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Fünftes Buch.

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Und zu eines Stroms Gestaden
Kam ich, der nach Morgen floß.

Schiller. Der Pilgrim.

Erstes Kapitel.

Per ambages et ministeria Deorum.

Mr. Roger Morton befand sich hinter seinem Ladentisch an einem regnerischen, trübseligen Tage. Mr. Roger Morton, Alderman, und zweimal Mayor seiner Vaterstadt, war ein gedeihender Manns. Er war stattlich und korpulent geworden. Der nächtliche Trank, Branntwein mit Wasser, Jahr für Jahr mit mechanischer Beharrlichkeit fortgesetzt, hatte die Rose seiner Wangen tiefer gefärbt. Mr. Roger Morton war nie berauscht – er »versetzte sich nur in eine behagliche Stimmung.« Seine Constitution war stark; aber woher dies nun rühren mochte, seine Verdauung war nicht so gut, als zu wünschen gewesen wäre. Er wußte immer gewiß, daß ihm Etwas nicht gut bekam. Heut ließ er die Keule stehen – morgen den Pudding. Jetzt mied er Gemüse wie Gift – bald unterwarf er sich mit Seufzen dem ärztlichen Verbot der Cigarren. Mr. Roger Morton dachte nie daran, den Branntwein mit Wasser aufzugeben; und er würde jeden Wink in dieser Beziehung gegen einen so nüchternen und achtbaren Mann als den Gipfel unverschämter Einmischung geahndet haben.

Mr. Roger Morton saß – denn seit den letzten vier Jahren, seit er zum zweitenmal Mayor gewesen, hatte er sich einen seine Würde hebenden Stuhl zuerkannt. Er empfing eher seine Kunden, als daß er sie bediente. Das letztere Geschäft fiel zweien seiner Söhne zu. Für Tom war, nach langem Bedenken, der Beruf eines Apothekers gewählt worden. Mrs. Morton bemerkte, es sey ein anständiges Gewerbe, und Tom war immer ein anstelliger Junge gewesen, und Mr. Roger erwog auch, daß es ein großer Trost und eine wichtige Ersparniß seyn würde, wenn er einen ärztlichen Berather an seinem eigenen Sohns hätte.

Die zwei andern Söhne und die verschiednen Ladendiener waren mit dem vortheilhaften Gewerbe beschäftigt, wie Kunde um Kunde, mit Schirmen und in Ueberschuhen hereintraten unter das lockende Obdach – als ein gering gekleideter Mann, etwas über mittlerem Alter, mit einem von Sorgen abgezehrten, hungrigen Gesicht schüchtern eintrat. Er wartete geduldig an dem wimmelnden Ladentisch, unter Ellbogenstößen von lebhaften alten Jungfern mit spitzen Knochen – und wie spitz und scharf die Ellbogen alter Jungfern sind, weiß Niemand, der sich nicht, ein unwillkommener Gast! mit Gewalt den Weg gebahnt hat durch die aufgeregten Gruppen im Laden eines Leinwandhändlers! – der Mann, sage ich, wartete geduldig und traurig, bis der Kleinste der Ladenjungen von einer Dame loskam, die, nachdem sie lange gewählt und verglichen, sich am Ende zu zwei Ellen lilafarbigen Pfennigbandes entschloß, und mit einschmeichelndem Ladenton sagte:

»Was soll ich Euch zeigen, Sir?«

»Ich wünschte mit Mr. Morton zu sprechen. Wo ist er?«

»Mr. Morton ist beschäftigt. Ich kann Euch geben, was Ihr wünscht.«

»Nein – es ist eine Geschäftssache – wichtiges Geschäft.«

Der Junge betrachtete den abgetragenen, regentriefenden Hut, die Hände ohne Handschuhe, und die schäbige Halsbinde des Redenden, und sagte, indem er mit den Fingern durch seine üppigem hellen Locken fuhr, –

»Mr. Morton thut jetzt nicht mehr Viel selbst im Geschäft; aber dort ist er. Cravatten, Sir?«

Der Mann antwortete nicht, sondern ging dahin, wo Mr. Roger Morton am Fenster plaudernd mit dem Bankier der Stadt (der eben ein Paar Castorhandschuhe anprobirte), noch immer saß – nachdem er sich wegen des Sitzens gebührend entschuldigt.

Der Alderman schob seine Brille herunter, indem er einen grimmigen Blick auf die ärmliche Erscheinung warf, welche den stattlichen Bankier beschattete, und fragte:

»Wollt Ihr Etwas von mir, mein Freund?«

»Ja, Sir, wenn Ihr so gut seyn wollt;« und der Mann nahm seinen schäbigen Hut ab und verbeugte sich tief.

