auf Erden!
Und der Vater und die Mutter sagten:
Kind, das sprichst du wahr, doch kann dem Guten
Unser Harm nicht frommen, über ihm ist
Gottes Urteil, drum, laß ab zu klagen.

So geschweigten sie das Kind, doch schlaflos
Blieb sie über Nacht und stumm in Trauer
Tags darauf, bis sie zur Ruh' sich legten.
Aber auf gewohnter Lagerstätte
Fand das gute Mädchen keine Ruhe;
Ein Gedanke war in ihrem Herzen,
Wuchs in ihrem Herzen übermächtig;
Erst nachdem mit Gott sie fest beschlossen,
Herz und Herzblut ihrem Herrn zu opfern,
Ward sie wieder froh und leichten Mutes.
Aber bald zur Angst wuchs eine Sorge:
Ob Herr Heinrich, ob die lieben Eltern
Ihren Willen ihr gewähren möchten.
Wieder, deß verzagend, troff der Regen
Ihrer Augen auf der Alten Füße,
Die verstöret aus dem Schlaf erwachten.

Auf sich richtend schalt der liebe Vater
Unverständig, kindisch ihre Klage,
Da nur Gott im Himmel könne helfen.
Und doch, sprach die sanfte Maid erwidernd,
Und doch hat mein Herr gesagt, ihm könne
Wohl geholfen werden. Tauglich bin ich
Ihm zur Arzenei; ich will euch bitten,
Wehrt mir nicht, daß ich mit Gott mein Herzblut
Freudig für den Guten möge geben.

Ob der Red' entsetzten sich die Alten,
Und betrübten Mutes sprach der Vater:
Kind, du redest, wie die Kinder reden,
Hast noch nicht den herben Tod geschauet,
Überschwängliches versprichst du thöricht,
Laß den Leichtsinn, laß die Träume fahren
Und verstör' uns müßig nicht die Nächte.

Und es schwieg das Mägdlein, aber schlaflos
Blieb sie über Nacht und stumm in Trauer
Tags darauf, bis sie zur Ruh' sich legten.
Wieder troff der Regen ihrer Augen
Auf der Alten Füße, sie erweckend.

Aufrecht sitzend sprach zu der Bedrängten
So die greise Mutter selbst in Thränen:
Sinnst Unseliges du uns zum Jammer?
Kind du meiner Schmerzen, die du solltest
Unsers Alters Stab sein, und uns ehren,
Willst dein Heil verwirken, willst das Leben
Uns verleiden und das Herz uns brechen?

Dem entgegnete die fromme Tochter:
Lege Gott mir Worte auf die Lippen,
Die das Herz der teuren Eltern treffen.
Nicht mein Heil verwirken, nicht zum Jammer
Will ich euch, ihr Vielgeliebten, sterben;
Nicht auch red' ich kindisch, angeschauet
Hab' ich ernst den herben Tod, wie Einer
Nur vermag, dem noch das Leben lieb ist.
Sterben muß doch auch, wer alt geworden;
Aber schwer in Arbeit alt geworden
Stirbt in Sünde mancher hin, ihm wäre
Besser, wär' er nie zur Welt geboren.
Mir aus Gottes Hulden wird's zu Teile,
Um der Seele Heil in jungen Jahren
Meinen Leib zu geben; solches gönnt mir,
Denn so muß es sein. Die Leute sagen,
Daß ich schön bin: würd' ich älter, möchte
Leicht der Weltlust Süße mich verstricken.
Wollt ihr einem Manne mich vermählen:
Lieb' ich ihn, ist's eine Not, ich habe
Meinen armen Herrn doch stets vor Augen;
Wird er mir verhaßt, so ist's der Tod gar.
Mein begehrt ein Freier, dem ich gerne
Folgen will, dem mag ich wohl vertrauen.
Setzt mich in ein Glück, das nicht vergehet;
Lasset Gott mich preisen, der so Wertes
Will durch mich einfält'ges Kind vollenden.
Laßt für ew'gen Lohn um kurzes Leiden
Mich vergüten unserm Herrn das Gute,
Das er unablässig uns gespendet.
Seid der That teilhaftig, und vergelt' euch
Gott, was nimmer ihr versagen dürfet.
Wieder heben muß der Baum des Ruhmes
Zu dem Lichte seine volle Krone,
Aber ihr im Schatten seiner Milde
Werdet sein euch freuen und der Tochter.

