Adelbert von Chamisso
Gedichte
Adelbert von Chamisso

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Hans im Glücke.

                 

Willst zurück zu deiner Mutter? –
Hans, du bist ein braver Sohn;
Hast gedient mir treu und redlich;
Wie die Dienste, so der Lohn;
Gebe dir zu deinem Sold
Diesen Klumpen da von Gold;
Bist du mit dem Lohn zufrieden,
        Hans im Glücke?

Ja, zufrieden! und die Mutter,
Ja, die gute Mutter soll
Mich beloben und sich freuen,
Alle Hände bring' ich voll;
Alles, alles trifft mir ein,
Muß ein Sonntagskind wohl sein
Und auf Glückeshaut geboren,
        Hans im Glücke!

Und er ziehet seine Straße
Rüstig, frisch und frohgesinnt;
Doch es sticht ihn bald die Sonne,
Die zu steigen schon beginnt,
Und der Klumpen Gold ist schwer,
Drückt die Schulter gar zu sehr;
Du erliegest unterm Golde,
        Hans im Glücke!

Kommt ein Reiter ihm entgegen; –
Schimmel! ei, du munt'res Tier!
Aber schleppen muß ich, schleppen
Den verwünschten Klumpen hier;
So ein Reiter hat es gut,
Weiß nicht, wie das Schleppen thut;
Hätt' ich diesen Schimmel, wär' ich
        Hans im Glücke. –

Lümmel, sage mir, was ist es,
Was du da zu schleppen hast? –
Nichts als Gold, mein werter Ritter,
Gold?! – und mich erdrückt die Last.
Nimm dafür den Schimmel. – Top!
Und so reit' ich, hop, hop, hop!
Trabe, Schimmel! trabe, Schimmel!
        Hans im Glücke.

Hop, hop, hop! der dumme Teufel
Schwitzt nun unter meinem Schatz;
Hop, hop! Hop, hop! sachte, Schimmel.
Pfui dich. – Plautz! ein Seitensatz,
Und er lieget da zum Spott,
Danket aber seinem Gott,
Daß er nicht den Hals gebrochen,
        Hans im Glücke.

Kommt ein Bauer, treibt gemächlich
Vor sich hin ein mag'res Rind;
Halt' den Schimmel! halt' den Schimmel!
Schreit ihn an das Glückeskind;
Ja! es lief sehr glücklich ab,
Aber hart ist doch der Trab,
Und ich will nicht wieder reiten,
        Hans im Glücke!

Eine Kuh giebt Milch und Butter,
Der Besitzer hat's nicht schlecht. –
Wollt ihr mit den Tieren tauschen?
Mir ist schon der Schimmel recht. –
Mit den Tieren tauschen?! Top.
Trabe, Bauer, hop, hop, hop!
Selig, überselig preist sich
        Hans im Glücke.

Erst den Dienst, und dann die Bürde,
Wieder nun den Schimmel los!
Immer besser! immer besser!
Nein, mein Glück ist allzu groß! –
Und im heißen Sonnenschein
Findet bald der Durst sich ein:
Hast ja deine Kuh zu melken,
        Hans im Glücke.

Melken also; er versucht es,
Nicht gedeiht es ganz und gar,
Weil er Melken nicht gelernt hat,
Und die Kuh ein Ochse war;
Und er stößt und wehret sich:
Prr! Prr! ruhig! denkst du mich,
Wilde Bestie, totzuschlagen?
        Hans im Glücke. –

Und des Weges zog ein Metzger,
Der ein Schwein zur Metzig trieb:
Esel, bleibe von dem Ochsen,
Hast du deine Knochen lieb! –
Von dem Ochsen?! – Tritt zurück! –
Ist's ein Ochse? welch ein Glück!
Ich erfahr' es noch bei Zeiten,
        Hans im Glücke.

Aber ach! die Milch? die Butter?
Nun! der wird zu schlachten sein.
Aber Schweinefleisch ist besser,
Und ich lobe mir das Schwein;
Schweinebraten, Rippenspeer,
Speck und Schinken, ja, noch mehr,
Frische Wurst und Metzelsuppe!
        Hans im Glücke! –

Dieses alles kannst du haben,
Gieb dafür den Ochsen hin;
Willst du tauschen? – Herzlich gerne,
Ja! der Handel ist Gewinn.
Auf! mein Schweinchen, trabe du
Lustig unserm Dorfe zu;
Ja! die Mutter wird mich loben,
        Hans im Glücke!

