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VII. Magister Petrus Hafenmus an Magister Ortuin Gratius.

Grüße ohne Zahl, ehrwürdiger Herr Magister! Wenn ich Geld und eine bedeutende Stellung hätte, wollte ich Euch eine famose Gasterei geben – Ihr dürft es mir fest glauben – damit Ihr mir die Frage, welche ich Euch vorlege, löset. Allein, weil ich für jetzt keine »Schafe und Rinder und alle Tiere des Feldes (Ps. 8, 8)« habe, sondern arm bin, darum kann ich Euch keinen Lohn für Eure Belehrung geben; dagegen verspreche ich Euch, sobald ich im Besitz einer Pfründe sein werde – wie ich mich denn bereits um ein Vikariat gemeldet habe – dann will ich Euch einmal eine besondere Ehre antun. Schreibet mir auch, ob es notwendig zur ewigen Seligkeit sei, daß die Schüler die Grammatik aus weltlichen Schriftstellern, wie Virgil, Tullius, Plinius u. A. lernen. Es scheint mir das keine Studiermethode zu sein, da, wie Aristoteles im ersten Buche der Metaphysik schreibt,die Poeten viel lügen, diejenigen aber, welche lügen, eine Sünde begehen, und die, welche ihr Studium auf Lügen gründen, es auf Sünden gründen, alles aber, was auf Sünden gegründet ist, nicht gut, sondern wider Gott ist, weil Gott ein Feind der Sünden ist. In der Poetik aber sind Lügen; darum können auch die, welche ihren Unterricht mit der Poetik beginnen, im guten nicht vorwärts schreiten, weil eine schlimme Wurzel auch ein schlimmes Kraut über sich hat, und ein schlechter Baum schlechte Frucht trägt wo der Heiland sagt: »es ist kein guter Baum, der schlechte Frucht trägt.« Auch halte ich noch wohl die Lehre im Gedächtnis, die mir einmal unser Magister Valentin von Geltersheim in der Burs unter XVI Häusern gab, als ich sein Schüler war und den Salust hören wollte. Er sagte: »warum willst du den Salust hören, du unwirscher Bursche?« Hierauf erwiderte ich: »weil Magister Johannes von Breslau gesagt hat, man lerne gute Aufsätze aus solchen Schriftstellern machen.« Auf dies versetzte er: »Das ist überhirnisches Zeug, du aber mußt dein Augenmerk auf die Bücher von Alexander und auf die Briefe von Karl richten, welche in den Lehrsälen der Grammatiker traktiert werden; ich habe nie den Salust gehört, und doch verstehe ich Aufsätze in gebundener und ungebundener Rede zu machen.« Und so bewirkte denn unser Magister Valentin, daß ich nie Studien in der Poetik machte. Nun aber quälen mich jene Humanisten mit ihrem neuen Latein, und achten jene alten Bücher für nichts: einen Alexander, Remigius, Johannes von Garlandia, Cornutus, die Composita verborum, das Epistolare von Magister Paulus Schneevogel, und lügen so arg, daß ich beim bloßen Hören ein Kreuz vor mir schlage. So sagte z. B. vor kurzem einer: es befinde sich in einer gewissen Landschaft ein Wasser, welches Goldsand enthalte und Tajo genannt werde. Da pfiff ich heimlich, weil das unmöglich ist. Ich weiß wohl, daß auch Ihr ein Poet seid, aber ich weiß nicht, woher Ihr diese Kunst habt. Man sagt, daß Ihr, wenn Ihr wollt, mehrere Gedichte in einer Stunde machet; allein ich glaube, Euer Verstand ist durch die Gnade des heiligen Geistes von oben so erleuchtet, daß Ihr dies und noch anderes vermöget, da Ihr ja immer ein guter Theolog waret und jene Heiden zurecht weiset. Gerne wollte ich Euch etwas neues schreiben, wenn ich was wüßte, allein ich habe nichts vernommen, als daß die Brüder und Herren vom Predigerorden hier im Besitze großer Indulgenzen sind und von Schuld und Strafe absolvieren, wenn jemand gebeichtet und Reue und Leid gemacht hat. Außerdem besitzen sie auch, noch päpstliche Schreiben (Breven). Schreibet mir auch etwas, da ich doch gewissermaßen Euer Famulus bin. Lebet wohl!

Aus Nürnberg.


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