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Siebentes Kapitel.

Vor ihnen dehnte eine öde Wüste
Sich aus, nackt, freudlos, grenzenlos, bedeck
Mit Galgen, Knochen und mit Leichnamen.

Thomson. Das Schloß des Müßiggangs.

Mr. Gawtrey hatte nicht Lust, seinem Feinde den Triumph zu gönnen, zu denken, daß er ihn aus Mailand vertrieben; er beschloß zu bleiben und ihm zu trotzen; aber als er sich öffentlich zeigte, fand er, daß die Bekannten, die er sich erworben, sich höflich verbeugten, aber auf die andere Seite der Straße auswichen. Keine Einladungen zu Thee und Karten regneten mehr auf den lustigen Geistlichen. Er war betroffen und erstaunt, denn während die Leute ihn mieden, schienen sie doch gar nicht unhöflich. Er erfuhr endlich, daß das Gerücht verbreitet worden, er sey im Kopfe nicht ganz richtig; obgleich er dieses Gerüchtes Ursprung nicht bis zu Lord Lilburne zu verfolgen vermochte, war er doch nicht im Zweifel, von Wem es ausgesprengt worden. Sein excentrisches Wesen, und besonders neuestens sein seltsames Benehmen bei Macgregor bestärkten diese Angabe.

Wieder begannen die Fonds in den leinenen Beuteln zu sinken, und endlich sah sich Mr. Gawtrey in Verzweiflung genöthigt, das Feld zu räumen. Sie kehrten durch die Schweiz nach Frankreich zurück – jenes Land war zu arm für Spieler, – und seit dem Zusammentreffen mit Lilburne war mit Gawtreys muntrer Laune ein großer Wechsel vorgegangen; er wurde tiefsinnig und finster; er gab sich keine Mühe, dem gemeinsamen Schatze wieder aufzuhelfen, er sprach oft und ernsthaft mit seinem jungen Freunde von der armen Fanny, und gestand seine Sehnsucht, sie wieder zu sehen. Der Wunsch nach Paris zurückzukehren, verfolgte ihn wie ein Verhängniß, er erkannte die Gefahr, die seiner dort wartete, aber sie lockte ihn nur um so mehr an, wie die Kerze die Motte, der sie schon die Flügel versengt hat.

Birnie, der bei allen ihren Schicksalswechseln und Wanderungen, bei Ebbe und Fluth, das gleiche schweigsame, unbewegliche Wesen beibehielt, nahm mit einem höhnischen Lächeln den endlich erfolgenden Beschluß auf, nach der französischen Hauptstadt zurück zu marschiren.

»Ihr hättet sie nie verlassen, wenn Ihr meinem Rathe gefolgt wäret,« sagte er und verließ das Zimmer.

Mr. Gawtrey starrte ihm nach und murmelte: »Ist also der Stempel fertig?«

»Was meint er denn?« sagte Morton.

»Ihr werdet es bald erfahren,« versetzte Gawtrey, und folgte Birnie; und von dieser Zeit hatte er wieder geheimnißvolle Besprechungen mit diesem Manne, welche während ihrer Reisen ganz abgebrochen zu seyn und aufgehört zu haben schienen.

* *
*

Eines Morgens sah man drei Männer zu Fuß durch die Porte St. Denis in Paris einwandern. Es war ein schöner Frühlingstag, und die alte Stadt erschien gar heiter mit ihren herumschleudernden Pflastertretern und prächtigen Läden, und unter dem, Frankreich so eigenthümlichen, klaren, blauen herzerfreuenden Himmel.

Zwei von den Männern gingen nebeneinander, der Dritte einige Schritte voraus. Dieser Erste – mager, blaß und fadenscheinig – schien doch am wenigsten von der Anstrengung der Wanderung erschöpft; er wanderte mit langen, schwebenden, geräuschlosen Schritten dahin, und schaute rechts und links aus seinen Augenwinkeln. Von den ihm folgenden Beiden war der Eine schön und wohlgestaltet, aber von dunkler Gesichtsfarbe, jung, aber mit einem Ausdruck von Kummer; der Andere, von stämmigem Wuchs, stützte sich auf einen dicken Stock, und seine Augen waren düster zur Erde gerichtet.

»Philipp,« sagte der Letztere, »bei der Rückkehr nach Paris ist mir, als ob ich zurückkehrte zu meinem Grabe!«

»Pah! – Ihr waret ebenso niedergeschlagen bei unseren sonstigen Streifzügen.«

»Weil ich immer an die arme Fanny dachte, und weil – weil – Birnie immer an mir war mit seinen entsetzlichen Versuchungen!«

»Birnie! Ich verabscheue den Menschen! Werdet Ihr seiner nie los werden?«

»Ich kann nicht. Still! er hört uns! Wie unglücklich ist es uns ergangen! und jetzt, ohne einen Sou in der Tasche – hier die Düngerhaufen! dort der Kerker! Wir sind endlich in seiner Macht!«

»Seiner Macht? Was meint Ihr!«

»Was, he! Birnie!« rief Gawtrey, nicht auf Mortons Frage achtend; »laßt uns Halt machen und frühstücken. Ich bin müde.«

»Ihr vergeßt! – Wir haben kein Geld, bis wir uns welches machen!« versetzte Birnie kalt. »Kommt zu dem Schlosser – er wird uns leihen!«



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