Schneidend drangen in das Herz der Alten
Diese Worte, denn das Mädchen hatte,
Keinem Kinde gleich, mit Macht gesprochen.
Wagten auch nicht länger, ihr zu wehren.
Jammernd schwiegen sie und kämpften lange
Mit dem Liebesschmerz im wunden Herzen,
Bis sie sprachen: Möge denn geschehen,
Was dich so der Geist erbeten lehrte.

Freute jetzt dem jungen Tag entgegen
Sich die Jungfrau, aber kaum erhellte
Sich der Osten, trat sie leisen Schrittes
An das Bett des Siechen, kniete nieder,
Seinen Schlaf bewachend, bis die Sonne
In die Kammer schien und ihn erweckte.

Und der erste Blick des armen Heinrich
Fiel ins Aug' ihr, das verkläret strahlte
Ihres reinen Herzens sanften Frieden.
Und er fragte: Liebe Frau, was bringt dich
Heute zu mir her so früh am Tage?

Flehend hob gefaltet ihre Hände
Sie zu ihm empor und sprach in Demut:
Hab' an meinen Herrn wohl eine Bitte;
Zürne mir, mein Herr, nicht; darf ich hoffen,
Daß ich nicht vergebens werde bitten?

Wohlgefällig ruht' auf ihr sein Auge:
Was ich darf vor Gott und meiner Ehre,
Das getrau' ich mir, dir zu verheißen.

Sie darauf: Mein lieber Herr, ich dank' euch,
Sag' euch auch, was ihr mir habt gewähret.
Jammernd sahen wir die Tag und Nächte
Eurem Leide zu, dem soll geholfen
Wohl noch werden; seht, ich bin die Jungfrau,
Die aus freiem Mut sich fest entschlossen
Aus der Brust das Herz wird schneiden lassen.
Auf denn, nach Salerno, laßt den Meister
Seine Kunst an eurer Magd beweisen.

Lange Zeit sah zweifelnd, fast erschrocken,
Thränen in den Augen, er die Maid an;
Sprach besonnen dann, sie zu versuchen:
Kind, du seltsame, dein fromm Gemüte,
Das erscheinet klar in dieser Stunde;
Willst für mich du sterben, Kind, bedenke,
Deiner Eltern bist du, mußt sie fragen.
Aber anders kam es, als er meinte.
Eingerufen traten ein die Eltern,
Sprachen beide schluchzend: Nimm sie, nimm sie!
Haben ihr gewehrt drei lange Nächte,
Ihr ist nicht zu wehren; aus dem Mädchen
Hat zu uns ein höh'rer Geist gesprochen.

Als der arme Heinrich jetzt erkannte,
Daß einmütig doch das Ungeheure
Alle wollten und von ihm begehrten,
Stieg in ihm aufs Neue Lebenslust auf,
Sah er schon im Geiste sich genesen,
Andres nicht gedacht' er, und mit Grausen
Sprach er leis und langsam: Also sei es.
Großes Leid erhob sich, nur die Jungfrau
Schaute selig lächelnd in die Runde.

Nach Salerno! nach Salerno! Prächtig
Schmückte Heinrich zu der Fahrt das Opfer;
Ließ ihr Samt und Hermelin und Zobel,
Brautgeschmeid' und gold'ne Spangen reichen;
Und des weltlich eitlen Tandes freute
Selber sich die Maid, wie Himmelsbräute,
Die entsagend zum Altare treten.

Nach Salerno! Wohl nach schwerem Abschied
Zogen nach Salerno jetzt die Beiden,
Freud'gen Herzens aber nur die Jungfrau.

