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Lenzlockung.

Wie einst schlingst du die weißen Arme
Um meinen Hals und flüsterst: Fort!
Es hängt dein Mund, der purpurwarme,
An meinen Lippen halbverdorrt.
Halt' ein, du Göttin meiner Träume,
Grausame Sehnsuchtbringerin,
Zerwühle nicht mir Herz und Sinn,
Du weißt ja, wie ich elend bin –
Laß mich im Schatten meiner Bäume.

Fort, fort! Drängst du in wildem Hasten,
D'rob Phantasie erschreckt sich bäumt,
Dein harrt die Welt in Glanz und Glasten,
Auf, Thor, hast lang genug geträumt!
Im Himmelblau die Wolken schwimmen,
Der Vogel rüstet sich zum Flug,
Und du hast an dir selbst genug? –
Wirf dich in deines Rosses Bug,
Schon ruft der Lenz mit tausend Stimmen!

Den Lenzruf hab' ich wohl vernommen,
Ein süßes Düften lockte lind,
Doch kann ich nimmer mit dir kommen,
Die Füße mir gefesselt sind.
Sie schleifen nach die Sorgenkette,
Sind an die Scholle festgebannt;
Wonach ich meinen Arm gespannt,
Wohin ich meinen Ruf gesandt –
Niemand, der meine Gährkraft rette!

Verzehrend mich im Sehnsuchtsringen
Nach einem Geister-Capua,
Träum' ich mich fort auf gold'nen Schwingen
Und bin dem Weltenpulsschlag nah.
Fürwahr, trotz zarter Liebesbanden,
Die fesseln tief an's Heimatthal,
Gäb' ich den Alpenquadersaal
Mit seinen Schätzen ohne Zahl
Um einer Großstadt Wogenbranden.

Nach Schönheit lechzend, thatenlüstern,
Trüg's mich im Spiel der Wellen fort,
Und aus dem Plätschern, Kichern, Flüstern
Strahlt' mir der Dichtung gold'ner Hort.
Schling' fester deine weißen Arme
Um mich, du Sehnsuchtbringerin,
Du weißt ja, wie ich selig bin,
Wenn du berückst mir Herz und Sinn, –
Dein Mund mich küßt, der purpurwarme!


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