»Nun, so sprecht; keine Bettelei, hoffe ich!«

»Nein, Sir! Eure Neffen –« Der Bankier drehte sich um und faßte nun auch den neuen Ankömmling ins Auge. Der Leinwandhändler fuhr zurück.

»Neffen!« wiederholte er mit verblüffter Miene. »Was meint der Mann? Wartet ein Bischen.«

»Oh! ich bin fertig!« sagte der Bankier,lächelnd. »Ich freue mich zu finden, daß wir so ganz zusammenstimmen über diese Frage; ich wußte das wohl, unser Vertreter im Parlament kann uns nimmermehr anstehen, wenn er so fortmacht. Das Gewerbe muß auf seinen Vortheil Acht haben. Ich wünsche Euch guten Tag.«

»Neffen!« wiederholte Mr. Morton aufstehend, und dem Manne winkend, ihm in das hintere Wohnzimmer zu folgen, wo Mrs. Morton saß, die Waschzettel fertigend.

»Nun denn,« sagte der Gatte, die Thüre zumachend, »was ist Euer Anliegen, guter Freund?«

»Sir, was ich Euch fragen möchte, ist dies: ob Ihr mir sagen könnt, was geworden ist aus – aus den jungen Mr. Beau – das heißt, aus Eurer Schwester Söhnen? Ich höre, es seyen zwei gewesen – und man sagt mir auch, sie – sie seyen Beide todt. Ist das so?«

»Was liegt Euch daran, mein Freund?«

»Glaubt mir, Sir, ihnen liegt sehr Viel daran.«

»Ja, ha, ha, ha! Freilich liegt einem Jeden Viel daran, ob er lebt oder todt ist!« Mr. Morton machte, seit er Mayor gewesen, dann und wann seinen Spaß. »Aber in der That –«

»Roger!« sagte Mrs. Morton mit leiser Stimme, – »Roger!«

»Ja, meine Liebe!«

»Kommt her! Ich muß mit Euch wegen dieser Rechnung sprechen.« Der Gatte näherte sich und bückte sich zu seiner Frau herunter.

»Wer ist der Mann?«

»Ich weiß nicht«

»Glaubt mir, er hat Ansprüche zu machen – Rechnungen oder dergleichen. Laßt Euch nicht ein – die Jungen sind todt, nach Allem, was wir wissen.«

Mr. Morton räusperte sich und kehrte zu seinem Besuch zurück.

»Euch die Wahrheit zu gestehen, ich weiß nicht, was aus den jungen Leuten geworden ist.«

»Dann sind sie nicht todt – dachte ich es doch!« rief der Mann freudig.

»Das ist mehr, als ich sagen kann. Es sind viele Jahre, seit ich den Einen, – den ich überhaupt gesehen, aus dem Auge verloren habe; und nach dem, was ich weiß, können Beide todt seyn.«

»Wirklich!« sagte der Mann. »Und Ihr könnt mir keine Art von – von – Fingerzeig geben, um sie aufzufinden!«

»Nein. Sind sie Euch Etwas schuldig?«

»Es ist nicht der Mühe werth, davon jetzt zu sprechen, Sir. Ich bitte Euch um Entschuldigung.«

»Halt – Wer seyd Ihr denn?«

»Ich bin ein sehr armer Mann, Sir.«

Mr. Morton scheute zurück.

»Arm! Ha – ganz gut, ganz gut. Ihr seyd wohl jetzt mit Eurem Anliegen fertig. Guten Tag, – guten Tag. Ich bin beschäftigt.«

Der Fremde zupfte einen Augenblick an seinem Hut – drehte die Thürschnalle herum – und schielte unter seinen grauen Augbrauen hervor den stattlichen Kaufmann an, der, beide Hände in die Taschen gesteckt, den Mund zusammengeschnürt, als wolle er sagen: Nein! unruhig hinter der Mrs. Morton Stuhl sich bewegte. Er seufzte, schüttelte den Kopf, und verschwand.

Mrs. Morton zog die Glocke; – die Magd trat ein.

