Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
»Sehen Sie, meine Damen, das Meer von Gemeinheit, das uns umbrandet? Aber hier sind wir sicher. Pflücken Sie eine Blüthe von diesem Baume, es ist der Baum der Poesie, und stecken Sie Ihre feinen Näschen hinein, dann werden Sie von dem eklen Schlammgeruch nicht belästigt.«
Paul Heyse (»Merlin«).
»Ueber Tod und Schicksal tröstet die Schönheit allein ...«
So lehrt Dein Lied. Im Dämmerschein
Und später, wenn die Augenlider sanken,
Lustwandelnd sich ergingen die Gedanken,
Hab' ich es oft gebetet und gesungen;
Und war sein letztes gold'nes Wort verklungen,
Dann wußt' ich beieinander meine Sachen,
Im Fall es gälte, nicht mehr zu erwachen.
Aus eines Reichen Gnadenfüllhorn schlürfen,
Sich Schuldner fühlen und nicht danken dürfen,
Ist nicht nach Jedermanns Geschmack.
Zwar das Titanenthum im Frack
Denkt freilich anders, – zählt's doch heute
Zur Tollhauscandidatenmeute
Von Bilderstürmern im Reich des Schönen,
Die Dich und Deine Muse verhöhnen,
Gar dem Apoll nach Bubenart
Verhelfen zum realistischen Bart.
So wag' ich's denn mit gleichem Recht
Wie jene Gesellschaft, die sich erfrecht,
Am Zeug Dir zu flicken mit plumpen Händen,
Dir einen Dankesgruß zu senden,
Wohl wissend, daß es sich nicht schickt,
Wenn auf zum Riesen ein Zwerglein blickt.
Nun aber studirt' ich in meinem Leben
An Schulen ja Manches vorbei und daneben
Und meinte was Wunders noch schuldig zu sein
Dem weisen Senat mit dem Glorienschein.
Was dort ich vernommen aus löblichem Munde,
Wiegt auf mir jene einz'ge Stunde,
Da ich zu Deinen Füßen saß
Und rings der armen Welt vergaß,
Was Augenblicksgunst gab zu fassen,
Steckt' ich in meine leeren Taschen,
Was Zufallslaune mir bescheert,
D'ran hab' ich Jahre lang gezehrt.
Spür' ich doch heute noch die Gluth
Des Auges, das auf mir geruht,
Und wähne – kindisch Selbstbethören! –
Noch Deiner Stimme Klang zu hören.
*
»Ueber Tod und Schicksal tröstet die Schönheit allein.«
Welch' Zauberwort! Wie Sonnenschein
Blinkt's leuchtend über den Nebelmassen,
Die unten im Städtlein in allen Gassen
Den Athem bedrücken, die Brust beklemmen,
Mit gift'gem Gerinnsel das Land überschwemmen,
Daß statt in Licht und Himmelsblau
In undurchdringlich Modergrau
Das Auge starrt ...
... Als gäb's im Land
Nur eine einz'ge Nebelwand,
Die unbestritten schön zu finden
Des Menschen Pflicht, nicht nur des blinden,
Wird auf die Leutchen losgepredigt:
»Hier ist die Wahrheit! Längst erledigt
Ist all' der blöde Firlefanz
Von Sonnengold und Mückentanz.
Die Welt ist grau, was braucht es Lichter?
Der Nebel, seht, wird stetig dichter;
Nichts als Gestank und Qualm ringsum
Und mitten drin das Publikum,
Das froh ist, wenn es Würmer findet!
Das Wockenkukuksheim verschwindet,
Wir kennen Götter nicht, noch Sterne:
Was scheert uns Roma?
Die Moderne
Schmückt strammenthüllt das Piedestal,
Nur Eines kennt sie, den Skandal,
Der Halbwelt spreugefüllte Puppe –,
Und alles and're ist ihr schnuppe!«
*
Wie klingt in solch ein
Mene tekel
Der Gigerldichter des
fin de siècle
Dein herrlich Lied –, ich summ' die Melodie
Und spinn' sie fort, ich weiß nicht wie:
»Hat dir Tod und Schicksal Glück und Jugend geraubt,
Nur an der Schönheit Busen, nur vom Hauche der Musen
Heilt das Herz dir und hofft und glaubt.« –
Und hofft und glaubt! ..........
....... O könntens sie ahnen,
Die unten jetzt wandeln auf nebligen Bahnen,
Wie prächtig hier oben das Sonnenrad funkelt,
Kaum, daß es ein schüchternes Wölklein verdunkelt;
Wie silbergeharnischt, schneehäuptige Riesen
Aufleuchten, goldrauschige Wälder und Wiesen
Auf Erden das Himmelreich lassen erstehn,
Sie würden die Gegend beschämt sich besehn
Und müßten sich wahrheitgeblendet sagen:
»Wie konnten dort unten so lang wir's ertragen?
Da oben weht freiheitgesättigte Luft,
Drin die Schönheit gedeiht in unsterblichem Duft!«
So würden sie jauchzen die armen Städter.
Ich aber gedachte im Herbstglanzwetter,
Das mir des Säntis Majestät
Als wie ein Traum vor die Seele geweht,
Des großen Dichters am Isarstrand,
Der zu ebener Erde im Sonnenlicht stand,
Wenn rings die Nebel ihn wollten ersticken.
Da nahm ich mir vor, diesen Gruß ihm zu schicken,
Die Hand ihm zu drücken wie's Schweizerbrauch.
Er wird mich verstehen – und Ihr wohl auch!