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Anläßlich der 100jährigen Mozart-Gedenkfeier als Prolog an den Stadttheatern in Bern und St. Gallen zum Vortrag gebracht.
Bevor die Kunst erscheint, Euch zu entführen
In's Zauberlabyrinth der Phantasie,
Wo Traum und Wirklichkeit im Spiel sich gatten,
Vernehmt ein Wort, wie's heut'gem Tage ziemt:
Vor kurzen Wochen noch, im Herbstglanzwetter,
Das, unsern kargen Sommer hell verklärend,
In Feuerfarbengluth die Landschaft tauchte,
Gedachten wir auf frisch geschmückten Gräbern
Der theuern Todten; Kränze fielen – Thränen ...,
In tausend Herzen hielt Erinn'rung Einkehr,
Die gramumflorte, mit wehmüth'gem Lächeln.
Und wieder Tausend schauten sinnend rückwärts,
Am Jungborn der Vergangenheit sich stärkend.
Auch heut' ist ein Gedenktag. Allerseelen
Ist heut' im Reich der Töne. Ein Jahrhundert
Verrauschte, seit der Allergrößten Einer,
Die je gelebt, den Siegeslauf vollendet. –
Ein rauher Tag war's, als durchs Schneegestöber
Sie Mozart's Hülle still zu Grabe trugen.
Nur spärlich, unscheinbar war das Geleite,
Das seiner Bahre folgte; kein Gesang
Ward ihm, der uns das herrlichste gesungen.
Verschollen war die Stätte bald, wo Mozart,
Der Schöpfer Don Juans, für immer rastet!
Von jenem Tage trennt uns ein Jahrhundert!
Wir sind des Meisters Erben! – – – –
– – – – – – – Seht, die Göttin,
Sie selber, Polyhymnia, in Trauer
Naht sie, die gold'ne Leier schwarz umsäumt,
Mit Rosen, ach! – die Saiten weiß umflochten!
Sie naht, des theuern Lieblings Grab zu suchen.
Sie wandelt Hügelreihen auf und ab – umsonst!
Wo soll sie ihren Palmzweig niederlegen,
Des Meisters letzter Ruhestatt zu schmücken?
»Wo, lieber Wolfgang Amadeus Mozart,
»Wo schlummerst Du?« – So klagt sie unter Thränen.
Umsonst. Sie wird die dunkle Gruft nicht finden,
Darinnen Mozart's irdische Hülle ruht.
Sei's d'rum. Was groß, unsterblich war an ihm,
Das webt und wirkt unsterblich fort auf Erden.
Wo immer ewig Schönes tönt, ist Mozart!
Mit diesem Wort verstummt die Todtenklage,
Die Trauerfackeln löschen aus; es bricht
Als wie an nebeltrübem Wintertage
Aus Wolkengrau der Sonne gold'nes Licht.
Des Meisters Erdenwallen wird zur Sage,
Und Freude strahlt auf jedem Angesicht.
So, frohbewegt, laßt uns den Tag begehen,
An welchem Mozart uns soll auferstehen!
Heil seinem Genius, dem wir alle lauschen,
Wenn er dahinfährt seine Sonnenbahn,
Klangherrlich naht bald wie des Wildbachs Rauschen,
Bald leise segelnd wie ein stolzer Schwan
Auf Wohllautsfluthen, bald zum Küssetauschen,
Wie Cherubin, der Page, huscht heran.
Mag trösten er, erschüttern oder scherzen –,
Von Herzen kommend geht sein Ton zu Herzen!
Obwohl wir ein Jahrhundert vorgeschritten,
So laut'res Gold ward nimmer uns bescheert;
Um Kunst und Künstler wird ja viel gestritten,
Und unser Publikum, wie ist's gelehrt!
Trotz Zeitenumschwung, Wechselkraft der Sitten,
Stets haben Mozart's Werke sich bewährt; –
Titanen straucheln in des Zeitgeists Schlingen,
Der Zauberflöte Ton wird ewig klingen!
O mög' Sarastro's Weisheit nie veralten,
Don Juan's Ende nie belächelt sein!
Ein armes Herz fürwahr, das mag erkalten
Bei Figaro's galanten Schelmerei'n!
Doch nun genug! Schon nahn die Huldgestalten!
Mögt Ihr dem leichten Volk gewogen sein!
Du aber, Mozart, komm, in Zaubertönen
Mit Welt und Schicksal neu uns zu versöhnen!