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XXXIV. Magister Ortuin Gratius entbietet seinen Gruß dem Magister Mammotrektus, seinem grundgelehrten Freunde im höchsten Grade der Freundschaften.

Demnach die Schrift sagt: »Der Herr lässet's den Aufrichtigen gelingen«, so lobe ich, mein gar aufrichtiger Herr Magister, Ew. Herrlichkeit darum, daß Ihr mir Euern gefaßten Vorsatz so unumwunden und dennoch mit rednerischem Schmucke mitteilet, wie Ihr denn einen guten lateinischen Stil schreibet. Auch ich will Euch unumwunden schreiben, nach den Regeln der Rhetorik, nicht nach denen der Poetik. Liebwertester Herr Magister, Ihr machet mir Geständnisse über Euere Liebe; ich wundere mich, daß Ihr nicht klüger seid, als um Eure Liebe auf Mägdleins zu richten, ich sage Euch, Ihr tut übel daran und habt eine sündhafte Absicht, die Euch zur Hölle führen kann. Ich dachte, Ihr wäret verständig, und kümmert Euch nichts um derlei Leichtfertigkeiten, die immer einen schlimmen Ausgang nehmen. Gleichwohl will ich Euch meinen Rat erteilen, wie Ihr ihn Euch erbittet, sintemal die Schrift sagt: »Wer da bittet, der empfängt.« Ihr müßt vor allem jene eitlen Gedanken an Eure Margarete fahren lassen, die Euch der Teufel eingibt, welcher der Vater aller Sünde ist nach dem Zeugnis Richards über Buch IV . Und so oft Ihr an sie denket, machet ein Kreuz vor Euch hin und betet ein Vaterunser nebst dem Verse im Psalter: »Der Satan müsse stehen zu ihrer Rechten.« Esset auch immer Sonntags geweihtes Salz und besprenget Euch mit Weihwasser, welches der hierzu bestellte Priester des heiligen Ruprecht geweihet hat: auf diese Weise könnet Ihr jenem Teufel entfliehen, der Euch eine heftige Liebe zu Eurer Margarete eingibt, die nicht so schön ist, wie Ihr wähnet. Sie hat eine Warze ' auf der Stirne, lange und rote Schenkel, plumpe und schwarze Hände und ihr Mund riecht übel wegen ihrer schlechten Zähne; dabei aber hat sie einen festen Hintern, nach dem allbekannten Sprichwort:

Margaretens Kunstgebiet,
Ein Netz, das merkwürdig zieht.

