Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.

Thierry.                         Ich fang' an zu fühlen
Eine Veränderung in meinem Wesen,
Und einen leichten Regenschau'r in seinem
Geschwellten Zutrau'n, welcher auf das Feuer
Fiel und es löschte aus.
                *                *                *
                         Wie ist mein Herz getheilt,
Zwischen der Pflicht des Sohnes und der Liebe!

Beaumont und Fletcher.
Thierry und Theodoret. 

Vaudemont war jetzt einen Monat in Beaufort-Court Das Leben in einem Landhause, mit den Belustigungen, die es erheitern und den Fertigkeiten und Talenten, die es in Uebung setzt, war ganz für ihn geeignet, sich zu zeigen und zu glänzen. Er war als Knabe ein trefflicher Schütze gewesen; und obgleich lang nicht mehr an die Vogelflinte gewohnt, hatte er sich doch in Indien eine todtbringende Sicherheit im Treffen mit der Büchse erworben; so daß nach ein paar Tagen der Uebung auf den Stoppelfeldern und den Lagern des Wilds in Beaufort-Court seine Geschicklichkeit der Gegenstand des Gesprächs der Gäste, und die Bewunderung der Jäger war. Das Jagen zu Pferde begann und diese Uebung, immer eine so starke Liebhaberei des rüstigen Mannes, die der Aufregung und dem Sturm seiner halb gezähmten Brust, die jetzt von einem fast wahnsinnigen Gemisch von Hoffnung und Furcht gährte, Erleichterung und Erholung gewährte, war eine Kurzweil, bei der sich auszuzeichnen er in noch höherem Grade geeignet war. Seine Reiterkunst, seine Kühnheit, die steinernen Mauern, über die er setzte, und die Wasser, durch die er schwamm, gab seinen Begleitern Stoff zu staunenden Erzählungen und Bemerkungen, wenn sie nach Haus kamen.

Mr. Marsden, der nebst einigen Andern von Arthurs früheren Freunden nach Beaufort-Court war eingeladen worden, um dessen erwarteten Erben zu bewillkommnen, und der noch all die Klugheit besaß, die ihn früher ausgezeichnet, wo er, nachdem er den alten Simon niedergeritten, abstieg, um die Kniee seines Pferdes zu besichtigen; – Mr. Marsden, ein gewandter Jäger, der die erfahrensten Pferde von der Welt ritt, und der gewöhnlich es so einrichtete, daß er beim Verenden war Susemihl übersetzt klarer: »bei dem Tode des Wildes zugegen zu sein«. – Anm.d.Hrsg., ohne daß er über irgend etwas Höheres als eine Hürde gesetzt wäre, da er das kühnere Thier (falls ihn die sogenannte »Kenntniß des Landes,« das heißt die Kenntniß der Schluchten und Thore, im Stiche ließ,) die gefährlicheren Thaten allein ausführen ließ, selbst ruhig hinüber und hindurch kletterte, und das gutgeschulte Thier, wenn er das Wagestück ausgeführt, gesund und wohlbehalten wieder bestieg; – Mr. Marsden erklärte, er habe nie einen Reiter gesehen mit so wenig Ueberlegung als Monsieur de Vaudemont, und er habe gewiß den Teufel im Leibe.

Diese Art von Ruf, obgleich blos auf leibliche Eigenschaften sich gründend und an sich nicht eben von höherem Werth, machte doch einen gewissen Eindruck auf Camilla – vielleicht einen Eindruck von Angst. Ich sage nicht, denn ich weiß es nicht, was ihre Gefühle gegen Vaudemont eigentlich waren. Da die ruhigsten Naturen oft am meisten von ihrem Gegentheil hingerissen werden, blendete und erschreckte er sie vielleicht mehr, als daß er ihr gefallen hätte: gewiß ist wenigstens, daß er sich ihr Interesse gewann. Dennoch würde sie erschrocken zurückgebebt seyn, wenn Jemand zu ihr gesagt hätte: »Liebst Du Deinen Verlobten weniger, als da ihr an dem glücklichen See beisammen waret?« und ihr Herz hätte den Frager mit Entrüstung zurückgewiesen. Die Briefe ihres Geliebten waren immer noch lang und häufig; die ihrigen waren kürzer und gedämpfter. Aber es war auch ein Zwang bei der Correspondenz – sie mußte ihrer Mutter vorgelegt werden.

