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XIX. Stephanus Glatz Lizentiat an Magister Ortuin Gratius.

Gruß und untertänige Dienstbereitwilligkeit gegen Ew. Majorität, ehrwürdiger Herr Doktor! Es ist hier ein Akademiker angekommen, der gewisse Gedichte mitbrachte-, von denen er sagte, Ihr hättet sie verfaßt und in Köln öffentlich bekannt gemacht. Da sah ein hiesiger Poet, der zwar sehr gelobt wird, aber kein guter Christ ist, dieselben und sagte, sie wären nicht gut und enthielten viele Fehler. Ich dagegen behauptete: »Wenn Magister Ortuin sie verfaßt hat, dann sind sie ohne Fehler, das ist gewiß«, und ich wollte meinen Rock zum Pfand setzen, daß, wenn jene Dichtungen Fehler enthielten Ihr nicht der Verfasser wäret; hättet Ihr sie aber verfaßt, dann wären sie ohne Fehler. Ich schicke Euch nun jene Gedichte, damit Ihr sehet, ob sie Euer Werk sind, und mir darüber schreibet. Das betreffende Gedicht ist verfertigt auf den Tod Gerhard von Zütphen in der Kneck Burs, der einst die bekannte Glosse verfasst hat und jetzt leider gestorben ist. Er ruhe in Frieden. Folgendes ist der Inhalt:

Hier ruht ein hochberühmter Akademiker;
Der heil'ge Geist gab ihn der Universität;
Die Kneck-Burs hat als Vorstand rühmlichst er regiert.
»Do macht er die Kopulat von Stuck zu Stuck.«
O, hätte Gott ein längres Leben ihm beschert,
Und seine Glosse weiter er fortführ'n gekonnt:
Genützet hätt' er dieser Universität,
Die Schüler trefflich hergeschult in gut Latein.
Doch jetzt, nachdem der Tod ihn uns entrissen hat
Und Alexanders Buch er nicht vollständig mehr
Erläutert hat, beklagt die Universität
Ihr Mitglied, das, der Fackel oder Leuchte gleich
Lichtglanz nach allen Richtungen verbreitet hat
Durch Lehren, die aus seinem Mund geflossen sind:
Noch keiner war so Meister im Periodenbau
Und brachte jene Dichterbuben so in Not,
Die nicht einmal verstehen, was Grammatik heißt,
Was Logik aller Wissenschaften Wissenschaft;
Die auch im Christenglauben nicht erleuchtet, und
Deswegen ausgestoßen aus der Kirche sind.
Und wollen sie zurück zum Glauben kehren nicht,
Dann führ' Hoogstraten sie zum Scheiterhaufen all,
Der schon den Dr. Reuchlin vorgeladen hat,
Und seltsam im Gericht mit ihm verfahren ist.
Du aber, Gott, Allmächtiger, erhöre doch,
Was ich in Demut und mit Tränen zu Dir fleh':
Verleih' dem Abgeschiedenen die ew'ge Gnad'
Und schicke jene Dichter all der Hölle zu!

Mir kommt das Gedicht sehr gut vor; allein ich weiß nicht, wie ich es skandieren muß, denn es ist eine gar seltsame Gattung, und ich verstehe bloß die Hexameter zu skandieren. Ihr dürfet nicht dulden, daß jemand Eure Gedichte tadelt, und darum schreibet mir, dann will ich Euch verteidigen bis auf die Klinge. Lebet wohl!

Aus dem Kloster in Westphalen.


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