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Drittes Kapitel.

Mitis.

Dieser Macilente, Signor, fängt plötzlich an viel leutseliger zu werden.

Jedermann aus seiner Laune.

Punt.

Signor, Ihr seyd hinlänglich unterrichtet.

Fast.

Wer? Ich, Sir?

Ebendaselbst.

Nachdem sie den größern Theil des Tages mit vergeblichen Nachfragen und Nachforschungen zugebracht, kehrten Philipp und Morton in das Haus des Letztern zurück.

»Und nun,« sagte Philipp, »ist Alles, was zu thun übrig bleibt, dies: erstlich gebt der Polizei der Stadt eine genaue Schilderung des Mannes; und zweitens laßt uns eine Anzeige in das Grafschaftsjournal und in einige der Londoner Zeitungen setzen, des Inhalts, daß, wenn die Person, welche Euch aufgesucht, sich die Mühe nehmen und sich noch einmal in Person oder durch Briefe an Euch wenden wolle, sie die verlangten Aufschlüsse erhalten könne. Im Fall er es thut, will ich Euch nur bitten, ihn an – ja – Monsieur de Vaudemont zu weisen, nach dieser Adresse.«

»Also nicht an Euch?«

»Es ist dasselbe,« antwortete Philipp trocken. »Ihr habt meinen Verdacht bestärkt, daß die Beauforts Etwas von meinem Bruder wissen. Was habt Ihr gesagt von einem andern Freund der Familie, welcher mit nachforschen half?«

»Oh! – ein Mr. Spencer! ein alter Bekannter von Eurer Mutter.« Hier lächelte Morton, aber da er keine Aufmunterung zu einem Scherz fand, fuhr er fort: »Indessen, das liegt weder hier noch dort; Im Original: »… that's neither here nor there«, d. h.: das gehört hier nicht zur Sache. – Anm.d.Hrsg. er hat gewiß Euren Bruder nicht aufgefunden. Denn ich habe mehrere Briefe zu verschiedenen Zeiten von ihm bekommen, worin er sich erkundigt, ob man keine Nachrichten von Einem oder dem Andern von Euch habe.

Und in der That hatte sich Spencer ganz besondere Mühe gegeben, die Mortons zu täuschen, deren Einmischung er nicht viel weniger fürchtete, als die der Beauforts.

»Dann kann es nichts nützen, sich an ihn zu wenden,« sagte Philipp gleichgültig, da er sich auf den Namen Spencer nicht besinnen konnte, und daher auf dessen Erwähnung nicht viel Gewicht legte.

»Gewiß, ich glaube es auch. Verlaßt Euch darauf, Mr. Beaufort muß es wissen.«

»Wahr,« sagte Philipp. »Und ich habe Euch jetzt nur noch Dank zu sagen für Eure Güte, und dann in die Stadt zurückzukehren.«

»Aber bleibt doch heute bei uns – thut es – laßt mich fühlen, daß wir Freunde sind. Ich versichere Euch, des armen Sidney Schicksal ist mir eine Last auf der Seele gewesen, seit er uns verlassen. Ihr sollt das Bett haben, worin er schlief, und über das sich Eure Mutter beugte, als sie ihn und mich für immer verließ.«

Diese Worte wurden mit so viel Gefühl gesprochen, daß der Abenteurer seines Oheims Hand drückte, und sagte: »Verzeiht mir – ich habe Euch Unrecht gethan; ich will Euer Gast seyn.«

 

Mrs. Morton, man sollte es kaum glauben, legte keine Zeichen von übler Laune an den Tag, als sie von der angebotnen Gastfreundschaft hörte. In der That war Miß Margaretha während Philipps Abwesenheit so beredt in seinem Lobe gewesen, daß sich die Mutter günstig für ihn stimmen ließ. Wirklich hatte ihre Tochter eine Art Herrschaft über Mrs. Morton und das ganze Haus erlangt, seit sie einen so trefflichen Heirathsantrag angenommen, und zu dem sind manche Leute wie die Hunde – sie knurren die Zerlumpten an und schmeicheln wedelnd den Wohlgekleideten. Mrs. Morton hatte Nichts einzuwenden gegen einen Neffen de facto, sondern nur gegen einen Neffen in forma pauperis.