Wie auch Vaudemonts Benehmen gegen Camilla seyn mochte, wenn der Zufall sie allein zusammenführte, gewiß ist, daß er seine Aufmerksamkeit für sie nicht so auffallend an den Tag treten ließ, daß man es bemerkt hätte. Sein Auge beobachtete sie mehr als sein Mund sie anredete; er hielt sich so entfernt als möglich von der übrigen Familie, und seine gewöhnliche Weise war schweigsam selbst bis zum Düstern. Aber es gab auch Augenblicke, wo er einer fieberhaften Aufwallung seiner Laune sich überließ, die etwas Gezwungenes und Unnatürliches hatte.

Lord Lilburnes kurzes Wohlgefallen an ihm war schon vorüber; denn seitdem er beschlossen hatte, dieses edeln Spielers Spielmethode nicht weiter zu beobachten, spielte er selbst wenig mehr; Lord Lilburne sah, daß er keine Aussicht hatte, ihn zu Grunde zu richten – und hatte daher auch keine Ursache mehr, Geschmack an ihm zu finden. Aber das war nicht Alles; als Vaudemont etwas über vierzehn Tage im Hause war, hinkte Lilburne, ungeduldig und verstimmt, entweder über seine Weigerungen, einen Platz am Spieltisch einzunehmen, oder über die Mäßigung, womit er, wenn er es that, sein Unglück auf kleine Verluste beschränkte, eines Tages zu ihm hin, als er in einer Fenstervertiefung stehend die weite Landschaft vor sich betrachtete, und sagte:

»Vaudemont, Ihr seyd kecker auf der Jagd, heißt es, als beim Whist.«

»Die Honneurs sind Einem nicht so feind – über die Hecken!«

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Lilburne ziemlich vornehm.

Vaudemont war in diesem Augenblick in einer jener bittern Stimmungen, wo das Gefühl seiner Lage, der Anblick des Usurpators in seinem Hause, in seinem Eigenthum, die milderen, durch seine verhängnißvolle Leidenschaft ihm eingeflößten Gedanken verschlang, und der Ton Lord Lilburnes und sein Widerwillen gegen den Mann waren ihm bei seiner jetzigen Stimmung zu viel, um ruhig zu bleiben.

»Lord Lilburne,« sagte er und seine Lippe zog sich aufwärts, »wäret Ihr arm geboren, Ihr würdet ein großes Vermögen gemacht haben; Ihr spielt so glücklich!«

»Wie soll ich das nehmen, Sir?«

»Wie Ihr wollt!« antwortete Vaudemont kalt, aber mit einem Auge, das Feuer sprühte, und wandte sich weg.

Lilburne blieb sehr nachdenklich stehen – »Hm! er hat Verdacht gegen mich. Auf diesen Anlaß hin kann ich nicht Händel anfangen – schon der Verdacht ist meiner Ehre nachtheilig – ich muß einen andern suchen.«

Am nächsten Tage fragte Lilburne, der vertraut mit Mr. Marsden stand (obgleich dieser Gentleman nie an demselben Tisch mit ihm spielte), diesen klugen Herrn nach dem Frühstück, ob er etwa Pistolen bei sich habe?

»Ja; ich nehme sie immer mit aufs Land – man kann sich wohl üben, wenn man Gelegenheit hat. Ueberdies sind die Jagdliebhaber oft händelsüchtig; und wenn man weiß, daß Einer gut schießt – so erspart es Einem Händel.«

»Sehr wahr!« sagte Lilburne in fast bewunderndem Ton. »Ich habe als jung dieselbe Bemerkung gemacht. Ich habe seit Jahren nicht mit der Pistole geschossen. Ich bin wohl genug jetzt, um mit Hülfe eines Stocks auszugehen. Ich dächte, wir übten uns eine halbe Stunde oder so.«

»Von Herzen gern,« sagte Mr. Marsden.

Die Pistolen wurden gebracht, und sie zogen hinaus; Lord Lilburne fand, daß seine Hand aus der Uebung gekommen.

»Da ich jetzt nie zu Pferd jage,« sagte der Peer, und knirschte mit den Zähnen, indem er einen Blick auf seine zerschossene Hüfte warf; »denn obgleich mich die Lahmheit nicht hindern würde, fest im Sattel zu sitzen, so schadet doch heftige Bewegung meinem Bein; und Brodie sagt, jeder neue Unfall könnte schmerzliche Folgen haben; und da mein Podagra mir nicht erlaubt, jetzt an den Schießpartien Theil zu nehmen, wäre es mir ein großer Gefallen, wenn Ihr mir Eure Pistolen leihen wolltet – es würde mir doch manchmal eine Stunde verkürzen; obwohl, Gott sey Dank, meine Duellzeiten vorüber sind.«

»Recht gerne,« sagte Mr. Marsden; und die Pistolen wurden Lord Lilburne eingehändigt.