»Wische den Teppich ab, Jenny; – so schmutzige Füße! Mr. Morton, es ist ein Brüsseler!«

»Es war nicht meine Schuld, meine Liebe. Ich konnte nicht vor dem ganzen Laden Familiensachen verhandeln. Weißt Du wohl, ich hatte die armen Jungen ganz vergessen. Das beunruhigt mich. Die arme Catharine! sie liebte sie so zärtlich! Und der Sidney war solch ein hübscher Knabe! Was mag aus ihnen geworden seyn? Mein Herz macht mir Vorwürfe. Ich wollte, ich hätte den Mann weiter gestutzt.«

»Weiter! – ha, er war ja eben im Begriff zu betteln.«

»Betteln – ja – sehr wahr!« sagte Mr. Morton, unentschlossen inne haltend; und dann mit herzhaftem Tone schrie er: »Und, Gott verdamm' mich, wenn er gebettelt hätte, ich könnte ihm ja wohl einen Schilling gewähren! Ich will ihm nach!«

Mit diesen Worten eilte er zurück in den Laden, aber der Mann war fort – der Regen strömte herab – Mr. Morton hatte seine Schuhe an – er schneuzte sich und ging an den Ladentisch zurück. Auch hier stieg vor seiner Erinnerung das blasse Antlitz seiner todten Schwester auf; und eine Stimme flüsterte ihm ins Ohr: »Bruder, wo ist mein Kind?«

»Pah! es ist nicht meine Schuld, daß er davon lief. Bob, geh und hole mir die Grafschaftszeitung.«

Mr. Morton hatte sich wieder gefaßt, und war ganz vertieft in eine Untersuchung wegen Mordes, als ein zweiter Fremder stolz und vornehm in den Laden trat. Der neue Ankömmling, in einen Pelzkragen gehüllt, mit einem starken Schnurrbart, und einem Auge, das mit Einem Blick den ganzen Laden, – vom Prinzipal bis zum Jungen, von der Decke bis zum Fußboden umfaßte, hatte das Ansehen eines Ausländers und zugleich eines Soldaten. Aller Augen hafteten auf ihm, als er einen Augenblick stehen blieb, und dann auf den Alderman zugehend, sagte:

»Sir, Ihr seyd ohne Zweifel Mr. Morton?«

»Ja Euren Befehlen, Sir,« sagte Roger, unwillkürlich sich erhebend.

»Nun denn, ein Wort mit Euch in Geschäften.«

»Geschäften!« wiederholte Mr. Morton, und wurde sehr blaß, denn er fing an zu glauben, er werde von Gespenstern geneckt. »Etwas, das meinen Handel betrifft, Sir? Ich wäre –«

Der Fremde bückte sein hohes Haupt und flüsterte in Mr. Mortons ahnungsvolles Ohr:

»Eure Neffen!«

Mr. Morton war im eigentlichsten Sinne betäubt. Ja, gewiß war es ein böser Spuck! Er stierte den zweiten Gast an, und glaubte etwas Ueberirdisches und Uebernatürliches an ihm zu entdecken. Er war so groß, so schwarz, so finster und fremd. War es der nicht zu Nennende selbst, der gekommen war, den Leinwandhändler zu holen? Wieder die Neffen! Der Oheim der Kinder im Wald im Mährchen konnte kaum ärger erschrecken über die Frage.

»Sir,« sagte Mr. Morton endlich, seine Fassung und Würde wieder sammelnd, und etwas mürrisch, –«Sir, ich weiß nicht, warum Andere sich in meine Familienangelegenheiten mischen wollen. Ich frage andere Leute nicht nach ihren Neffen. Ich habe keine Neffen, von denen ich wüßte.«

»Vergönnt mir, Euch einen Augenblick allein zu sprechen.«

Mr. Morton seufzte, zog seine Beinkleider in die Höhe und führte seinen Besuch in das Wohnzimmer, wo Mrs. Morton, nachdem sie mit den Waschrechnungen fertig geworden, beschäftigt war, Blasen über Töpfe mit Eingemachtem zu binden. Die älteste Miß Morton, ein junges Frauenzimmer von fünf- bis sechsundzwanzig Jahren, im Begriff stehend, sich sehr vortheilhaft zu verheirathen mit einem jungen Gentleman, welcher mit Kohlen handelte und die Violine spielte (denn N*** war eine sehr musikalische Stadt), war eben auch eingetreten, um den »Schweizerknaben mit Variationen« einem schläfrigem kleinen Fortepiano abzupressen, welches sehr klägliche Tone von sich gab unter den erweckenden Fingern der Miß Margaretha Morton.

Mr. Morton riß brummend die Thüre auf, und wie der Fremde unter der Thüre stehen blieb, sprudelte die ganze Fluth von Tönen (aus der Tonart C), worauf der »Schweizerknabe« dahin schwamm, mit Kühen und Allem, auf Leben und Tod, ihm entgegen.

