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Nicht ist's ein erstes Mal, daß wir uns grüßen
An dieser Stätte, – nicht zum ersten Mal
Hob heut' sich hier der Vorhang, zu enthüllen,
Was unsre Kunst im Spiel Euch zugedacht.
Und doch ist's etwas Neues, das Euch diesmal
Am Fuß des aussichtsfrohen Zürichberges
Zusammenführte in der Musenvilla,
Die mit Euterpes Residenz am See
Sich nimmermehr vergleichen will. – –
Geladen seid Ihr dort – und hier daheim!
Dort Gäste, – hier Gebieter! Dieser Boden,
Der oft entweiht und dessen Saat verwüstet
Vom Wirbeltanz des falschen Musenzugs,
Von Stund' an, Freunde, ist er Euch zu eigen –
Und was Ihr athmet hier, ist Schweizerluft!
Wie, oder wär's im auserwählten Lande,
Das sich Natur zum Lieblingsplatz erkor,
Wo frei die Kunst vom höf'schen Gängelbande,
Nicht erst muß pochen an ein gold'nes Thor,
Wo Volksbegeisterung in hellem Brande,
Zujubelnd allem Schönen, flammt empor, –
Wär's möglich, daß auf solchem Erdenflecke
Die Kunst muß sorgen, wo sie sich verstecke?
Merkurius, was soll dein wildes Hasten?
Gönn' einmal Ohr und Aug' auch unser'm Spiel,
Versuch es nur, ein Stündchen hier zu rasten,
Beflügelt, kommst du immer noch an's Ziel.
Sieh', unser Lenz bricht an mit Glanz und Glasten,
Auf diesen Brettern blühn der Blumen viel,
Und hinter jenes Vorhangs leisem Wehen
Soll eine neue Welt dir auferstehen.
Sie ist nicht besser, aber auch nicht schlechter,
Als die, mit der tagtäglich du verkehrst.
Und wenn du nicht ein arger Kostverächter,
Etwas Apartes grad für dich begehrst,
Frohmüthig einstimmst in ein hell Gelächter,
Auch nicht der leis entlockten Thräne wehrst,
Und an die Botschaft glaubst, die du vernommen, –
Ist's wahrlich nicht schwer, mit ihr auszukommen!
Doch Ihr, die Ihr der Dichtung heilig Feuer
In rauher Bergluft hütet und bewahrt,
Die Ihr, des Volksgeists rüstige Erneuer,
Um's Banner noch des Ideals Euch schaart,
Vernehmt's mit Stolz: Die Stätte hier ist Euer!
Dem Schweizervolk die Schweizereigenart!
Was todtgesagt zu des Poeten Kummer,
An diesem Licht erwach's aus tiefem Schlummer.
Es darf an's Licht und hat's auch seine Schwächen,
Kein
fin de siècle-Parfüm strömt es aus,
Nicht zur Parole wird das Ehebrechen,
Nur gute Geister ziehn in dieses Haus.
Kein Sinnentrug wird Euer Aug' bestechen,
Der Musenkrüppel flüchtet sich hinaus,
Statt Glück und Ende modekranker Wichte
Verfolgt Ihr Eu'res Vaterlands Geschichte.
Solch Zauberwort macht Herzen höher schlagen,
Die Augen glühn, – die Freude stürmt herein,
Es fühlt der Geist sich alpenhoch getragen,
Durch deine Seele flammt's wie Feuerwein,
Und aus dem Dufthauch altersgrauer Sagen
Grüßt dich des Rütlis fluthumrauschter Hain,
Die grüne Au, wo in der Freiheit Schoße
Der Völkerfriede schläft, – der zukunftsgroße.
Vom Seegestad laßt uns den Blick erheben
Zum Sänger, der das Lied der Freiheit sang,
Der uns den Tell erweckt zu neuem Leben,
Das eig'ne Herz voll Muth und Freiheitsdrang.
Sein Genius mög' dieses Haus umschweben, –
Dann stehn wir fest und nimmer wird uns bang –
Des Worts gedenkend, setzt's auch Hieb und Stich,
»Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich!«