 

Vier Tage nachher stießen Mr. Marsden, Vaudemont und einige andere Gentlemen, als sie die Lager des Wilds aufsuchten, auf Lord Lilburne, der in einem Theile des Parks, der außer der Gesichts- und Gehörweite des Hauses lag, sich mit Mr. Marsdens Pistolen die Zeit vertrieb, während Dykeman in seiner Nähe war, um sie ihm zu laden. Er wandte sich um, ganz und gar nicht aus der Fassung gebracht durch die Störung.

»Ihr habt keine Idee, welche Fortschritte ich schon gemacht habe, Marsden; – seht nur!« und er deutete auf einen an einen Baum genagelten Handschuh. »Ich habe dies Ziel zwei Mal unter fünfen getroffen, und jedes Mal habe ich gerade genug in der Linie geschossen, um meinen Mann zu tödten.«

»Ja, das Ziel selbst hat nicht so Viel zu bedeuten,« sagte Mr. Marsden; »wenigstens nicht im wirklichen Duell – die Hauptsache ist, gerade in der Linie zu schießen.«

Während er sprach, schlug Lord Lilburnes Kugel zum dritten Mal durch den Handschuh. Sein kaltes, glänzendes Auge richtete sich auf Vaudemont, indem er mit einem Lächeln sagte:

»Man sagt mir, Ihr schießet gut mit der Vogelflinte, mein lieber Vaudemont; – seyd Ihr ebenso geschickt mit der Pistole?«

»Ihr mögt es sehen, wenn Ihr Lust habt; aber Ihr zielt, Lord Lilburne; das würde Nichts nützen bei einem englischen Duell. Erlaubt mir!«

Er ging zu dem Handschuh hin, und riß einen Finger davon ab, den er abgesondert an dem Baum befestigte, nahm Dykeman, als er an ihm vorbeiging, die Pistole ab, trat an den Platz, von wo man schoß, drehte sich plötzlich um, anscheinend ohne zu zielen, und der Finger fiel auf den Boden.

Lilburne stand erschrocken und erstarrt.

»Das ist wundervoll!« sagte Marsden; – »ganz wundervoll! Wo Teufels habt Ihr einen solchen Kunstgriff her? – denn eigentlich ist es doch nur ein Kunstgriff!«

»Ich lebte mehrere Jahre in einem Lande, wo ich beständige Uebung hatte, – wo Alles, was zum Büchsenschießen gehört, eine nothwendige Fertigkeit war, – einem Land, wo der Mann oft zu kämpfen hat mit den wilden Bestien. In civilisirten Staaten vertritt der Mensch selbst die Stelle der wilden Bestien – aber auf ihn machen wir nicht Jagd! Lord Lilburne« (und dies sagte er mit einem lächelnden und verächtlichen Flüstern), »Ihr müßt Euch etwas mehr einüben.«

Aber diesen Rath nicht beachtend, stellte Lord Lilburne von diesem Tage an seine Morgenbeschäftigung ein. Er dachte nicht mehr an ein Duell mit Vaudemont. Sobald die Jagdliebhaber ihn verlassen hatten, hieß er Dykeman die Pistolen forttragen, und begab sich geraden Wegs heim, in die Bibliothek, wo Robert Beaufort, der kein Jagdliebhaber war, gewöhnlich seinen Morgen zubrachte.

Er warf sich in einen Armstuhl, und sagte, indem er mit ungewöhnlicher Heftigkeit das Feuer schürte:

»Beaufort, es thut mir sehr leid, daß ich Euch gebeten, Vaudemont einzuladen. Er ist ein sehr ungezogener, unangenehmer Bursche!«

Beaufort ließ seines Verwalters Rechnungsbuch fallen, mit dem er sich beschäftigte, und sagte:

»Lilburne, ich habe keinen ruhigen Augenblick gehabt, seit der Mann im Hause ist. Da er ein von Euch eingeladener Gast ist, wollte ich bisher Nichts sagen – aber habt Ihr nicht bemerkt – Ihr müßt es bemerkt haben! – wie ähnlich er den alten Familien-Portraits ist? Je mehr ich ihn ins Auge gefaßt, je mehr leuchtet mir noch eine andere Aehnlichkeit ein. Mit Einem Wort,« sagte Robert, innehaltend und schwer athmend, »wäre sein Name nicht Vaudemont – wäre seine Geschichte nicht, allem Anschein nach, so bekannt, so würde ich sagen – ich würde schwören: es ist Philipp Morton, der unter diesem Dache schläft!«

»Ha!« sagte, Lilburne mit einem Ernst, der Beaufort überraschte, weil dieser gefaßt war, von seinem Schwager höhnische Sarkasmen über seine Befürchtungen zu hören, »die Aehnlichkeit, von der Ihr sprecht, mit den alten Portraits, fiel mir auf; sie fiel auch Marsden dieser Tage auf, als wir durch die Gemäldegallerie gingen; und Marsden bemerkte es laut gegen Vaudemont. Ich erinnere mich jetzt, daß er die Farbe änderte und keine Antwort gab. Still, still! haltet reinen Mund, laßt mich nachdenken – laßt mich nachdenken! Dieser Philipp – ja – ja – ich und Arthur sahen ihn mit – mit – Gawtrey – in Paris –«

»Gawtrey! war das der Name des Spitzbuben, mit dem er soll – –«

»Ja – ja – ja! Ha! jetzt errathe ich die Bedeutung jener Blicke – jener Worte,« murmelte Lilburne zwischen den Zähnen. »Die Ansprüche auf den Namen Vaudemont waren immer apokryphisch – die Geschichte wurde immer nur halb geglaubt – die Erfindung eines in ihn verliebten Weibes – die Ansprüche an Euer Besitzthum werden genau zu der Zeit geltend gemacht, wo er in England erscheint! – Hat habt Ihr eine Zeitung hier? gebt sie mir. Nein, es ist nicht in diesem Blatt. Klingelt nach den gesammelten Nummern!«

»Was gibts? Ihr erschreckt mich!« stotterte Mr. Beaufort, indem er die Glocke zog.

»Ha! habt Ihr denn nicht die im letzten Monat mehrere Male wiederholte Anzeige gelesen?«

»Ich lese nie Anzeigen; außer in der Grafschaftszeitung, wenn Güter verkauft werden sollen.«

»Ich auch nicht oft; aber diese fiel mir ins Auge. John (hier trat der Diener, ein) bringt das Packet Zeitungen. Der Name des Zeugen, auf welchen Mrs. Morton sich berief, war Smith, derselbe Name wie der des Kapitäns; wie war der Taufname?«

»Ich erinnere mich nicht«

»Hier sind die Zeitungen – schließt die Thüre ab – und hier ist die Ankündigung: ›Wenn Mr. William Smith, Sohn von Jeremias Smith, der früher Shipdale Bury im Pacht hatte, unter dem verstorbenen sehr ehrenwerthen Charles Leopold Beaufort (das ist Euer Oheim) und der im Jahr 18** nach Australien auswanderte, sich an Mr. Barlow, Solicitor, Essex-Street, Strand, wenden will, wird er für ihn vortheilhafte Nachrichten erhalten.‹«

»Guter Himmel! warum sagtet Ihr mir davon nicht früher.«

»Weil ich es für gar nicht wichtig hielt. Erstlich konnte dem Mann ein Legat vermacht seyn, das gar Nichts mit Eurem Handel zu schaffen hatte. In der That, das war die wahrscheinliche Vermuthung; oder selbst, wenn sie mit jenen Ansprüchen zusammenhing, konnte eine solche Ankündigung nur ein verächtlicher Versuch seyn, Euch zu ängstigen. Bekümmert Euch nicht – werdet nicht so blaß – am Ende ist dies ja doch ein Beweis, daß der Zeuge nicht gefunden, – daß Kapitän Smith weder der Smith ist, noch herausgebracht hat, wo der Smith ist.«

»Wahr!« bemerkte Mr. Beaufort; »wahr– – sehr wahr!«

»Hm!« sagte Lord Lilburne, der noch rasch das Heft durchsah, – »hier ist noch eine Ankündigung, die ich bisher übersah; das sieht verdächtig aus: ›Wenn die Person, welche am ** September bei Mr. Morton, Leinwandhändler u. s. w. in N*** vorsprach, ihre Anfrage mündlich oder brieflich wiederholen will, kann sie jetzt die gewünschten Aufschlüsse erhalten«.‹«