»Still! hörst Du nicht?« schrie der Vater, eine Hand ans Ohr legend, während er mit der andern auf einen Stuhl deutete; und als Mrs. Morton von ihrem Eingemachten aufblickte mit jener Miene leidenden Unmuthes, womit die weibliche Schwäche eines Gatten übermüthige Kränkung rügt, fuhr Mr. Morton, dies Achseln zuckend, fort:

»Wieder meine Neffen, Mrs. Morton!«

Miß Margaretha wandte sich um und machte eine Verbeugung. Mrs. Morton ließ in aller Stille eine Serviette über das Eingemachte fallen, und murmelte eine Art Begrüßung, als der Fremde, den Hut abnehmend, der Mutter und Tochter eines jener edlen Gesichter zuwandte, auf welches die Natur die Rechte und das Zeugniß des Adels der Schöpfung geschrieben.

»Verzeiht mir,« sagte er, »wenn ich Euch störe. Aber mein Geschäft wird kurz seyn. Ich bin gekommen, Sir, um Euch offen, und als Einer, der das Recht dazu hat, zu fragen, was Ihr mir für Nachrichten geben könnt von Sidney Morton!«

»Sir, ich weiß durchaus Nichts von ihm. Er ward vor etwa zwölf Jahren durch seinen Bruder meinem Hause entführt. Ich, die beiden Mr. Beauforts und noch ein Freund der Familie suchten sie Beide auf. Mein Nachforschen war vergeblich«

»Und das der Andern?«

»Ich hörte von Mr. Beaufort, daß sie auch nicht glücklicher gewesen sehen. Seither habe ich mit jenen Herren keinen Verkehr gehabt. Aber das liegt weder hier noch dort. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Aeltere von den Knaben – ein schlimmer Charakter, wie ich besorge! – seinen Bruder verderbt und zu Grunde gerichtet; und der Himmel weiß, was und wo sie jetzt sind.«

»Und Niemand hat sich seither bei Euch erkundigt – Niemand hat den Bruder der Catharine Morton, oder vielmehr von Catharine Beaufort gefragt: wo ist das Eurer Obhut anvertraute Kind?«

Diese Frage, so auffallend ähnlich derjenigen, die ihm sein Aberglauben vorgelispelt, entsetzte ganz den würdigen Alderman. Er taumelte rückwärts – er starrte das markirte, finstre Gesicht an, das ihn scharf anblickte, und schrie endlich:

»Um Gotteswillen, Sir, seyd gerecht! Was könnte ich für Einen thun, der mich aus freiem Antrieb verließ?«

»An dem Tag, wo Ihr ihn wie einen Hund geschlagen. Ihr seht, Mr. Morton, ich weiß Alles!«

»Und Wer seyd Ihr?« sagte Mr. Morton, seinen englischen Muth wieder zusammennehmend, und übel empfindend, daß man ihm in seinem eignen Hause so trotzig begegnete – »Was und Wer seyd Ihr, daß Ihr Euch so die Freiheit, nehmt, einen Mann von meinem Charakter und Achtbarkeit zu katechisiren?«

»Der zweimal Mayor –« begann Mrs. Morton.

»Still, Mutter!« wisperte Miß Margarethe, – »steift ihn nicht noch auf!«

»Ich frage nochmals, Sir, Wer seyd Ihr?«

»Was ich bin? – Euer Neffe! Wer ich bin? Vor Menschen trage ich einen Namen, den ich angenommen und nicht entehrt habe – vor dem Himmel bin ich Philipp Beaufort.«

Mrs. Morton sank auf ihren Stuhl nieder. Margaretha flüsterte: »Mein Vetter!« in einem Ton, der dem Ohr des musikalischen Kohlenhändlers vielleicht nicht sehr behagt hätte, und Mr. Morton trat nach einer langen Pause mit einem offenen und männlichen Ausdruck der Freude auf ihn zu, und sagte:

»Dann, Sir, danke ich von ganzem Herzen dem Himmel, daß Einer von den Söhnen meiner Schwester lebend vor mir steht!«

»Und jetzt frage ich noch einmal – ich, ich, den Ihr anklagt, ihn verderbt und zu Grunde gerichtet zu haben – ihn, für den ich arbeitete und mich abmühte, – ihn, der mir damals das war, was ein letzter, übriggebliebener Sohn einem ängstlichen Vater – ich, dem er entrissen und geraubt wurde – ich frage Euch noch einmal nach Sidney, meinem Bruder!«