Angekommen, gleich zum weisen Meister
Führt' er sie. Verwundert, sie zu prüfen,
Nahm der sie bei Seite, starrte lange
Zweifelnd scharf sie an, und sprach mit Nachdruck:
Sag', Unselige, dein Herr hat solches
Dir geboten, nicht dein Wille war es.
War und ist mein Wille, sprach sie ruhig.
Er dagegen: Tritt zurück! noch kannst du.
Üpp'ge Lebenslust ziemt deinen Jahren;
Hast die Angst des Todes nicht verstanden,
Weißt nicht, welche Marter dir bevorsteht;
Wirst dich schämen, schon mir zu enthüllen
Deinen zarten Busen. Siehe! binden
Werd' ich dich mit Stricken, werde wühlen
Mit dem scharfen Eisen nach dem Herzen
In der Brust dir und heraus es schneiden.
Wankt dein Wille, von dem Schmerz erschüttert,
Und bereuest du die That; zu spät ist's.
Nichts mehr wird sie deinem Herren frommen,
Und dein junges Leben ist verloren.
Tritt zurück. ich will mich dein erbarmen.

Ihm entgegnete die Jungfrau lächelnd:
Lieber Herr, ihr habet mir die Wahrheit
Dessen wohl gesagt, was mir bevorsteht,
Habet Dank; das Eine nur befürcht' ich:
Seht euch vor, es wird die Hand euch zittern
Und den Preis des Werkes noch gefährden.
Zaghaft seid ihr; eure Rede ziemet
Einem Weibe sich, nicht einem Manne;
Faßt ein Herz, getrauet euch zu schneiden,
Ich, ein Weib, getraue mich zu dulden.

Solches hörend stand der greise Meister
Vor der zarten Jungfrau, ihr ins Antlitz,
In das fromme, ruhig heitre schauend;
Er erbleichte vor dem Mut des Kindes.
Lange stand er also, endlich wandt' er
Langsam sich der Thüre zu, dem Siechen,
Was er jetzt erkundet, zu berichten.

Aber hastig trat ihm der entgegen,
Ihm zurufend: Meister, lieber Meister,
Bringst mir Leben, Leben und Genesung?
Sprich es aus, erfreue meine Seele!
O, der Sieche nur ermißt im Jammer
Ganz den Preis des vollen, frischen Lebens.

Ihm erwiderte gefaßt der Meister:
Tüchtig hat fürwahr dem blut'gen Dienste,
Den zu deiner Heilung du ihr ansinnst,
Wundersam! sich diese Maid bewähret.
Dir nun ziemt's gebietend zu entscheiden.

Aber mit verhülltem Angesichte
Ab sich kehrend winkte Heinrich: Schneide.
Und der Meister wandte sich, zu gehen;
Von der Schwelle schaut er noch zurücke,
Aber nicht zurücke rief ihn jener.

Zu der Maid, die hoffend ungeduldig
Seiner harrte und des bittern Todes,
Kam er, winkte, und sie folgte freudig.
Durch den Kreuzgang in ein heimlich Zimmer
Führt' er sie hinein und schloß die Thür ab.

Nicht geheuer gleißte von den Wänden
Rings befremdlich wundersam Geräte;
Rotbestrichen stand ein Tisch inmitten,
Kettenwerk darauf und blanke Messer.

Und der Meister hieß sie sich entkleiden;
Also that sie, willig, sonder Scheue;
Nicht die Spangen einzeln erst zu lösen,
Riß sie hastig in der Naht die Kleider,
Schneller nur dem scharfen Todesschnitte
Ihren reinen Busen zu entblößen.
Auf des Meisters Wink bestieg den Tisch sie,
Legte hin sich, ließ die zarten Glieder
Fest mit Riemen und in Eisen schließen.

Als der greise Meister jetzt des Mädchens
Jungen Leib ersah, deß nicht ein schön'rer
Mocht' auf Erden je gefunden werden,
Jammert's ihn im Herzen zum Verzagen,
Daß so schön sie sei und müsse sterben.

Aber er ergriff das krumme Messer,
Prüfte dessen Schärfe, fand mit nichten
Sie so schneidig, als er wohl begehrte.
Und er nahm den Schleifstein, strich bedächtig
Hin und her darauf die krumme Klinge,
Oft mit leisem Finger sie versuchend.
Sanfter mocht' er gern den Tod ihr anthun.