»Morton? – der Frau Bruder! ihr Oheim? es ist nur zu klar.«

»Aber was führt diesen Mann, wenn er wirklich Philipp Morton ist, was bringt ihn hieher? – Will er spioniren oder drohen?«

»Ich will ihn heute noch aus dem Hause treiben.«

»Nein – nein; habt nur ein wachsames Auge auf ihn. Ich merk' es jetzt; er ist von Eurer Tochter angezogen; forscht sie ruhig aus; sagt ihr, sie solle seine Zuversicht und sein Zutrauen nicht entmuthigen; sucht zu erfahren, ob er von diesen Mortons spricht. Ha! ich erinnere mich – er hat mit mir von den Mortons gesprochen, aber nur im Allgemeinen – ich weiß nicht mehr, was? Hm! das ist ein Mann von Geist und Kühnheit – habt ein Aug auf ihn, sag' ich – habt ein Aug auf ihn. Wann kommt Arthur zurück?«

»Er ist so langsam gereist, denn er klagt noch immer über seine Gesundheit und hat Rückfälle erlitten; aber er sollte diese Woche in Paris eintreffen; vielleicht ist er jetzt dort. Guter Himmel! er darf nicht mit diesem Mann zusammentreffen!«

»Thut, was ich Euch sage! Sucht Alles von Eurer Tochter herauszubekommen; er kann Nichts gegen Euch ausrichten als auf dem Rechtsweg. Aber wenn er wirklich an Camilla Geschmack findet –«

»Er! Philipp Morton – der Abenteurer– der – –«

»Er ist der älteste Sohn; bedenkt, Ihr dachtet ja sogar daran, sie dem Zweiten zu geben. Er kann den Zeugen finden – er kann den Prozeß gewinnen; wenn er Camilla liebt, so kann ein Vergleich stattfinden.«

Mr. Beaufort war zu Muth, als würde er zu Eis.

»Ihr haltet also für möglich, daß er diesen infamen Prozeß gewinne?« stammelte er.

»Suchtet nicht Ihr dieser Möglichkeit vorzubeugen, indem Ihr Euch des Bruders versichertet? und noch viel mehr verlohnt es sich mit diesem Mann! Hört Ihr! die Politik von Privatleuten ist wie die des öffentlichen Lebens – wenn der Staat einen Demagogen nicht zermalmen kann, muß er ihn gewinnen und herüber locken. Wenn Ihr diesen Hund« (und Lilburne stampfte, sein Podagra vergessend, heftig auf den Boden) »zu Grunde richten könnt, thut es, hängt ihn! Wenn Ihr es nicht könnt« (und hier streichelte er mit krausem Gesicht den beschädigten Fuß) »wenn Ihr es nicht könnt (Gottes Tod! welches Zwicken!) und er kann Euch ruiniren, so nehmt ihn in die Familie auf, und macht sein Geheimniß zum unsrigen! Ich muß gehen und mich legen; ich habe mich zu sehr aufgeregt.«

In großer Bestürzung begab sich Beaufort sogleich zu Camilla. Seine Nervenaufregung verrieth sich, obgleich er ein schauerliches Lächeln erzwang, und ausnehmend kalt und gesammelt zu seyn sich bestrebte. Seine Fragen, welche sie verwirrten und in Unruhe setzten, brachten bald den Umstand heraus, daß Vaudemont von den Mortons gesprochen, gleich das erste Mal, wo er ihr vorgestellt worden; daß er später oft darauf angespielt, und zuerst sehr von dem Vorurtheil eingenommen zu seyn geschienen habe: daß der jüngere Bruder unter der Obhut der Beauforts stehe; am Ende aber habe er sich dem Anschein nach, wiewohl mit Widerstreben, vom Gegentheil überzeugt. Robert, wie unruhig er auch war, behielt wenigstens so viel von seiner natürlichen Schlauheit, daß er seinen Verdacht: Vaudemont sey Philipp Morton selbst, nicht merken ließ, denn er fürchtete, seine Tochter möchte diesen Verdacht dem Gegenstand desselben verrathen.

