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Bayreuther Sonette.

I.

Bei jedem Schuster prangt des Meisters Büste,
Und jeder Stein verkündet seinen Ruhm;
Hier, zwischen Narren- und Philisterthum,
Büßt gründlich man die göttlichsten Gelüste.

Hier »Malten-Puder« – Herz, sieh dich nur um!
Dort »Kundry-Tücher«, – wer den Preis nur wüßte!
Nicht spötteln, Kind, daß man sich nicht entrüste!
Wir schulden das dem lieben Publikum.

Nun laß uns pilgern zur geweihten Stätte,
Die Sonne lacht der Kunstbegeist'rungshatz.
Doch weh' mir, daß ich's bald vergessen hätte:

Die Schuhe weg! Geheiligt ist der Platz!
Du fragst, was uns aus dem Dilemma rette? –
Fiaker her! – Wir fahren. Gelt, mein Schatz? –

II.

Des Sprüchleins dacht' ich: Spielt nicht mit dem Feuer!
Fast hätt' der reine Thor mich 'rumgekriegt;
In mystische Narkose eingewiegt,
Weint' ich ein Thränlein, – 's war das erste heuer.

Was blumenmädchenduftig hüpft und fliegt,
Bot Venus auf, das Liebesungeheuer.
Ihr Faunenpack war niemals plastisch treuer;
Vae victis! Ach, der Freitanzzauber siegt!

Als Tristan sich den Tod herbeigesungen,
Begriff ich erst das Wort: die Kunst ist lang!
Bald hätt' ich meinen Vordermann verschlungen.

Wie mir das Tageslicht entgegensprang,
Bracht' ich dem Herrgott meine Huldigungen, –
Und über »Vogel« ging mir Vogelsang!

III.

Im Zwischenakt geht's an ein Promeniren,
Zum internationalen Stelldichein.
Wahnwitz und Ungeschmack gehn da zu Zwei'n
An Hand der Mutter Mode frech spazieren.

Beim Gral regiert wie überall der Schein,
Das Hohle weiß sich trefflich zu drapiren;
Drehst Locken dir und lässest dich rasiren,
Bist Löwe du in Salon-Wüstenei'n.

»Seh'n Sie dort oben, wo die Schwalben nisten,
Die Burschen von der Meistersingerei?
Es sonnt sich die Costüme-Crème der Statisten.«

– »Gewiß, madame, die Kerle sind sehr frei.
Der Welt Lauf: die am wenigsten Vermißten
Sind gleich zur Hand mit ihrem Conterfei.«

IV.

Jean Paul steht Denkmal unter meinem Fenster,
Sein Standbild ragt aus lichtem Rosenhain,
Wie überglücklich müßt' der Alte sein,
Säh' er die schneid'gen Weihfestspielgespenster.

Nachts im elektrisch blauen Mondenschein
– Der Aussichtsplatz ist freilich ein begrenzter –
Naht der Herr Premier X. – sein Blick, wie glänzt er! –
Im Arm ein kichernd Blumenmägdelein.

Nachtwächterschatten schleichen um die Ecke,
Der auf dem Postament Schlag zwölf Uhr niest,
Sich mühend, daß das Pärchen nicht erschrecke.

Mit einem Kuß das Moll-Nocturno schließt,
Mars salutirt; d'rauf schnell der Fratz, der kecke:
»Du weißt, wo einzig Du mich wiedersiehst!«

V.

Noch schöner als in Klingsor's Zaubergarten
Lustwandelt sich's auf Bayreuths Todtenau,
Wo Liszt begraben liegt im Tempelbau
Inmitten von Trophäen und Standarten.

Des Friedhofs Stätte scheint ein Waldverhau
Mit Aestgewirr und Pflanzen aller Arten,
Hier möcht' sein letztes Stündlein man erwarten
So bei Cypressengrün und Himmelblau.

Hier ließ sich träumen, lieben, ach! – und dichten!
Nur bei dem Felsblock dort aus grauem Stein, Grabmal Jean Paul Friedrich Richter's.
Der einen Quell schließt köstlicher Geschichten,

Da lernte sich's, abseits vom Flitterschein,
Auf Alles miteinander rasch verzichten – –,
Der größte Humorist bleibt doch Freund Hein!

VI.

Der Kundry denk' ich, die uns Sekt kredenzte
Und uns die eigene Equipage lieh, –
So reizend fand die Teufelin ich nie,
Selbst nicht, als sie um Parsifal scharwenzte.

Es war ein Göttertag, – fragt mich nicht wie, –
Der sich mit Sonnengold und Rosen kränzte,
Dein Schelmenaug' wie Irrlichtzauber glänzte,
Spottdrossel neckte: Flieh das Hexlein, flieh!

Ich aber blieb, mein Wissen zu vermehren,
Frau Kundry bückte sich walkürengroß, –
Hurrah! Wir waren mitten in den Beeren!

Schwarzmäulchen-Eßterzett im Waldesschoß,
Du halfst den Abschied mir vom Gral erschweren:
Lieb' wirket Wunder, – wenn auch weihelos!


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