Aber draußen wand indeß in Zweifel
Sich der arme Heinrich, und des Ausgangs
Harrend sprach er so zu seinem Herzen:
Herz, mein Herz, sei hart in dieser Stunde,
Hast nicht selbst die grause That verschuldet;
Hat das sanfte Kind sich doch ihr Schicksal
Selbst ersonnen, selbst ja will sie sterben!
Wende dich dem Leben zu, der Freude,
Laß die Toten ruh'n! der Tod der Unschuld,
Solcher Unschuld Tod ist zu beneiden!
Aber du, auf deinem Sterbepfühle
Weh' mir! Still! – ich will ja, will ja leben,
Schwelgend, taumelnd in das Leben tauchen,
Und vergessen dieser Schreckensstunde!
Beten will ich, bis die That geschehen,
Beten, daß zu Stein mein Herz erhärte.

Und die Hände ringend warf und weinend
Sich vor Gott der Arme; seine Worte
Quollen schier verkehrt aus seinem tiefern
Bessern Herzen, und er schrie zu Gott auf:
Herr, barmherz'ger Gott, gieb Kraft mir Sünder,
Kraft zu dulden, was du selbst verhängt hast,
Laß in Demut mich mein Siechtum tragen,
Aber nicht, in deinem Zorn, der Unschuld
Schreiend Blut auf meine Seele laden.

Und vom Estrich sprang er auf verwandelt,
Lief den Gang hinab zu jener Kammer,
Rief und schrie und rüttelt' an der Thüre:

Meister, höre, Meister. – Der von innen
Gab die karge Antwort: Wartet, wartet!
Laß mich ein! schrie Heinrich; der dagegen:
Herr, geduldet euch, bald ist's geschehen.
Heinrich schrie: Halt ein! das Kind soll leben!

Stein und Messer ließ der Alte fallen,
Schloß die Thür auf; Heinrich's Blicke suchten,
Trafen schnell die Jungfrau; als so schmählich
Er die wonnigliche sah gebunden,
Weint' er laut und sprach: Laß gleich sie frei sein!
Gottes Urteil mag an mir geschehen.
Aber nicht soll diese für mich büßen.
Und die Beiden lösten schnell das Mädchen.

Sie nur brach in Klagen aus, sie konnte,
Daß sie leben sollte, nicht verwinden.
Wie doch hab' ich's, klagte sie, verschuldet,
Daß ich meinen Herrn nicht zu erlösen,
Daß ich nicht der reichen Himmelskrone
Mehr gewürdigt werden soll? Was that ich?
Euch gebricht der Mut, deß soll ich leiden!
Wie doch hat die Welt mich hintergangen,
Die euch unverzagt vor Allen rühmte!

Zog in tiefer Demut gottergeben
Jetzt der arme Heinrich nach der Heimat.
Wo ihm Hohn bevorstand; mit dem Siechen
Abgehärmt, verweint, das gute Mädchen.

Aber der die Nieren prüft und Herzen,
Der nach seiner Lieb' und Macht die Beiden
Schwer versuchte, schied von ihrem Elend
Die bewährten. Sieh'! der böse Aussatz
Wich zur Stunde von dem armen Heinrich,
Und der gute Ritter von der Aue
Kehrt' in Ehren in die liebe Heimat,
Schön und kräftig, wie er je gewesen.

Vor ihm her erscholl durch Schwabens
Gauen Schnell der Freudenruf: er kehret wieder,
Kehret rein von seiner Schmach, der Gute!
Und es eilten Vettern rings und Freunde,
Eilten seine Mannen ihm entgegen,
Daß sie Lieb' und Ehrfurcht ihm erwiesen.
Ei, mit welchen Wonnethränen herzten
Da die Alten ihre fromme Tochter!

Aber auf der Burg – welch Festgewühle!
Faßt die Halle kaum die Herrn und Frauen,
Ritter Heinrich teilt den Schwarm, die Jungfrau
Führt er in den Kreis und spricht die Worte:

Hört mich an, ihr lieben Herrn und Sippen;
Einzig dieser guten Jungfrau schuld' ich
Ehr' und Leben; frei und ledig ist sie,
Wie ich selbst; mir rät das Herz, zum Weibe
Sie zu nehmen; also wird's geschehen,
Wenn es Gott und euch gefällt; wenn anders,
Will, fürwahr! ich unverehlicht sterben.
Doch euch insgesamt, bei Gottes Hulden,
Will ich bitten, daß es euch gefalle.

Und es sprachen alle: so geziemt sich's;
Und der Abt trat segnend zu den Beiden,
Die in Andacht auf die Kniee sanken.

 


 


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