»Aber,« sagte er mit einer Miene, welche, wie er meinte, Vertrauen gewinnen sollte, »ich glaube fast, er kennt die jungen Leute. Ich möchte gern selbst mehr von ihnen wissen. Suche Alles, was Du kannst, von ihm zu erfahren, und sag es mir, und – ich sage – ich sage, Camilla – hi, hi, hi! – Du hast eine Eroberung gemacht, Du kleine Thörin Du! Hat er, dieser Vaudemont, Dir je gesagt, wie sehr er Dich bewundere?«

»Er! – Niemals!« sagte Camilla erröthend und dann erblassend.

»Aber er sieht so aus. Ha! Du sagst also Nichts. Gut, gut, entmuthige ihn nicht; das heißt, ja, entmuthige ihn nicht. Sprich mit ihm, so viel Du kannst – frage ihn über sein früheres Leben. Ich habe einen besondern Wunsch, davon zu wissen – es ist von großer Wichtigkeit für mich.«

»Aber mein lieber Vater!« sagte Camilla zitternd und ganz verwirrt, »ich fürchte diesen Mann – ich fürchte – ich fürchte –«

Wollte sie sagen: »Ich fürchte mich?« Ich weiß nicht; aber sie stockte und brach in Thränen aus.

»Zum Henker mit den Mädchen!« murmelte Mr. Beaufort; »immer heulen sie, wenn sie Einem etwas Nutz seyn sollten. Geh hinab, trockne Deine Augen – thu, was ich Dir sage – bring von ihm heraus, so viel Du kannst. Ihn fürchten! – ja, ich glaube, sie thut es!« murmelte der arme Mann, als er die Thüre schloß.

 

Was Wunder, wenn von dieser Zeit an Camillas Benehmen gegen Vaudemont noch verlegener war als je? was Wunder, wenn er diese Verlegenheit sich nach den Gefühlen seines Herzens deutete? Beaufort sorgte dafür, sie noch öfter als vorher mit ihm in Berührung zu bringen; er erheuchelte plötzlich eine kriechende, schmeichlerische Artigkeit gegen Vaudemont; er war überzeugt, er liebe Musik; was er von der neuen Melodie halte, welche Camilla so sehr gefalle? Er mußte ein Kenner der Landschaften seyn, er, der so viele gesehen; es waren schöne Landschaften in der Umgegend, und wenn er seinen waidmännischen Uebungen entsagen wollte – Camilla zeichnete hübsch, hatte ein Auge für der Art Sachen und ritt so gerne.

Vaudemont war erstaunt über diese Veränderung, aber sein Entzücken war größer als sein Erstaunen. Er begann zu ahnen, daß man seine wahre Persönlichkeit vermuthe; vielleicht hatte Beaufort, großmüthiger als er ihm zugetraut, die Absicht, alle frühere Unbilden und Härten durch diesen Einen unschätzbaren Segen gut zu machen. Die Großmüthigen deuten die Motive Andrer in extremem Sinne – immer zu enthusiastisch oder zu streng. Vaudemont war zu Muth, als hätte er dem Unrecht gethan, der ihm Unrecht gethan hatte; er fing sogar an seine Abneigung gegen Robert Beaufort zu überwinden.

Einige Tage kam er so viel in Berührung mit Camilla; die Fragen, die sie ihr Vater zwang, an ihn zu richten, mit Angst und Zittern vorgebracht, schienen ihm Beweise von ihrer Theilnahme an seinem Geschick. Seine Gefühle für Camilla, so plötzlich in ihrem Entstehen – so gereift und begünstigt durch den Vicebeherrscher der Welt – den Gott der Verhältnisse – hatten vielleicht nicht die Tiefe und die ruhige Fülle jener Einen, wahren Liebe – von der es viele Zerrbilder gibt! – und die beim Mann wenigstens vielleicht den Anhauch und die Reife, wo nicht der Zeit, doch mindestens vieler Erinnerungen, der vollkommnen und erprobten Ueberzeugung von der Treue, der Würdigkeit, dem Werth und der Schönheit des Herzens, an das er sich anschließt, erheischt; – aber dennoch waren diese Gefühle stark, glühend und heftig. Er glaubte sich geliebt – er fühlte sich in Elysium. Aber er erklärte diese Leidenschaft noch nicht, die in seinen Augen strahlte. Nein! er wollte noch nicht die Hand Camilla's ansprechen, denn er bildete sich ein, die Zeit werde bald kommen, wo er sie ansprechen könnte, nicht als ein Niedrigerer oder Flehender, sondern als der Herr von ihres Vaters Schicksal.



 << zurück weiter >>