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XVI. Matthäus Honiglecker entbeut seinen Gruß dem Magister Ortuin Gratius.

Sintemalen ich immer ein Anhänger Euer Herrlichkeit war und stets Sorge für Euer Bestes getragen habe; darum will ich Euch auch jetzt in Euren Widerwärtigkeiten zur Vorsicht ermahnen, bei Eurem Glücke mich freuen, und bei Eurem Unglücke trauern. Ihr seid ja mein Freund und mit den Freunden müssen wir fröhlich sein, wann sie fröhlich sind, und traurig, wann sie traurig sind, wie Tullius schreibt, obgleich er ein weltlicher Schriftsteller ist. Daher offenbare ich Euch, daß Ihr hier einen sehr bösartigen Feind haben werdet, der viele Lästerungen über Eure Herrlichkeit ausstößt; er setzt vieles voraus, überhebt sich in seinem Hochmute und sagt vor alt, Ihr wäret ein Bankert, Eure Mutter eine Hure und Euer Vater ein Priester. Da stand ich für Euch ein und sagte: »Herr Bakkalaureus, oder was für ein Titel Euch sonst zukommen mag, Ihr seid noch ein junger Mann und solltet Euch über Magister nicht tadelnd äußern, da ja im Evangelio steht: der Schüler ist nicht über dem Meister. Ihr aber seid noch ein Schüler, und Herr Ortuin ist Magister seit acht oder zehn Jahren; darum seid Ihr noch zu kurz, Euch über einen Magister oder Mann, der in einer solchen Würde steht, in Vorwürfen zu ergehen, sonst werdet Ihr auch einen finden, der sich über Euch auslassen wird, und wäret Ihr noch so stolz. Ihr müßt bescheiden auftreten und nicht dergleichen tun.« Hierauf erwiderte er: »Ich rede die Wahrheit, weiß meine Worte zu beweisen und habe nicht Lust, mich um Euch zu kümmern, denn Ortuin ist ein Bankett, ein Landsmann von ihm hat es mir für wahr gesagt, da er seine Eltern kennt, und ich will es auch dem Dr. Reuchlin schreiben, weil er es noch nicht weiß. Warum aber wollt Ihr mir Vorwürfe machen? Ihr wisset nichts von mir.« Auf dieses sagte ich: »Seht da, meine Herren und Freunde, der da vermißt sich, ein Heiliger zu sein, indem er sagt, man könne ihm nichts vorwerfen und er habe nichts schlechtes getan, gleich jenem Pharisäer, der da sagte, er faste zweimal in der Woche.« Da geriet er in Zorn und sagte: »Ich behaupte nicht, daß ich nie gesündigt habe, denn das wäre gegen den Psalmisten, welcher sagt: ‹alle Menschen sind Lügner› (was er durch die Glosse erläuterte: ‹also sind sie Sünden›; allein ich habe gesagt: Ihr dürft oder könnt mir nichts vorwerfen wegen meiner Herkunft von Vater und Mutter; Ortuin dagegen ist ein Bankett und nicht in rechtmäßiger Ehe erzeugt, daher ist er dem Vorwurfe ausgesetzt, und den werde ich ihm in alle Ewigkeit machen.« Da versetzte ich: »Tut das nicht, denn Herr Ortuin ist ein ausgezeichneter Mann und kann sich verteidigen.« Er aber äußerte noch mehr Anstößiges über Eure Mutter, z. B. daß Priester und Mönche, Roßknechte und Bauern auf offenem Felde und im Stalle Unzucht mit ihr getrieben hätten. Dies erregte meinen Unwillen so sehr, daß Ihr es gar nicht glauben könnet. Allein ich kann Euch nicht verteidigen, weil ich weder Euern Vater noch Eure Mutter gesehen habe, obgleich ich fest glaube, daß sie ehrenwerte und rechtschaffene Leute sind. Schreibet mir daher, wie es sich verhält, dann will ich Euer Lob hier ausstreuen. Auch sagte ich zu ihm: »Ihr müßt nicht so sprechen, denn, gesetzt auch den Fall, Magister Ortuin wäre ein Bankett, so ist er vielleicht doch für legitim erklärt, und ist er für legitim erklärt, so ist er kein Bankert mehr, weil das Oberhaupt der Kirche die Gewalt hat, zu binden und zu lösen und einen Bankett legitimieren kann und umgekehrt. Dagegen will ich aus dem Evangelio beweisen, daß Ihr Vorwürfe verdient, denn es steht geschrieben: mit welchem Maß ihr messet, mit dem selben wird auch euch gemessen werden; Ihr aber messet mit dem Maß des Vorwurfes, folglich wird auch Euch ebenso gemessen werden. Ich beweise es auch noch durch etwas anderes. Unser Herr Jesus Christus sagt: richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet; Ihr aber richtet andere und macht ihnen Vorwürfe, also müßt auch Ihr gerichtet werden und Vorwürfe hinnehmen.« Hierauf entgegnete er, meine Beweise seien Possen und ohne Wirkung, und zeigte sich so widerspenstig, daß er sagte, selbst wenn der Papst einen Sohn außer der Ehe gezeugt hätte und ihn nachher legitimieren würde, so wäre derselbe vor Gott doch nicht legitim, und er dennoch willens, denselben für einen Bankert zu halten. Ich glaube, daß der Teufel in diesen Lotterbuben sitzt, die Euch solche Vorwürfe machen. Schreibt mir daher, damit ich Eure Ehre verteidigen kann, denn es gäbe groß Ärgernis, wenn Dr. Reuchlin von Euch wüßte, daß Ihr ein Bankett seid. Allein zugegeben, Ihr wäret einer, so kann er es doch nicht genügend beweisen, und wenn es Euch gut dünkt, so wollen wir ihn vor die römische Kurie vorladen und ihn zwingen, zu widerrufen, wie die Juristen es bei ihren Schlüssen zu machen wissen; wir können ihn auch seiner Würden verlustig machen und ihm einen andern an unserer Stelle auf den Leib schicken, und, nachdem er der Ehrlosigkeit verfallen ist, uns seine Benefizien aneignen, denn er hat ein Kanonikat hier in Mainz und eine Pfarrei noch sonstwo. Nehmet es mir nicht übel, daß ich Euch schrieb, was ich gehört habe, denn ich meine es ganz gut. Gehabt Euch wohl in Gott dem Herrn, der alle Eure Wege behüten wolle!

Gegeben zu Mainz.


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