Der Abend verging daher heitrer, als man hätte vermuthen können, obwohl es Philipp ziemlich schwer wurde, die vielen Fragen über die Vergangenheit, womit er bestürmt wurde, zu pariren. Er begnügte sich damit, so kurz als möglich zu erzählen, daß er in fremden Diensten gedient, und sich so Viel erworben habe, um unabhängig leben zu können; und dann mit der Leichtigkeit, die ein Mann in der großen Welt sich aneignet, lenkte er das Gespräch auf die Aussichten der Familie, deren Gast er war. Nachdem er mit gebührender Aufmerksamkeit der Mrs. Morton Lobeserhebungen ihres Tom angehört hatte, den man hatte holen lassen, und der die Lobpreisungen seiner Artigkeit und seines Anstandes mit einem sehr großen Paar erröthender Ohren einsog, – ferner ihre Selbstbeglückwünschungen zu Miß Margaretha's Heirath, so wie auch zu den Diensten, welche Mr. Morton der Stadt geleistet, welcher während seiner ersten Bekleidung der Mayorschaft auf eigne Kosten den Stadtsaal hatte herstellen lassen, item, eine lange Aufzählung ihrer eignen Genealogie, wie sie einen Geistlichen zum Vetter habe, und ihr Großvater zum Ritter erhoben worden sey; item, die häuslichen Tugenden aller ihrer Kinder, item, eine verworrene Erläuterung der Züchtigung, welche Sidney erfahren, welche Philipp in der Mitte abschnitt, fragte er mit einem Lächeln, was aus der Familie Plaskwith geworden sey.

»Oh!« sagte Mrs. Morton, »mein Bruder Kit hat sich vom Geschäft zurückgezogen. Sein Schwiegersohn, Mr. Plimmins, ist für ihn eingetreten.«

»Oh! also hat Plimmins eine von den jungen Damen geheirathet?«

»Ja, Jane – sie hatte ein betrübt schielendes Auge – Tom, daran ist Nichts zu lachen! – wir sind Alle, wie uns Gott geschaffen; – Schön ist, wer schön handelt – sie hat drei Kinder.«

»Schielen sie auch?« fragte Philipp, und Miß Margaretha kicherte, und Tom jauchzte, und die andern jungen Leute jauchzten auch. Philipp hatte freilich etwas sehr Witziges gesagt.

Diesmal ertheilte Mrs. Morton keinen Verweis, sondern sie antwortete nachdenklich:

»Die Natur ist sehr geheimnißvoll; sie schielen Alle!«

 

Mr. Morton führte Philipp in sein Schlafzimmer. Es war frisch, sauber, unverändert – dieselben weißen Vorhänge, dieselben Geißblatttapeten, wie damals, als Katharine über die Schwelle geschwebt war.

»Hat Euch Sidney je erzählt, daß seine Mutter in jener Nacht ihm einen Ring um den Hals hing?«fragte Mr. Morton.

»Ja; und der liebe Knabe weinte, als er mir erzählte, daß er zu tief geschlafen, um zu merken, daß sie an seiner Seite stand dies letzte – letzte Mal. Der Ring – oh! wie gut erinnere ich mich seiner! sie legte ihn nie ab bis dahin; und oft auf dem Felde – denn wir waren unstete Wandrer miteinander damals – oft, wenn sein Haupt an meiner Schulter lag, fühlte ich, daß dieser Ring immer an seinem Herzen ruhte, und bildete mir ein, es sey ein Talisman – ein Segenspfand. Nun genug! Ich wünsche Euch gute Nacht!«

Und er schloß hinter seinem Oheim die Thüre und war allein.



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