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XXVI. Anton Rübenstadt wünscht dem Magister Ortuin Gratius

freundlichen Gruß aus herzinniglicher Zuneigung. Ehrwürdiger Herr Magister, ich tue Euch zu wissen, daß ich für jetzt keine Zeit habe, von anderweitigen, nicht höchst notwendigen Dingen zu schreiben; antwortet mir aber nur auf eine Frage, dieich folgendermaßen stelle. Ist ein Doktor, der Rechte gehalten, einem unserer Magister, wenn dieser nicht in Standestracht erscheint, Reverenz zu machen? Es besteht aber die Standestracht unserer Magister, wie Ihr wißt, in einer langen Kapuze nebst Kappenzipfeln. Es ist hier ein Doktor, der in beiden Rechten promoviert hat, und dieser lebt in Feindschaft mit unserem Magister, dem Leutpriester Peter Meyer. Unlängst nun ist er ihm auf der Straße begegnet, als unser Magister Peter nicht in Standestracht ging; da machte ihm jener Jurist keine Reverenz; und nachher hieß es, daran habe er nicht wohl getan, denn wenn er ein Feind sei, so hätte er ihm doch zu Ehren der Theologie Reverenz machen sollen; er hätte immerhin der Feind der Person sein mögen, nicht aber der Wissenschaft, denn die Magister sind an der Apostel Statt, von denen geschrieben stehet: »Wie lieblich sind die Füße derer, die das Gute verkündigen, die den Frieden predigen.« Darum, wenn Je Füße lieblich sind, um wie viel mehr lieblich müssen ihre Köpfe und Hände sein! Auch ist anzunehmen, daß jedermann, selbst Fürsten, den Theologen und unsern Magistern Ehre und Hochachtung zu erweisen schuldig sind. Hierauf erwiderte jener Jurist und führte zum Gegenbeweis seine Gesetze und viele Schriftstellen an. So stehe geschrieben: »Wes Wesens ich dich finde, also will ich dich richten«; allein niemand sei gehalten, demjenigen eine Reverenz zu machen, der nicht so einhergeht, wie er soll, und wäre er selbst ein Fürst. Und wenn ein Priester bei einer unanständigen Handlung betroffen werde, und nicht gekleidet sei, wie ein Geistlicher sein soll, sondern in weltlicher Tracht, dann könne der weltliche Richter ihn für einen Weltlichen halten und demgemäß behandeln, ihn auch mit körperlicher Strafe belegen, ohne daß die Vorrechte der Kleriker dem im Wege ständen. So sprach jener Jurist; Ihr sollt mir nun aber Eure Ansicht kund tun; und wenn Ihr es nicht von Euch selbst wißt, so habt Ihr ja die Juristen und Theologen auf der Kölner Universität, bei denen Ihr Euch Rats holen könnt, damit ich die Wahrheit erfahre. Denn Gott ist die Wahrheit, und wer die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott. Gleicherweise müßt Ihr mich in Kenntnis setzen, wie es sich in Eurem Streite mit Dr. Reuchlin gestaltet. Ich höre, er sei ganz verarmt wegen der großen Kosten, und freue mich sehr, da ich hoffe, daß unsere Theologen den Sieg davon tragen werden und Ihr ebenfalls. Gehabt Euch wohl im Namen des Herrn.

Gegeben zu Frankfurt.


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