Und es hat ein loser Bube
Bei dem Handel ihn belauscht,
Hätte gern auf gute Weise
Sich von ihm das Schwein ertauscht,
Kommt daher mit einer Gans,
Schaut das Schwein an, dann den Hans: –
Hast du selbst das Schwein gestohlen,
        Hans im Glücke?

Schwein gestohlen?! – Wie denn anders!
Ja! das ist gestohl'nes Gut.
Sei du mir im nächsten Dorfe
Vor dem Schulzen auf der Hut;
Auf der Inquisitenbank,
Dort im Amthaus . . . – Gott sei Dank!
Das erfahr' ich noch bei Zeiten,
        Hans im Glücke. –

Nun! dir wäre schon zu helfen,
Mach' ich doch mir nichts daraus;
Gieb das Schwein und nimm den Vogel,
Ich gehöre hier zu Haus,
Weiß die Schliche durch den Wald,
Man ertappt mich nicht so bald. –
Ei! schon wieder außer Sorgen,
        Hans im Glücke!

Freuen wird sich doch die Mutter,
Eine Gans ist gar kein Hund,
Und nach gutem Gänsebraten
Wässert lange mir der Mund;
Und das edle Gänsefett!
Und die Daunen für das Bett!
Ei! wie wirst darauf du schlafen,
        Haus im Glücke!

Nicht das Beste zu vergessen,
Auch der Federkiele viel.
Nichts ist mächtiger auf Erden,
Als ein solcher Gänsekiel,
Wenn der Kantor Wahres spricht;
Aber schreiben kannst du nicht;
Hättest schreiben du gelernt,
        Hans im Glücke! –

Und ein lust'ger Scherenschleifer
Kam daher die Straß' entlang,
Machte Halt mit seinem Karren,
Rieb' die Hände sich und sang:
Geld im Sack und nimmer Not,
Meine Kunst ist sich'res Brot. –
Könnt' ich diese Kunst, so wär' ich
        Hans im Glücke.

Kerl, wo hast du diese Gans her? –
Hab' getauscht sie für mein Schwein. –
Und dein Schwein? – für meinen Ochsen. –
Diesen? – für den Schimmel mein.
Und den Schimmel? – für mein Gold.
Gold?! – ja; meiner Dienste Sold. –
Blitz. du hast dich stets gebessert,
        Hans im Glücke.

Aber eins mußt du bedenken!
Eine Gans ist bald verzehrt,
Mußt auf eine Kunst dich legen,
Die ein sich'res Brot gewährt. –
Meister, ja, das mein' ich auch;
Lehrt mich Scherenschleifer-Brauch,
Bin ich Scherenschleifer, bin ich
        Hans im Glücke.

Willst dafür die Gans mir geben? –
Ja. es lohnet wohl der Kauf. –
Zwei der Steine, die da lagen,
Hebt der Schalk vom Boden auf,
Wohlgerundet, glatt und rein,
Nicht zu groß und nicht zu klein:
Wirst ein tücht'ger Scherenschleifer,
        Hans im Glücke.

Her die Gans, und nimm die Steine,
Trage sie im Arme, so.
Auf dem klopfst du, auf dem schleifst du,
Und das ist das A und O.
Geld im Sack und nimmer Not,
Deine Kunst ist sich'res Brot;
Alles andre wird sich finden,
        Hans im Glücke. –

Und er nimmt mit Gans und Karren
Schnell den nächsten Seitensteg;
Hans mit seinen Steinen ziehet
Jubilierend seinen Weg:
Alles, alles trifft mir ein,
Muß ein Sonntagskind wohl sein,
Und auf Glückeshaut geboren,
        Hans im Glücke.

Aber späte war's geworden,
Fern das Dorf, und Essenszeit,
Nichts gegessen, nichts getrunken,
Hunger, Durst und Müdigkeit;
Und die Steine waren schwer,
Drückten, wie das Gold, auch sehr;
Holte die der Teufel, wär' ich
        Hans im Glücke! –

Dort am Brunnen will er trinken,
Setzt, wie ein bedächt'ger Mann,
Auf den Rand die Steine nieder,
Schaut sich um und stößt daran;
Plump! sie liegen in dem Grund,
Und er lacht den Bauch sich rund:
Auch der Wunsch ist eingetroffen,
        Hans im Glücke!

Zu der Mutter! ruft er freudig,
Zu der Mutter, leicht zu Fuß!
Sollst mich loben! sollst dich freuen!
Bringe Glückesüberfluß;
Alles, alles trifft mir ein,
Muß ein Sonntagskind wohl sein,
Und auf Glückeshaut geboren,
        Hans im Glücke!

 


 


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