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II. Magister Johannes Pelzer entbeut seinen Gruß dem Magister Ortuin Gratius

Freundlichen Gruß und grenzenlose Dienstbereitwilligkeit, ehrwürdiger Herr Magister! Weil es wie Aristoteles in den Kategorien sagt, nicht ohne Nutzen ist, in einzelnen Fällen dem Zweifel Raum zu geben, so liegt denn auch mir ein Umstand schwer auf dem Gewissen. Unlängst war ich auf der Frankfurter Messe und ging mit einem Bakalaureus durch eine Straße auf den Markt, als uns zwei Männer begegneten, die ihrem Äußeren nach recht anständig aussahen: sie hatten schwarze Talare an und trugen große Kapuzen mit Zipfeln. Gott ist mein Zeuge, daß ich glaubte, es seien zwei von unseren Magistern, und ich bezeigte ihnen deshalb meine Ehrerbietung. Da stieß mich der Bakkalaureus und sagte: »Bei der Liebe Gottes, was tut Ihr da? Das sind ja Juden und Ihr ziehet Euer Barett vor ihnen ab! Auf dies überkam mich ein solcher Schrecken, als ob ich einen Teufel gesehen hätte, und ich erwiderte: »Herr Bakkalaureus, Gott sei mir gnädig; ich habe es ja aus Unwissenheit getan; doch – was glaubt Ihr – ist das eine schwere Sünde?« Und nun sagte er zuerst: nach seiner Ansicht sei das eine Todsünde, weil sie unter den Begriff der Götzendienerei falle. somit gegen das erste von den zehn Geboten verstoße, welches lautet: »ich glaube an Einen Gott«; weil, wenn jemand einem Juden oder Heiden eine Ehre antut, wie einem Christen, er wider das Christentum handelt und selbst als Jude oder als Heide erscheint, und dann die Juden und Heiden sagen: »Sie da, wir sind auf dem bessern Wege, weil die Christen uns beehren; denn, wären wir nicht auf dem bessern Wege, so würden sie uns auch nicht beehren; und so werden sie in ihrem Glauben bestärkt, verachten den christlichen Glauben und lassen sich nicht taufen.« Hierauf antwortete ich: Das ist wohl wahr, wenn einer es wissentlich tut, ich aber habe es unwissentlich getan, und Unwissenheit entschuldigt die Sünde; denn hätte ich gewußt, daß es Juden sind, und ihnen dennoch meinen Respekt bewiesen, dann hätte ich den Scheiterhaufen verdient, weil das eine Ketzerei gewesen wäre. Aber weder nach Wort noch Tat – Gott weiß es – hatte ich irgend welche Kenntnis, weil ich glaubte, sie seien von unseren Magistern.« Da entgegnete jener: es ist trotzdem noch eine Sünde«, und erzählte mir (folgendes): »Auch ich ging einmal durch eine Kirche, wo ein Jude von Holz mit einem Hammer in der Hand vor dem Heiland steht; ich aber glaubte, es sei der heilige Petrus, und er habe den Schlüssel in der Hand, beugte die Knie und zog das Barett ab. Nach diesem erst sah ich, daß es ein Jude sei und machte Reue und Leid. Doch bei der Beichte, welche ich im Predigerkloster ablegte, sagte mir mein Beichtvater, das sei eine Todsünde, weil man lauf alles achtgeben müsse; er würde mich nicht absolvieren können, wenn er nicht bischöfliche Vollmacht besäße denn das sei ein bischöflicher Fall; auch setzte er noch bei: hätte ich es absichtlich, und nicht unwissentlich getan, so wäre es ein päpstlicher Fall. So wurde ich denn absolviert, weil er bischöfliche Vollmacht besaß. Und bei Gott, ich glaube, daß, wenn Ihr Euer Gewissen bewahren wollt, Ihr dem Offizial des Konsistorium beichten müßt. Unwissenheit kann Euere Sünde nicht entschuldigen, denn Ihr hättet achtgeben sollen. Die Juden haben immer einen gelben Ring vornen am Mantel, den Ihr hättet sehen müssen, wie auch ich ihn gesehen habe, somit ist das eine krasse Unwissenheit und kann Eure Sünden nicht entschuldigen, denn ihr hättet acht geben sollen. Die Juden haben immer einen gelben Ring vornen am Mantel. Den ihr hättet sehen müssen, wie ich ihn auch gesehen habe; somit ist das eine krasse Unwissenheit und kann keine Sündenvergebung bewirken. So redete dazumal jener Bakkalaureus zu mir. Allein, weil Ihr ein tiefgelehrter Theologe seid, so bitte ich Euch ganz ergebenst und demütig: Ihr wollet mir die oben aufgeworfene Frage gütigst lösen und mir schreiben, ob hier eine Tod- oder eine läßliche Sünde, ob ein einfacher Fall, oder ein bischöflicher oder päpstlicher Fall vorliege. Auch schreibet mir, ob nach Eurer Ansicht die Bürger von Frankfurt recht daran tun, daß sie herkömmlicher Weise den Juden gestatten, in der Tracht unserer Magister einherzugehen. Mir scheint das nicht recht zu sein und großes Ärgernis zu erregen, daß kein Unterschied zwischen den Juden und unsern Magistern ist; auch ist es eine Verhöhnung der heiligen Gottesgelahrtheit, und der Allerdurchlauchtigste Kaiser und Herr sollte nicht leiden, daß ein Jude, der doch nur so etwas wie ein Hund und ein Feind Christi ist, wie ein Doktor der heiligen Gottesgelahrtheit umhergehen darf. Auch schicke ich Euch einen Aufsatz des M. Bernhard Plumilegus, vulgo Federleser, den er mir aus Wittenberg zugesandt hat, Ihr kennt ihn ja, er war einst Euer Mitbursche zu Deventer. Er sagte mir, Ihr hättet gute Kameradschaft mit ihm gehalten; er ist immer ein guter Geselle und weiß Euch nicht genug zu loben. So lebet denn wohl im Namen des Herrn!

Gegeben zu Leipzig.


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