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XXV. Magister Philipp Steinmetz entbeut seinen Gruß dem Magister Ortuin Gratius.

Wie ich Euch schon oft geschrieben habe, bin ich sehr ungehalten darüber, daß jenes Bubenvolk, nämlich die Fakultät der Poeten, so sehr anwächst und sich über alle Provinzen und Gegenden immer mehr verbreitet. Zu meiner Zeit gab es nur einen einzigen Poeten – er nannte sich Samuel – jetzt aber sind auf sotaner Hochschule wenigstens zwanzig, welche uns alle, die wir es mit den alten halten, mißhandeln. Unlängst habe ich einen handgreiflich zurecht gewiesen, welcher behauptete, »Scholar« bezeichne nicht eine Person, die lernens wegen in die Schule gehe, und sagte: »Du Esel, willst Du es besser wissen, als unser heiliger Doktor, der jene Bezeichnung ausstellt? Nachher verfaßte er eine Schmähschrift gegen mich, worin er viele beleidigende Ausdrücke gebrauchte und sagte, ich sei kein guter Grammatiker, da ich jene Wörter nicht richtig erklärt hätte, als ich den ersten Teil von Alexander und das Buch »De modis significandi« traktierte. Auch will ich Euch jene Bedeutungen in bester Form schriftlich mitteilen; denn Ihr sollt sehen, daß ich sie nach allen Wörterbüchern richtig erklärt habe und vollgültige Gewährsmänner dafür anführen kann, selbst in der Theologie. Zuerst nun sagte ich: seria bedeutet manchmal einen »Hafen«, und dann kommt der Name von Syria, weil er in dieser Provinz zuerst verfertigt wurde; auch kann der Name kommen von serius, weil er nützlich und unentbehrlich ist; oder von series, d. h. Ordnung (Reihe). Ebenso heißen patricii die Väter (patres) der Senatoren. Desgleichen hat currus (Wagen) den Namen von currere (laufen), weil mittelst seiner das Inländische nach außen läuft. Gleichergestalt bedeutet jus juris Gerechtigkeit (Rechtspflege), aber jus jutis Fleischbrühe; daher der Vers:

»Jus jutis mando, jus juris in agimine pando«.

Ebenso bedeutet lucar den Zins, welcher aus einem Haine (lubus) oder Walde bezogen wird; desgleichen mantellus einen Mantel, und davon kommt die Verkleinerungsform manticulus ; Mechanicus ist s. v. a. adulterinus, unächt, verfälscht: daher die Benennung artes mechanicae, unächte, falsche, keine wirkliche Künste, im Vergleich mit den freien Künsten, welche allein die wahren sind. Ebenso ist mensorium alles, was zum Tische (mensa) gehört. Desgleichen heißt Polyhistor einer, der viele Geschichten weiß; daher kommt Polyhistoria, d. h. eine Vielheit von Geschichten. Polysenus heißt einer, der mehrere Sinne hat. Dieses und ähnliches, sagte er, sei nicht richtig, und blamierte mich in Gegenwart meiner Schüler. Hierauf erklärte ich: es genüge zur ewigen Seligkeit, wenn einer ein einfacher Grarnmatiker sei, und wenigstens seine bedanken auszudrücken verstehe. Auf das erwiderte er: ich sei weder ein einfacher noch ein doppelter Grammatiker und wisse nichts. Das machte mich ganz vergnügt, denn nun will ich ihn auf die Privilegien der Wiener Universität vorladen, wo er mir Rede stehen soll, weil ich dort durch die Gnade Gottes zum Magister promoviert bin; und wenn ich einer ganzen Universität gelehrt genug war, so will ich auch einem einzigen Poeten gelehrt genug sein, denn eine Universität ist doch mehr, als ein Poet. Und glaubet mir, ich möchte diese Beleidigung nicht für zwanzig Gulden hingeben. Es heißt hier, alle Poeten wollen zu Dr. Reuchlin gegen die Theologen stehen, einer habe bereits ein Buch verfaßt, welches den Titel »Triumphus Capnionis« führt und viel Ärgerliches auch über Euch enthält. Wären doch alle Poeten da, wo der Pfeffer wächst, und ließen uns im Frieden, denn es ist zu befürchten, daß die artistische Fakultät wegen dieser Poeten noch zugrunde gehen wird, indem sie sagen, die Artisten verführten die jungen Leute, nähmen Geld von ihnen und machten sie zu Bakkalauren und Magistern, auch wenn sie nichts wüßten. Und bereits haben sie es dahin gebracht, daß die Schüler nicht mehr in den Künsten promovieren, sondern alle Poeten sein wollen. Ich habe einen Freund, der ein braver junger Mann ist und recht gute Talente hat. Seine Eltern haben ihn nach Ingolstadt geschickt, und ich habe ihm behufs der Promotion ein Schreiben an einen Magister mitgegeben, der in den freien Künsten sehr bewandert ist und jetzt zum Doktorgrade in der Theologie vorzurücken beabsichtigt. Da zog sich jener junge Mann von diesem Magister zurück, wandte sich an den Poeten Philomusus Jakob Locher von Ehingen a. D.} und hört nun dessen Vorlesungen. Und so habe ich denn Erbarmen mit dem jungen Manne nach dem, was in den Sprüchen Salomonis, Kap. 19 geschrieben steht: »Wer sich des Armen erbarmet, der leihet dem Herrn.« Denn wäre er bis auf diese Zeit bei jenem Magister geblieben, so wäre er bereits Bakkalaureus. So aber ist er nichts, und wenn er auch zehn Jahre in der Poeterei studiert. Ich weiß, daß auch Ihr viel Quälereien von jenen weltlichen Poeten zu erleiden habt, denn obgleich Ihr ebenfalls ein Poet seid, so seid Ihr doch kein solcher Poet, sondern Ihr haltet es mit der Kirche und besitzet dabei gründliche Kenntnisse in der Theologie, und wann Ihr Gedichte macht, so handeln diese nicht von Lappalien, sondern vom Lobe der Heiligen. Gar gerne möchte ich wissen, wie jene Angelegenheit mit dem Dr. Reuchlin steht. Wenn ich Euch in dieser Sache nützlich sein kann, so zeiget es mir an und schreibet mir zugleich über die ganze Sache.

Lebet wohl!


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