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Nachtstücke.

I.

Leuchtwolken miteinander ringen,
Wie Felsen starren Häuserreih'n,
Der Morgen naht, die Nacht zu zwingen,
Im Stadtkanal die Schwäne schrei'n.

Es harft der Wind in tausend Drähten,
Darin der Nerv des Zeitgeists bebt;
Von Tritten hallt der Stein, von späten – –,
Ein Nachtgespenst vorüberschwebt.

Laternen flackern, Scheiben zittern
Im Nebelfrost, – die Welt ist todt;
An goldbespitzten Villengittern
Irrlichtert scheu das Morgenroth.

Dort oben blinzelt Lichtgefunkel
Durch die gespalt'nen Jalousien,
Die Sünde tastet sich durch's Dunkel,
Sie muß beim Hahnenschrei entfliehn.

Zwei Stimmen, – ein beseligt Wimmern
Die tagesscheue Liebe wacht;
Die letzten Silbersterne flimmern
Am Wunderdiadem der Nacht.

II.

Bei'm Brunnenrauschen und Sternenflimmern
Begann ich mir mein Glück zu zimmern
Und träumte mich hinauf zu dir
In's mondumfluthete Bergrevier,
Sah geisterhaft die Giebel sich recken
Im mitternachtstillen Hochlandflecken, –
Und fand das Häuschen; leis trat ich ein
In's Heiligthum, – dein Kämmerlein.
Da lagst du im zitternden Mondenlicht
Mit selig lächelndem Angesicht,
Das friedlich schlummernd im Kissen sich barg,
Ein Engelsköpfchen im Todtensarg.
Sacht schien dein Busen sich zu heben,
Um Purpurlippen zuckte das Leben,
Ein Traum umhuschte die blassen Wangen,
Und durch das Stübchen kam's gegangen
Mit Geisterschritten und hauchte dich an.
Wie Flaumgefieder vom schwarzen Schwan
Erzitterten leise die Stirnkraushärchen;
Mich däucht', ich wäre der Prinz im Märchen,
Und sank an deinem Bett in's Knie,
Empfehlend dich deiner Jungfrau Marie,
Der täglich du, bevor du begießest
Die Blumen all', dein Herz erschließest
Und die dein Wesen ganz versteht.

So setzt' ich zusammen mir schnell ein Gebet
Aus Wunschesleitern und Hoffnungsstützen,
Von Herzen glaubend, es könne dir nützen
Und könne dich, mein Lieb, bewahren
Vor all' den süßen Lenzgefahren,
Die, ehe denn noch graut der Tag, –
Zublinzeln dir vom Gartenhag.


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