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Geheiligter Boden, – die hohle Gasse:
Zum zweiten Mal im Küßnachtpasse
Schritt ich an der Kapelle vorbei,
Der dunkellauschigen Waldsiedelei,
Wo Tell's Geschoß in grausem Flug
Den Landvogt aus dem Sattel trug.
An jenem Tag sprang klirrend die Kette – –,
Ein rechter Schweizer segnet die Stätte,
Schaut staunend zurück in gewitternde Zeiten,
Es hauchen die Lippen die ehrengeweihten,
Von Schiller verherrlichten Namen, er lauscht – –
Durch's Laub wie Geistergruß es rauscht. –
Die Julisonne blinzelte schräg
Durchs Aestgewirr, – im Höhenweg
Lag Staub und schwüle Mittagsgluth,
Da sieh, – was doch die Liebe thut:
Da hielten wir an – (fast freventlich war's)
– Noch spür' ich den Märchenduft deines Haars –,
Dein schwarzbraunes Aug' schoß den glühendsten Pfeil,
Tief holtest du Athem, – der Weg wurde steil;
Leicht lagst du im Arm mir, die Zähnchen lachten,
Da wollt' ich wie du, süße Kleine, verschmachten, –
Und wie ich ob Küßnacht dir Kirschen gepflückt,
Hab' zu kirschrothen Lippen ich rasch mich gebückt,
Besiegelnd so auf klassischem Grund
Mit Küssen der Herzen gemeinsamen Bund.
*
Andächtigen Schauers voll zogen wir weiter,
Und war auch kein Heldengeist unser Begleiter,
So war's doch ein guter; ihm hab' ich's zu danken,
Daß plötzlich nicht scheuten die Lustgedanken,
Als ich der Tellskapelle Wand
Geschändet sah von roher Hand, –
Ein Anblick, den ich, weiß Gott, nicht ertragen,
Wär' ich gekommen mit leerem Magen
Und hätte geträumt nicht zur selben Stunde
Von Kirschen, gepflückt von deinem Munde.