Ihr aber seid verblendet durch jene satanische Liebe, daß Ihr ihre Fehler nicht sehet. Sie ißt und trinkt viel, und unlängst entfuhr ihr zweimal ein Furz, als sie neben mir bei Tische saß; da sagte sie, es komme von der Bank her. Ich hatte in Köln eine Schönere, als Eure Margarete ist, und habe sie dennoch verlassen. Nachdem sie einen Mann genommen hatte, ließ sie mich oft durch eine alte Vettel zu sich holen; allein ich ging nur ein einziges Mal hin, aber da war ich betrunken. Ich ermahne Euch: fastet zweimal in der Woche und darauf leget Eure Beichte einem unserer Magister aus dem Predigerorden ab; sodann müßt Ihr zum heiligen Christoph beten, daß er Euch auf seinen Schultern tragen wolle, damit Ihr nicht wieder rückfällig werdet und in das große und weite Meer versinket, wo es wimmelt von zahllosem Getier, das heißt, von unzähligen Sünden, wie es der Kombibilator erklärt, und nachher betet, daß Ihr nicht in Versuchung fallet. Stehet auch früh auf, waschet Eure Hände, bringet Eure Haare in Ordnung und seid nicht träge, denn die Schrift sagt: »Gott, mein Gott, frühe wache ich zu Dir.« Auch meidet verrufene Orte; wir wissen, daß Ort und Zeit den Menschen oft zur Sünde verleitet, und namentlich zur Ausschweifung. Weil Ihr aber von mir ein erprobtes Mittel gegen die Liebe haben wollet, so wisset, daß dies mein Gewissen beunruhigen würde. Als ich Euch hier den Ovid »von der Kunst zu lieben« erklärte, sagte ich Euch, niemand dürfe es vermittelst der Schwarzkunst bewirken, daß ihn die Weiber lieben, und jeder, welcher dawider handelt, sei schon tatsächlich exkommuniziert und die Inquisitoren der ketzerischen Verworfenheit können ihn vorladen und zum Feuertode verdammen. Ich führte Euch auch ein Beispiel an, das Ihr Euch merken sollet, nämlich: Ein Leipziger Bakkalaureus liebte eine Jungfrau Katharina, die Tochter des Pistor, und warf sie mit einem Liebesapfel; sie hob den Apfel auf, legte ihn auf ihre Brust zwischen die Wärz}ein, und sogleich begann sie jenen Bakkalaureus inbrünstig zu lieben, so daß sie, wann sie in der Kirche war, denselben immer anblickte; und wann sie beten sollte: »Vater unser, der du bist in dem Himmel«, so betete sie: »Bakkalaureus wo bist du!« Auch wann sie zu Hause der Vater oder die Mutter rief, antwortete sie: »Bakkalaureus, was wollt Ihr?« Sie wurden nicht klug daraus, bis einer unserer Magister beim Vorbeigehen an ihrem Hause dieses Mägdlein mit den Worten grüßte: »Fräulein Katharina, guten Abend, geh' es Euch wohl, Ihr habt einen schönen Kamm.« Da erwiderte jene Jungfrau Katharina: »Gott sei Dank, mein guter Bakkalaureus, wollt Ihr mit mir vom besten Bier trinken?« und reichte ihm eine Kanne dar. Aber dieser unser Magister wurde böse und verklagte sie bei ihrer Mutter also: »Frau Pistor, weiset Eure Tochter zurecht, sie ist sehr unverschämt; sie hat unsere Universität geschmäht, denn sie hat mich Bakkalaureus genannt, und ich bin doch einer unserer Magister. Wahrlich, wahrlich, ich sage Euch, sie hat eine Todsünde begangen; sie hat mir meine Ehre geraubt, und solche Sünde wird nicht vergeben, wenn nicht das Geraubte wieder ersetzt wird. Auch noch andere von unsern Magistern hat sie Bakkalauren genannt: ich glaube, sie ist in einen Bakkalaureus verliebt, gebt wohl acht auf sie.« Da ergriff die Mutter einen Holzstecken, prügelte ihr Kopf und Rücken durch, daß sie sich ganz voll pißte, sperrte sie ein halbes Jahr lang in die Schlafkammer ein und gab ihr nur Wasser und Brot zur Nahrung. Mittlerweile ging es mit dem Bakkalaureus immer vorwärts: er feierte seine Primiz und stand nachher einer Pfarrei zu Pardau in Sachsen vor. Als – jene dies vernahm, sprang sie aus dem Fenster hoch herab, brach beinahe den rechten Arm und floh nach Sachsen zu dem Bakkalaureus, wo sie noch bis auf den heutigen Tag ist und vier Kinder von ihm hat. Ihr wisset aber wohl, daß dies ein Ärgernis in der Kirche ist. Ihr müßt Euch daher vor jener Schwarzkunst hüten, von der so schlimmes herkommt. Indes könnt Ihr wohl die Arznei anwenden, die Euch Dr. Brunell gegen die Weiberleidenschaft angeraten hat: es ist eine gute Arznei; ich habe sie oft gegen Bauchgrimmen bewährt gefunden. Lebet wohl, sowie auch Eure Mutter!

Aus Köln, aus dem Hause des Herrn Johannes Pfefferkorn.


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