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Links und rechts ein Glockenklingen,
Festtagleuchtend ruht die Welt;
Hell umflirrt von Schmetterlingen
Wand're ich durch's Blumenfeld.
Weihrauchwölklein seh' ich steigen
Durch das gold'ne Sonnenlicht;
Was mein Herrgott mir will zeigen.
Fassen hundert Kirchlein nicht!
Als wäre mir zu dieser Stund'
Ein unbekanntes Glück erblüht,
Küßt mir die Freude Stirn und Mund
Und streichelt mein vergrämt Gemüth.
Vielleicht, daß sich ein Kind versenkt
Mit Andacht in mein Liederspiel,
Vielleicht, daß Jemand mein gedenkt,
Ein Glückszweig mir vom Himmel fiel.
Vielleicht, daß ich zur Frist entrann
Des Schicksals unsichtbarem Droh'n;
Vielleicht, daß jetzt ein alter Mann
Die Hände faltet für den Sohn.
Du bist mir nah! Ein leises Wehen
Wie Geistergrüßen rührt mich an,
Um all mein Denken ist's geschehen,
Und alle Arbeit ist gethan!
Du bist mir nah! Die Stunden wandern,
Aufzieht der Mond, die Nacht ist da,
Und eines weiß vom lieben Andern
Das Wörtlein nur: Du bist mir nah!
Weltverloren träumt die Fluth
Zwischen hohen Felsenspitzen,
Und der Himmel läßt die Gluth
Seiner Sterne d'rüberblitzen.
So ein dunkles Augenpaar,
Das in blauen sich entzündet, –
See und Augen brunnenklar
Bleiben ewig unergründet.
Jüngst glaubt' ich, mit der Sonne
Von Herzen froh zu sein,
Da kam das Weh geschritten
Leis mit dem Sternenschein.
Was Lustig's ich ersonnen,
Verflog wie Duft und Schaum,
Es zog viel Silberfäden
Sehnsucht von Baum zu Baum.
Das war ein heimlich Weben
In hehrer, keuscher Nacht; –
Lang, lang entschlaf'ne Liebe
War wieder aufgewacht.
Es will die Welt versinken
Im Dämmerabendgrau,
Und Nebelhände winken
Vom Sumpf und Waldverhau.
Im Thurm der alte Küster
Keucht schwer am Glockenstrang,
Und in das Rohrgeflüster
Schlägt dumpfer Erzgesang.
Der Himmel, aus der Ferne
Ein Leichenangesicht,
Birgt seine Augensterne
In weißer Wolkenschicht.
Die Farben sind verschwunden,
Rings Stille wie im Grab, – –
Ich starrte zwei Sekunden
In's Todtenreich hinab.
Die Luft durchschwebt ein Glockenklingen
Als lächelte die Sagenfee;
Rings Leuchtgeschwirr von Schmetterlingen,
Durch's Buschwerk blitzt der Bodensee.
Das ist des Traumgotts Lieblingsstunde:
Wenn Alles ruht in Glanz und Duft
Beginnen Geister ihre Runde,
Die Vorzeit steigt aus dunkler Gruft.
Und Schatten nahn – –, mit müdem Staunen
Zum Hohentwiel ein Antlitz starrt ...
Durch Blüthenzweige geht ein Raunen:
»Das ist der Mönch – der Ekkehart!«
Gestern noch saßen wir träumend im Kahn
Schaukelnd auf silberner Wasserbahn;
Heut' lieg' ich einsam im heimischen Raum:
Ach, wie so kurz war der Sommernachtstraum!
Gestern noch – götterbesel'gende Lust! –
Streut' ich dir Rosen auf Wangen und Brust,
Schlürfte den Dufthauch aus deinem Haar;
Ist mir's doch heute, als wär's schon ein Jahr.
Gestern noch hat uns der Himmel geblaut,
Du hingst im Arm mir als heimliche Braut.
Berge von Wolken heut', – Wetter in Sicht!
Fern weilt mein Schatz mit verweintem Gesicht.
Des Dichters Leben ist und bleibt
Ein ewig Sich-vereinsamt-sehn,
Und was er dichtet, was er schreibt,
Wie Herbstlaub muß es rasch verwehn.
An seinem dunkeln Lebenslauf
Viel Sterne auf- und niedergehn,
Und hört sein Herz zu lieben auf,
So wird es müssen stillestehn.
Wenn ich zwei Flügel hätt',
Meinst, ich würd' reisen,
Adlergleich ziehn in bedächtigen Kreisen?
Glaubst, ich entflöge dir – husch! – aus dem Bau?
Bist mir ein argwöhnisch Ding du, – schau, schau!
Mitten in Freud' und Leid
Mag mir's behagen,
Dich in den Armen, was sollt' ich erjagen?
Bin ja kein flatterhaft thörichter Knab',
Wenn ich zwei Flügel hätt' – – schnitt ich sie ab!
Saure Aepfel und sauren Wein
Hab' oftmals ich genossen,
Das Schicksal lud bald grob, bald fein
Und hat nach mir geschossen.
Gefahr lag oft versteckt am Weg,
Heil saust' ich über Brück' und Steg,
Kein Berg war meinem Fuß zu hoch –
Und – sonderbar! – ich lebe noch!
Amor's Pfeile, ich zog sie oft
Aus herzenstiefer Wunde,
Was ich durch Jahre zusammengehofft,
Stahl mir die nächste Sekunde.
Jetzt kreuzest du gar meinen Pfad,
Und deine Schönheit sonder Gnad'
Schlug Armen mich in Bann und Joch,
Und – sonderbar! – ich lebe noch!
Wissend, niemals sehen wir uns wieder,
Schritt ich gramgefolgt zu Thale nieder;
Dacht' des Abschiednehmens ohne Ende,
Spürte noch den letzten Druck der Hände,
Sah die Thräne, die in's Aug' sich stahl, –
Alles, – ach! – durchlitt ich noch einmal.
Angekommen in der trauten Stätte,
Sorgt' ein Zufall, daß die Stirn sich glätte.
Bei der Musenkinderschaar, der neuen,
Ward ein Anblick mir, zum Herzerfreuen:
Denn zum küssen ähnlich – fix und glatt
Grüßte mich mein Lieb vom Titelblatt!