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Eine lyrische Suite.
Dich liebt' ich, Göttin, unter Qualen,
Du gabst mir reichlich Lust und Leid;
Bald nahtest du auf Sammtsandalen
In nie geahnter Herrlichkeit;
Als Sorgenschreckgespenst dann wieder
In meinem Thor erschienst du auch,
Und kaum erblühte Tröstungslieder
Erschauerten ob deinem Hauch.
So wardst du Dämon mir und Engel,
Und im Bewußtsein seiner Mängel
Hat dich dieß Herz geliebt, gehaßt.
Bald ist dein Janusbild verblaßt,
Bald stieg es auf in reinster Schöne
Ausstrahlend seine gold'nen Töne, –
Und wonneschauernd, andachtstrunken
Bin ich vor ihm in's Knie gesunken.
Mein Vater hat mich nie geschaut.
In Tönen hat er mir vertraut,
Was mir sein Aug' nicht konnte sagen;
Das war ein Beben und ein Klagen,
Wenn es aus seinem Bogen quoll
So inniglich und andachtsvoll,
Als ich zu seinen Füßen saß
Und Alles um mich her vergaß.
Die Zeit ist fern. Du gabst dem Sohn
Mit in die Ferne einen Ton,
Aus deinem Cello einen Klang,
Der mich umsummt mein Leben lang.
Hör' ich im Busch die Philomele,
Schluchzt mir entgegen deine Seele;
Ertönt dein Lieblingsinstrument,
Es mir im Herzen zuckt und brennt.
Ich seh' dein Antlitz auferstehn,
Die Augen, die mich nie gesehn.
Zu Thränen werden Melodien,
Und schattenhaft vorüberfliehn
Wie eine halbverklung'ne Sage
Seh' ich der Kindheit Frühlingstage.
In den Apoll geweihten Räumen,
D'rin Melodienströme schäumen
Um ein blasirtes Protzenthum,
Wo der Heroen Meisterthaten
In Frack und Binde wohl gerathen
Vor nur »gewähltem« Publikum, –
Da gingst du, Muse, mir verloren
Im Theegeplapper seichter Thoren,
Die auf erborgten Göttersitzen
Drei Stunden Kunstverständniß schwitzen,
Bei Haydn's Witz sich ennuyiren,
Schumann und Mozart kaum goutiren,
Bei einem klassischen Quartett
Theilnehmend zischeln: 's ist recht nett!
Nur bei der kleinen Geigenfee,
Die im Concertsaalnegligé
In kurzen Aermeln – ach herrjeh! –
Den Mendelssohn herunterbrennt, –
Da sind die Kerle kompetent!
Oft bin ich in heiligem Zorn entbrannt,
Sah ich, wie oft man dich verkannt,
Wie Jeder, der zwei lange Ohren
Sein eigen nennt, ganz unverfroren
Dir Huldigung heuchelt,
Dir schönthut und schmeichelt
Mit windigen Worten,
Sich lausend an deines Tempels Pforten,
Schon meint, er stell' deinen Jünger vor
Als Zwangsjackenbürschchen vom Männerchor,
Wo statt des Taktstocks die Knute regiert,
Wo man das Pfuscherthum sanktionirt
Im Kinderspiel mit Kränzlein und Bechern,
Im Prahlhansgejohle von Krämern und Zechern,
Wo mitten im Vereinslokal,
Auf frischgezimmertem Piedestal
Dein Abbild, hehre Göttin, thront,
Von keines Laffen Witz verschont,
Entweiht, entwürdigt von Philistern,
Geschmäht, geschändet von Magistern,
Die im Aufblick zu dir die Kunst verrathen,
Als dilettäntelnde Potentaten
D'rauflos zu sünd'gen berechtigt sich fühlen,
Allüberall suchen ihr Müthlein zu kühlen –
Ja dort, inmitten von Beifallsschnappern,
Umklingelt von Liedern und Tellerklappern,
Umweihraucht von Lob und von duftendem Braten,
Im Ohr noch die schrecklichsten Gräuelthaten –,
Da hat sich mein Herz nach dir gesehnt,
Musik, du wahre, von der sie gewähnt,
Sie weile just mitten unter ihnen –
Wie anders bist du mir sonst erschienen!
In leerer Kirche nach dem Vesperbrot,
Wenn durch die Scheiben glomm das Abendroth,
Hast du, Musik, zu mir dich oft geneigt
Und mir zum Glück den Friedenspfad gezeigt.
Die Kirche leer – kein Stammgastpersonal,
Mit dir allein im letzten Sonnenstrahl –
Welch ein Genuß! Kein Lauscher! Rasch beginne,
Daß nicht das Wonnestündlein dir entrinne!
Die Pfeifen glänzen und die Tasten blinken;
Jetzt magst du schwelgen, Herz, und Schönheit trinken.
Schon schwimmt's heran auf sanften Harmonien,
Und spielend spür' ich's: sachte will entfliehn
Die Seele in ein unbekanntes Land.
Das tönt und singt, – wie blindlings greift die Hand,
Die Seele tastet, Melodien gleiten
Leis schluchzend durch die Hallen, die geweihten.
Die Sonne sinkt ... Da, – schauerlich Phantom! –
Er ist's – 's ist Manfred, und zum Riesendom
Das Bauernkirchlein zauberhaft sich weitet;
Er ist's, wie nach Astarten er die Arme breitet,
Er ringt, ... er ruft. – Hörst du die Seufzer klagen?
Wehmüthig weist's zurück nach fern verglühten Tagen,
Wollüstig wühlend jetzt in Glücksakkorden,
Die nie so recht geläufig mir geworden. –
Tief hängt die Nacht. Gespenstisch in der Runde
Starrt's um mich her! Mit seinem Schlüsselbunde
Der Küster thurmwärts humpelt, Glocken schallen;
Verfluchte Gegenwart! Aus ihren Krallen
Befreiend mich, laß ich die Tonfluth branden:
Posaunen schmettern, Ledig aller Banden
Braust's donnernd schon heran in stolzen Wogen,
Daß rings erzittern Kuppelbau und Bogen.
Hinprasselt's wie ein jauchzendes Gewitter,
Dieweil herab durch's hohe Fenstergitter
Der Mond mitleidig lächelnd lauscht und sinnt,
Sein Licht wie Silber auf den Fliesen rinnt,
Die Kanzel, wie ein Schwalbennest so klein,
Erglänzt in bläulich geisterhaftem Schein.
Ein Andachtsschauer rieselt durch die Glieder,
Und weich, als säng's die Nachtigall im Flieder,
Als würden's dort die Engelsköpfchen lallen,
Ein Credo schwebt durch die verlass'nen Hallen ...
Wenn schüchtern längst sein letzter Ton verklungen,
Verstummt die Hörner und die Engelzungen,
Und hinter mir das Kirchenpförtlein knarrt',
Schien mir's, als hätt' ein Spuk mich heut' genarrt,
Fühlt' ich den Kuß nicht auf den heißen Wangen,
Den du mir gabst, eh' du von mir gegangen.
Er ist mir Pfand, daß du noch oft erscheinst,
Weiß ich doch, daß du's liebreich mit mir meinst,
Mit Rosen kränzest deines Sängers Thür, –
Du holde Kunst, ich danke dir dafür!