»Und ich wiederhole, daß ich Euch keine Kunde mitzutheilen weiß, daß – halt! einen Augenblick! wartet! Ihr müßt mir verzeihen, was ich von Euch gesagt, bevor Ihr Euch zu erkennen gabt. Ich hielt mich nur an die Erzählungen, die ich von Mr. Beaufort gehört. Laßt mich aufrichtig sprechen. Dieser Gentleman war, mit Recht oder Unrecht, der Ansicht, daß es von großer Wichtigkeit wäre, Euern Bruder von Euch zu trennen. Er mag ihn wohl aufgefunden haben – es muß wohl so seyn – und hat dann seinen Namen und sein Schicksal uns Allen verhehlt, damit Ihr es nicht entdecktet. Mrs. Morton, glaubt Ihr nicht auch so?«

»Wahrhaftig ich bin so erschrocken, ich weiß nicht, was ich denken soll,« sagte Mrs. Morton, und legte die Hand an die Stirne und rückte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.

»Aber da sie Euch Unrecht gethan – da Ihr – da Ihr so ganz, so sehr –«

»So ganz ein Gentleman –« half ihm Miß Margaretha ein.

»Ja, so ganz ein Gentleman seyd; – in guten Umständen auch, hoffe ich, Sir,« und das erfahrene Auge des Mr. Morton warf einen Blick auf den kostbaren Pelz, womit der Kragen verbrämt war – »so kann es Euch nicht schwer werden, von Mr. Beaufort Alles zu erfahren was Ihr zu wissen wünscht. Und bitte, Sir, darf ich fragen: habt Ihr heute Jemand zu mir geschickt, um dieselbe Erkundigung, wie Ihr selbst, einzuziehen?«

»Ich? Nein! Was meint Ihr?«

»Gut, gut – setzt Euch – hinter all diesem mag Etwas stecken, was Ihr besser errathen könnt als ich.«

Und als Philipp nach seinem Willen that, erzählte ihm Mr. Morton, der eine wirkliche, aufrichtige Freude hatte, seiner Schwester Sohn lebend und dem Anschein nach in gedeihlichen Umständen zu sehen, sofort ganz genau die Unterredung, die er mit dem vorherigen Besuche gehabt. Philipp hörte ihm mit ernster Aufmerksamkeit zu. Wer konnte der Frager seyn? Jemand, der um seine Geburt wußte – Jemand, der ihm nachspürte – Jemand der – Guter Himmel, konnte er der langvermißte Zeuge der Trauung seyn?

Sobald dieser Gedanke ihn durchzuckte, fuhr er von seinem Sitz auf und bat Morton dringend, ihm den Unbekannten aufsuchen zu helfen. »Ihr wißt nicht,« sagte er in einem Tone voll jener Energie des Willens, worin das eigentliche Talent seines Gemüthes bestand, – »Ihr wißt nicht, von welcher Wichtigkeit dies seyn kann für meine Aussichten – für den reinen Namen Eurer Schwester. Wenn es der endlich zurückgekehrte Zeuge wäre! Wer sonst, von dem Stande, wie Ihr den Mann geschildert, hätte ein Interesse bei solchen Nachfragen? Kommt!«

»Welcher Zeuge!« – sagte Mrs. Morton hastig. »Ihr wollt uns doch nicht wieder mit der alten Geschichte von der Heirath kommen!«

»Darf Eure Frau Eure eigne Schwester verläumden, Sir? Eine Heirath bestand – Gott wird noch das Recht an den Tag kommen lassen – und der Name Beaufort wird noch an meiner Mutter Grabstein gesetzt werden. Kommt!«

»Hier sind Eure Ueberschuhe und der Schirm; Papa!« rief Miß Margaretha, durch Philipps Ernst begeistert.

»Meine schöne Cousine, vermuthe ich,« und der Soldat ergriff ihre Hand, küßte ihre Wange, die sie ihm ohne Widerstand bot, wandte sich nach der Thüre, – Mr. Morton legte seinen Arm in den seinigen, und im nächsten Augenblick waren sie auf der Straße.

Als Catharine in ihrem sanften Tone gesagt hatte: »Philipp Beaufort war mein Gatte,« hatte Roger Morton ihr nicht geglaubt, und jetzt hatte Ein Wort von dem Sohne, der doch natürlich so wenig vergleichungsweise von der Sache wissen konnte, beinahe genügt, den Zweifler zu bekehren und zu überzeugen Woher kam dies? Daher, daß der Mensch dem Starken glaubt!



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