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XXIII. Johannes Wickelträger, demütiger Professor der heiligen Theologie, entbeut seinen Gruß dem Magister Ortuin Gratius, Poeten und Theologen etc.

Sintemalen Ihr einst mein Schüler zu Deventer waret und ich Euch damals mehr als alle meine Scholaren liebte, weil Ihr schöne Talente hattet und ein gar gut erzogener junger Mann waret: darum will ich Euch auch jetzt Rat erteilen, wo immer ich kann. Ihr müßt ihn aber auch gutwillig annehmen, denn Gott ist der Herzenskündiger und weiß, daß ich aus Liebe und zum Heile Eurer Seele zu Euch rede. Es waren einige Kölner hier gewesen, welche sagten, Ihr hättet zu Köln ein Weib, die oft bei Euch sei, und Ihr bei ihr, und behaupten für wahr, Ihr hättet mit ihr zu tun. Es schmerzte mich tief, und heftiger Schrecken befiel mich, als ich es hörte, denn das erregt, wenn es wahr ist, großes Ärgernis, weil Ihr graduiert seid und mit der Zeit noch höher steigen werdet, nämlich zu den Graden in der heiligen Theologie; und wenn man derlei Dinge von Euch hört, so geben diese den jüngeren ein böses Beispiel, wodurch diese noch verschlimmert werden. Ihr habt doch wohl bei Sirach gelesen: »Um der Schönheit eines Weibes willen, sind viele zugrunde gegangen, und böse Lust brennt davon, wie ein Feuer.« Und bei Sirach: »Wende dein Angesicht von einem geputzten Weibe, und siehe nicht nach der Gestalt anderer Weiber. « Und ebendaselbst: »Siehe nicht nach den Mägden, daß du nicht entzündet werdest gegen sie.« Ihr wisset auch, daß Hurerei die größte Sünde ist. Dazu höre ich noch, daß jenes Weib rechtmäßig verheiratet ist und einen Mann hat. Um Gotteswillen, machet Euch los von ihr und habt Euren Ruf vor Augen. Es ist ein Ärgernis, wenn die Leute sagen müssen, ein Theolog sei ein Ehebrecher! Ihr stehet ja sonst in ganz gutem Rufe und jedermann sagt, Ihr wäret ein ganz tüchtiger Mann, wie denn auch ich selbst dies weiß. Ihr solltet Euch täglich einmal in frommer Demut das Leiden unseres Herrn vergegenwärtigen, denn es ist ein kräftig Heilmittel gegen die Versuchungen des Teufels und den Stachel des Fleisches, und solltet in Eueren Gebeten darum bitten, daß der Herr Euch behüten wolle vor schlechten Gedanken. Ich glaube, daß Ihr derlei Dinge bei den weltlichen Dichtern leset und Euch dadurch verschlimmert, darum möchte ich, Ihr sagtet Euch von jenen Dichtern los, Ihr wisset ja, daß der heilige Hieronymus von einem Engel schwer getroffen wurde, weil er in einem Dichterbuche gelesen hatte. Und auch zu Deventer habe ich Euch oft gesagt, daß diese schwach im Glauben und in ihren Sitten schlecht geartet seien. Von ihnen sagt auch der Psalmist, »Ich hasse alle, die da halten auf lose Lehre.« Noch von etwas anderem will ich Euch schreiben. Man sagt, Ihr hättet gegen Johannes Reuchlin in Glaubenssachen geschrieben, und es ist gut, daß Ihr Euer Talent, welches Gott Euch verliehen hat, zu Eurem Vorteil anwendet. Allein es heißt hier Johannes Pfefferkorn, den Ihr auch verteidigt, sei ein schlechtes Subjekt, und nicht aus Liebe zum Glauben Christ geworden, sondern weil die Juden ihn wegen seiner Schlechtigkeit hängen wollten: denn er soll ein Dieb und Verräter sein, und so wurde er denn getauft; auch heißt es allgemein, er sei im geheimen ein schlechter Christ und werde nicht im Glauben verharren. Ihr müßt daher wohl zusehen, was Ihr tut. Bereits hat man zu Halle einen getauften Juden verbrannt, der auch den Namen Johannes Pfefferkorn führt und viele Schlechtigkeiten begangen hat. Ich fürchte, es möchte jenem auch einmal so gehen, darin stünde es schlecht um Euch. Aber nichtsdestoweniger müßt Ihr die Theologie verteidigen. Nehmet es auf die gute Seite, was ich Euch brüderlich geraten habe. Lebet wohl und seid glücklich!

Gegeben zu Magdeburg.


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